# taz.de -- Ankunftszentrum in Tegel: Unter Kontrolle wie im Gefängnis
> Im Ankunftszentrum Tegel müssen viele oft Monate ausharrren. Dort
> untergebrachte Ukrainerinnen erheben schwere Vorwürfe gegen das
> Sicherheitspersonal.
IMG Bild: Wohnen im ehemaligen Flughafen Tegel
Berlin taz | Das [1][Ukraine-Ankunftszentrum in Tegel] war 2022
ursprünglich nur für die Registrierung ukrainischer Flüchtlinge gegründet
worden. Weil Plätze in Wohnheimen fehlen, wohnen dort derzeit 4.000
Menschen, viele schon seit Monaten. Der Flüchtlingsrat fordert nun, die
„menschenunwürdige, nach außen strikt abgeschottete und extrem teure“
Massenunterkunft so schnell wie möglich zu schließen. Die Zustände seien
katastrophal.
130 Frauen aus der Ukraine haben sich wegen der Zustände in einem
Beschwerdebrief an die Senatsverwaltung für Soziales und an das DRK,
Betreiberin des Heimes, gewendet. Das Schreiben liegt der taz vor. Die
Ukrainerinnen beschweren sich darin über Übergriffe durch Sicherheitskräfte
und fordern, das Security-Unternehmen zu wechseln.
Die Unterbringungssituation in dem ehemaligen Flughafen-Terminal ist so:
Die Menschen wohnen in engen Schlafkabinen mit 10 bis 14 Betten pro Kabine
und 2,6 Quadratmeter Wohnfläche pro Person. Für SeniorInnen im Rollstuhl
gilt das genauso wie für Menschen mit offenen Kriegsverletzungen und
Kinder. Alle BewohnerInnen tragen eine Chipkarte um den Hals, sodass ihre
Namen und Daten maschinell gelesen werden können. Nicht nur am Eingang des
früheren Flughafens, sondern zusätzlich auch am Zelt wird das Gepäck der
BewohnerInnen kontrolliert.
In ihrem Beschwerdebrief schildern die Ukrainerinnen, dass männliche
Sicherheitsleute die Taschen der Frauen untersucht hätten, als sie von der
Duschkabine ins Zelt gingen. Dabei hätten sie sich „ganz genau die
Unterwäsche der Frauen in den Taschen“ angeschaut. Auch von körperlichen
Angriffen der Sicherheitsleute auf BewohnerInnen ist die Rede. Gespräche
mit den Securitys seien nicht möglich, weil diese weder Russisch noch
Ukrainisch verstünden. Das führe zu Konflikten wegen Kleinigkeiten, etwa,
weil BewohnerInnen ihre Wäsche auf freien Betten abgelegt hätten. Auch
Essen und Getränke dürften nicht mit in die Schlafkabine nehmen.
## Monatelang keine Schule
Aus dem Gesprächsprotokoll mit den Frauen, das der Flüchtlingsrat erstellt
hat, geht hervor, dass es BewohnerInnen generell verboten sei, in der
Unterkunft in Tegel Fotos zu machen. Das beträfe auch Aushänge oder das
eigene kaputte Bett. Eine sofortige Abmahnung sei die Folge. Securitys
würden gegebenenfalls das Telefon zerstören oder die Leute körperlich
angreifen. Sie würden agieren „wie Gefängnisaufseher.“
Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) sagte auf taz Anfrage, sie nehme die
Vorwürfe sehr ernst. Sie lasse diese gerade prüfen. „Das Ankunftszentrum
muss für alle Geflüchteten ein sicherer Ort sein. Diskriminierendes
Verhalten dulden wir nicht, Missstände werden wir abbauen.“ Regina Kneiding
vom DRK sagte: „Die Vorwürfe, wie sie der Flüchtlingsrat formuliert,
treffen nicht zu.“ Auch die Behauptung, die Belegung in den Schlafkabinen
erfolge nicht getrennt nach Geschlechtern, weist das DRK zurück. Die
Wohnverhältnisse seien prekär, die Alternative wäre aber Wohnungslosigkeit.
Der Flüchtlingsrat kritisiert weiter, dass es den MitarbeiterInnen
untersagt sei, den BewohnerInnen beim Ausfüllen von Behördenformularen zu
helfen. Das bestätigt DRK-Sprecherin Kneiding, es gebe aber Ausnahmen in
Härtefällen. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Kinder in Tegel werden nicht zur
Schule angemeldet. An separatem Unterricht neben dem Heim könne nur ein
kleiner Teil der Kinder teilnehmen und dieser Unterricht breche oft eher
ab, damit die Kinder beim Mittagessen nicht leer ausgehen.
26 Sep 2023
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## AUTOREN
DIR Marina Mai
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