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       # taz.de -- Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften: Der Senat lässt die Mieten steigen
       
       > Die neue Kooperationsvereinbarung mit den Wohnungsbaugesellschaften
       > verzichtet auf viele Sozialvorgaben. Mieten dürfen um 2,9 Prozent
       > steigen.
       
   IMG Bild: Koalition der „maßvollen Mietsteigerungen“: Senator Christian Gaebler und Bürgermeister Kai Wegner
       
       Berlin taz | Die [1][Zeit der Schonung ist für die Mieter:innen der
       landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften] vorbei. Nach anderthalb Jahren, in
       denen Mieterhöhungen ausgeschlossen waren und einer vorherigen Begrenzung
       auf ein Prozent, sollen ihre Mieten ab kommendem Jahr wieder erhöht werden
       dürfen – und zwar um 2,9 Prozent pro Jahr. Das erlaubt die
       [2][Kooperationsvereinbarung], die der schwarz-rote Senat mit den 6
       landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften abgeschlossen hat.
       
       Die Gesellschaften zeigten sich angesichts der neuen Möglichkeiten, die
       ihnen SPD und CDU gewähren, zufrieden. Bei der Vorstellung der von 14 auf 3
       Seiten geschrumpften Vereinbarung am Montag sprach Jörg Franzen,
       Gesobau-Vorstand und Sprecher der 6 Wohnungsbaugesellschaften, von
       „konstruktiven Verhandlungen“; lediglich 2 Termine habe es für die Einigung
       benötigt.
       
       [3][Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD)] benannte den
       „Zielkonflikt“ zwischen bezahlbaren Mieten und wirtschaftlich arbeitenden
       Gesellschaften. Deren Anforderungen seien neben der Versorgung mit
       bezahlbarem Wohnraum auch die energetische Sanierung der Bestände bis 2045
       und der Neubau von jährlich 6.500 Wohnungen. Die Kosten hierfür seien, auch
       durch das erhöhte Zinsniveau, stark gestiegen. Die Beschränkung der
       Mieterhöhungen zuletzt sei „richtig und wichtig“ gewesen, so Gaebler,
       „stoße nun aber an ihre Grenzen“.
       
       Der Senator, dessen [4][Partei sich noch am Samstag] für eine Verlängerung
       des Mietenstopps ausgesprochen hatte, verteidigte die neuen Regelungen.
       Diese seien „keine übermäßige Belastung“. Zudem enthalte die Vereinbarung
       ein „Leistbarkeitsversprechen“. Demnach sollen Mieter:innen nicht mehr
       als 27 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens zahlen müssen. Bislang lag
       diese Grenze bei 30 Prozent. In der Praxis aber haben nur wenige
       Mieter:innen davon Gebrauch gemacht.
       
       ## 15 Euro Neubau
       
       Mehr Beinfreiheit gestattet der Senat Degewo, Howoge & Co. auch in anderen
       Bereichen. So dürfen die Gesellschaften bei Erstvermietung künftig 15 Euro
       pro Quadratmeter verlangen. In der letzten Kooperationsvereinbarung waren
       noch 11,50 Euro festgelegt. Gewobag-Vorständin Snezana Michaelis
       bezeichnete dieses Mietniveau als „alternativlos“. Es gehe darum, dass sich
       Neubauvorhaben „aus sich selbst heraus tragen“. Möglich ist den Unternehmen
       zukünftig zudem eine Umlage von 2 Euro pro Quadratmeter bei energetischer
       Sanierung.
       
       Bei Neu- und Wiedervermietung sinken derweil die Quoten für arme
       Mieter:innen. Bei Neubauprojekten sollen 50 Prozent der Wohnungen
       mietpreisgebunden sein, bei Wiedervermietung 63 Prozent an Haushalte mit
       Wohnberechtigungsschein (WBS) gehen. In beiden Fällen sollen diese aber nur
       noch zum Teil an besonders einkommensschwache Mieter:innen mit Anspruch
       auf einen Wohnberechtigungsschein 140 gehen, zum anderen an Mieter:innen
       mit mittlerem Einkommen und einem WBS 220, das einem Nettoeinkommen von
       2.200 Euro für einen 1-Personen-Haushalt entspricht.
       
       ## Entsetzen bei Mieterschützern
       
       Die Kritik des Mietervereins fiel vernichtend aus: Die Vereinbarung für
       leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung, wie sie
       heißt, „verdiene ihren Namen nicht mehr“ und sei eine „wesentliche
       Verschlechterung für alle Mieter:innen“. Sie sei ein „Geschenk an die
       Wohnungsunternehmen“, während besonders Menschen mit kleinen Einkommen
       „benachteiligt“ werden. [5][Der Mieterverein hatte – ungehört – gefordert],
       dass drei Viertel der Wohnungen an einkommensschwache Haushalte gehen.
       
       „Der Senat vollzieht den sozialen Kahlschlag für die 350.000 öffentlichen
       Wohnungen“, kommentierte der mietenpolitische Sprecher der Linksfraktion,
       Niklas Schenker. Angesichts steigender Kosten sei es „unverantwortlich,
       dass die Mieten um fast 9 Prozent bis zum Ende der Legislaturperiode
       steigen sollen“. Es sei „lächerlich“, dass SPD-Fraktionschef Raed Saleh
       noch am Wochenende das Motto „Keine Koalition ohne Mietendeckel“ ausgab,
       nun sein Senator die Mieten erhöhe.
       
       Die Grüne Katrin Schmidberger wies darauf hin, dass im Wohnungsbündnis mit
       den Privaten eine maximale Mieterhöhung von 2 Prozent für
       einkommensschwache Haushalte vereinbart war. Nun hielten sich nicht einmal
       mehr die Landesgesellschaften daran: „Damit beerdigt der Senat nun
       endgültig sein eigenes Bündnis.“
       
       25 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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