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       # taz.de -- Krise der DFB-Elf der Frauen: Allgemeine Verunsicherung
       
       > Die Auswahl bangt nach der Pleite gegen Dänemark um das Olympia-Ticket.
       > Die Bundestrainerin ist derweil krank, sodass niemand umsteuern kann.
       
   IMG Bild: Totale Ratlosigkeit: Linda Dallmann, Janina Minge und Felicitas Rauch nach der Pleite in Dänemark
       
       Essen/Frankfurt taz | Auf der Playlist von Kabinen-DJ Laura Freigang stehen
       meistens eher keine Lieder von Herbert Grönemeyer. Vielleicht wäre es nun
       an der Zeit dafür. Die deutsche Nationalmannschaft der Frauen spielt mitten
       in der wohl größten Krise der jüngeren Vergangenheit in Bochum ihr zweiten
       Nations-League-Spiel.
       
       Vielleicht wäre es gar nicht so verkehrt, [1][vor der Partie gegen Island]
       (Dienstag 18.15 Uhr/ZDF) die Kulthymne zu spielen, die vor jedem Heimspiel
       des VfL Bochum für Gänsehaut sorgt: „Tief im Westen, wo die Sonne
       verstaubt, ist es besser, viel besser, als man glaubt.“ Worte der Hoffnung,
       die den deutschen Fußballerinnen guttun könnten. Die sind nach einem
       ernüchternden Auftritt gegen Dänemark (0:2) in der Olympia-Qualifikation,
       die in der Nations League ausgespielt wird, gleich unter Druck geraten.
       
       Der DFB-Tross ist am Samstag von Viborg nach Essen gereist, wo am Sonntag
       an der Hafenstraße trainiert wurde. In Bochum werden im Ruhrstadion dann im
       ersten Heimspiel nach dem WM-Desaster immerhin mehr als 12.000 Zuschauer
       dabei sein. Die wohlwollende Unterstützung wird es brauchen, wie die in
       Bocholt geborene Nationalspielerin Marina Hegering sagte: „Jetzt stehst du
       mit dem Rücken zur Wand. Ab jetzt gilt es, alle Spiele zu gewinnen.“
       [2][Dabei haben die DFB-Frauen von neun Länderspielen in diesem Jahr nur
       drei siegreich gestaltet] und sind in ihrem Leistungsstand erschreckend
       weit zurückgefallen.
       
       „Mit dem ganzen Drumherum ist es keine einfache Situation“, verwies
       Hegering auf die Begleitumstände mit der auf unbestimmte Zeit erkrankten
       Bundestrainerin [3][Martina Voss-Tecklenburg]. Die Kardinalfrage lautet
       nun, wie lange sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) diesen Schwebezustand
       noch anschaut. DFB-Präsident Bernd Neuendorf sprach zuletzt von einer
       Blockade, die inzwischen Besorgnis erregende Ausmaße angenommen hat.
       Derzeit wird auf und außerhalb des Platzes die Verantwortung einfach
       weitergeschoben – und damit ist seit jeher Scheitern verbunden.
       
       ## Wunsch nach Klarheit
       
       Selbst Interimstrainerin Britta Carlson ist die Hängepartie irgendwie leid.
       „Ich würde mir eine Klarheit für alle wünschen“, sagte die 45-Jährige vor
       ihrem wahrscheinlich letzten Spiel in der Chefrolle: „Ob es jetzt für das
       Trainerteam ist, für die Mannschaft. Weil ich einfach möchte, dass wir,
       Deutschland, wieder so erstarken, wie es vorher mal war.“
       
       Der über weite Phasen ideen- und mutlose Auftritt gegen Dänemark war die
       nahtlose Fortführung des Versagens in Australien. Die ausgebliebene
       Aufarbeitung erweist sich als fatal. Kapitänin Alexandra Popp konnte nur
       Altbekanntes wiederholen: „Uns hat im letzten Drittel einfach die
       Durchschlagskraft gefehlt.“
       
       Vorne mangelte es an Präzision, hinten an Konzentration. Dass Giulia Gwinn
       fast ein Jahr nach ihrem zweiten Kreuzbandriss patzte, sich direkt danach
       Torhüterin Merle Frohms und Abwehrchefin Hegering nicht einig waren,
       belegte nur, dass jeder gerade vom Negativsog erfasst wird. Spielerinnen
       wie Klara Bühl, Jule Brand oder Lina Magull schenken Bälle her, weil ihnen
       jedes Selbstvertrauen abhandengekommen ist. Kathrin Hendrich sucht seit
       Monaten ihre Form, Lena Oberdorf versteckt ihr Talent – und diese Liste
       ließe sich beliebig verlängern.
       
       „Leider hat man immer noch die Verunsicherung gespürt“, sagte Carlson und
       gab freimütig zu: „Wir haben noch nicht das Selbstverständnis wieder, das
       wir mal hatten.“ Auch körperlich schienen erneut einige Akteure nicht auf
       der Höhe. Überzeugung und Automatismen, Durchschlagskraft und
       Widerstandskraft aus dem EM-Sommer 2022 haben sich verflüchtigt. Nur zur
       Erinnerung: Die Vize-Europameisterinnen starteten damals in Brentford mit
       einem 4:0 gegen ein dänisches Team, das sich bei der WM eher mühevoll ins
       Achtelfinale quälte, dort gegen Gastgeber Australien chancenlos ausschied.
       
       Eine ehrliche Analyse unter Einbeziehung aller Aspekte würde vermutlich das
       Ergebnis bringen, dass ein Neuanfang mit neuen Köpfen unvermeidlich ist.
       Die verfahrene Situation erinnert an 2017, als die überforderte
       Bundestrainerin Steffi Jones nach einer verkorksten EM noch ein
       WM-Qualifikationsspiel gegen Island vergeigte. Erst einige Monate später
       kam der Menschenfänger Horst Hrubesch, dem viele Spielerinnen bis heute
       nachtrauern. Es heißt intern, dass es genau eine solche Person wieder
       braucht, um zu einem harmonischen Miteinander zu kommen.
       
       24 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.dfb.de/frauen-nationalmannschaft/news-detail/fahnen-spieltag-pins-und-give-aways-beim-island-spiel-255134/
   DIR [2] /Deutsches-Ausscheiden-bei-der-WM/!5944198
   DIR [3] /Bundestrainerin-Voss-Tecklenburg/!5868450
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Hellmann
       
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