URI: 
       # taz.de -- Querdenker okkupieren Wagenknecht: Falsche Herausgeberin
       
       > Die Coronaschwurbel-Postille „Demokratischer Widerstand“ fällt wiederholt
       > mit presserechtlichen Falschangaben auf.
       
   IMG Bild: Corona ist nicht das Problem? Fake News schon. Bilder von einer Demo in Berlin, 16. Mai 202
       
       Die Querdenker-Zeitung [1][Demokratischer Widerstand] brüstet sich mit
       einer neuen prominenten Herausgeberin. Demnach soll die Linken-Politikerin
       Sahra Wagenknecht seit dem 9. September in dieser Funktion für das Blatt
       tätig sein. So steht es jedenfalls auf der Seite 1 der Zeitung, direkt
       unter dem Titel.
       
       Nur: Das ist gelogen. Wagenknecht weiß von nichts. Auf Anfrage teilt das
       Büro der Bundestagsabgeordneten mit: „Die Anführung von Frau Wagenknecht
       als angebliche Herausgeberin der Zeitung ‚Demokratischer Widerstand‘
       erfolgt ohne jegliche Einwilligung.“ Die Politikerin habe „gegen die
       Nennung ihres Namens protestiert“, sie verlange „die umgehende Löschung und
       Richtigstellung“. Außerdem prüfe sie juristische Schritte.
       
       Die Zeitung verstößt damit nicht nur gegen Persönlichkeitsrechte von Sahra
       Wagenknecht, sondern auch gegen den obersten Grundsatz journalistischer
       Berichterstattung. Gleich in der ersten Ziffer im Pressekodex des Deutschen
       Presserates steht: „Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der
       Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind
       oberste Gebote der Presse.“
       
       Herausgegeben wird der Demokratische Widerstand in Berlin von den beiden in
       der verschwörungsgläubigen Szene bekannten Querdenkern und Coronaleugnern
       Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp. In dem meist wöchentlich erscheinenden
       Blatt wurde und wird die ganze Palette der Verschwörungsmythen
       ausgebreitet, Politiker werden übel beschimpft. „Impfung ist ein
       Massengrab“, hieß es etwa in der Zeitung, vom „Covid Horror Regime“ war die
       Rede, SPD- und Grünen-Politiker:innen wurden als „Kriegstreiber,
       Lügnerinnen, Spritzenmörder“ beleidigt. Verbindungen zur rechtsextremen
       Szene sind klar belegt.
       
       ## Staatsdelegitimierung
       
       Erstmals hat der Berliner Verfassungsschutz die Zeitung und den sie
       tragende Gruppierung „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ in
       seinen Bericht 2022 aufgenommen. Ihnen wird „Staatsdelegitimierung“
       vorgeworfen. Auch verübten sie „die anhaltende Verbreitung von
       Falschinformationen“. Zentral in ihrer Argumentation sei „die
       Gleichstellung des demokratischen Verfassungsstaats mit einer Diktatur“.
       
       Der aktuelle Fall Wagenknecht hat einen Vorläufer. Vom 27. Mai 2023 bis zur
       Ausgabe 26. August wurde [2][der britische Rockmusiker Roger Waters]
       (ehemals Pink Floyd) an gleicher Stelle auf dem Titel als Herausgeber
       genannt. Auch das war Fake. Waters tourte zu der Zeit unter einigen
       Protesten durch Europa, ihm wurde Antisemitismus vorgeworfen, auch
       positionierte er sich im Krieg in der Ukraine an der Seite Russlands.
       
       Mit dem Demokratischen Widerstand allerdings hat er nichts am Hut, er kennt
       die Zeitung nach Angaben seines deutschen Anwalts Ralf Höcker auch nicht.
       Mit dieser Klarstellung lässt es der 80 Jahre alte Brite aber nicht auf
       sich bewenden. Über den Anwalt Höcker hat er beim Landgericht Köln eine
       einstweilige Verfügung gegen „Sodenkamp & Lenz Verlagshaus GmbH“ erwirkt.
       In dieser wird dem Demokratischen Widerstand verboten, weiter zu behaupten,
       Roger Waters sei dessen Herausgeber.
       
       Was das Lenz und Sodenkamp – [3][Höcker bezeichnet sie ausdrücklich] als
       „diese Irren“ – kosten dürfte, hat seine Kanzlei auf Anfrage der taz genau
       berechnet. Sie geht davon aus, dass es erforderlich sein wird, den
       Demokratischen Widerstand zur Abgabe eines Abschlussschreibens
       aufzufordern. Außerdem werde die Verhängung eines Ordnungsgeldes beantragt.
       
       Demnach werden Rechtsanwaltsgebühren für Höcker sowie Gerichtskosten von
       insgesamt 3.307,10 Euro fällig. Hinzu käme ein Anwalt der Zeitung, falls
       diese sich einen nimmt. Und das Ordnungsgeld muss für jeden Fall bezahlt
       werden, in dem das Blatt Roger Waters weiterhin als Herausgeber tituliert.
       Erfindet der Demokratische Widerstand weiterhin immer neue Herausgeber, so
       wird das mit der Zeit teuer werden.
       
       Ein tatsächlicher Herausgeber zumindest für zwei Ausgaben ist weiterhin als
       Kolumnist für das Blatt tätig: Michael Meyen, Professor für
       Kommunikationswissenschaft (IfKW) an der Münchner
       Ludwig-Maximilians-Universität. Der Professor mit Querdenkerhaltung war im
       Frühjahr dieses Jahres massiv in die Kritik geraten, wegen seiner Nähe zum
       Demokratischen Widerstand.
       
       Das IfKW hat sich klar von Meyen distanziert. Die bayerische
       Landesanwaltschaft, zuständig bei möglichen Dienstvergehen von Beamten,
       ermittelt weiterhin gegen ihn, ein Ergebnis gibt es noch nicht.
       
       24 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://demokratischerwiderstand.de/
   DIR [2] /Fehler-in-der-Berichterstattung/!5952178
   DIR [3] https://twitter.com/Ralf_Hoecker/status/1704490913567756385
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Patrick Guyton
       
       ## TAGS
       
   DIR Medienjournalismus
   DIR Sahra Wagenknecht
   DIR Coronaleugner
   DIR Medienrecht
   DIR GNS
   DIR "Querdenken"-Bewegung
   DIR Medien
   DIR Coronaleugner
   DIR Verschwörungsmythen und Corona
   DIR Kunstbetrieb
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Münchner Querdenker-Professor Meyen: Watschn für Schwurbel-Professor
       
       Dem Münchner Querdenker-Professor Michael Meyen wird das Gehalt um zehn
       Prozent gekürzt. Er ist Autor für eine Coronaleugner-Zeitung.
       
   DIR Vorwurf gegen „Hamburger Abendblatt“: Gute Nachrichten für den Sponsor
       
       Das „Hamburger Abendblatt“ lässt sich die Beleuchtung des TV-Turms in
       Firmenfarben sponsern. Zugleich gibt es einen großen Artikel über den
       Geldgeber.
       
   DIR Fehler in der Berichterstattung: Wir hätten es wissen können
       
       Pink-Floyd-Sänger Roger Waters ist nicht Mitherausgeber der Zeitung
       „Demokratischer Widerstand“. Die taz hatte das fälschlicherweise berichtet.
       
   DIR Disziplinarverfahren gegen LMU-Professor: Beamter im Schwurbelmodus
       
       Gegen Michael Meyen, Ex-Herausgeber der Zeitung „Demokratischer
       Widerstand“, wird ermittelt. Unter anderem vom Wissenschaftsministerium.
       
   DIR Querdenker in Berlins Kulturszene: Schwurbel sucht alternative Räume
       
       Ob Kreuzberger Galerie Zeitzone oder Drugstore: Die Querdenken-Szene
       versucht sich in linken Kulturräumen festzusetzen. Manchmal aber geht das
       schief.