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       # taz.de -- Konflikt in Bosnien-Herzegowina: Anklage gegen Dodik bestätigt
       
       > Der Präsident der serbischen Teilrepublik muss vor Gericht, weil er sich
       > einer Weisung des Hohen Repräsentanten widersetzte. Die Spannung wächst.
       
   IMG Bild: Präsident der Republika Srpska Milorad Dodik
       
       Sarajevo taz | Das Gericht von Bosnien und Herzegowina hat einer Anklage
       gegen den Präsidenten des serbischen Landesteils, Milorad Dodik, wegen
       mutmaßlichen Amtsmissbrauchs stattgegeben. Damit kann der umstrittene
       nationalistische Politiker vor Gericht gestellt werden.
       
       Die Antwort von serbisch-nationalistischer Seite ließ nicht lange auf sich
       warten: Das Gericht wurde als „gemeinsame kriminelle Vereinigung“ verhöhnt.
       Dodik drohte zunächst, der Hohe Repräsentant der Internationalen
       Gemeinschaft für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, würde
       verhaftet, wenn er in die Republika Srpska (RS) – den serbischen Landesteil
       – käme. [1][Die Drohung zog er allerdings gleich wieder zurück]. Damit
       strebt der Konflikt zwischen Dodik und Schmidt einem neuen Höhepunkt
       entgegen.
       
       [2][Was die Anklage auslöste]: Das von Dodik kontrollierte Parlament der RS
       hatte im Juni ein Gesetz beschlossen, das Urteile des bosnischen
       Verfassungsgerichts in der RS ungültig gemacht hätte. Schmidt hob dieses
       Gesetz auf – diese Entscheidung erschien noch im Amtsblatt der RS.
       Unmittelbar darauf untersagte Dodik, weitere Erlasse Schmidts im Amtsblatt
       zu veröffentlichen. Das ist in den Augen des Obersten Gerichtshofes
       strafwürdig. Auch eine Anklage gegen den Direktor des Amtsblattes, Milos
       Lukic, wurde daher zugelassen.
       
       Dodiks Konflikt mit dem bosnischen Gericht ist Teil eines Machtkampfes: Der
       von Russland Unterstützte möchte die RS vom Gesamtstaat abspalten und
       verstößt damit gegen den Friedensvertrag von Dayton 1995.
       
       ## Bonn-Powers gegen Srpska-Machthaber
       
       Schmidt könnte nun Dodik mit seinen Befugnissen, den sogenannten
       Bonn-Powers, absetzen. Dazu bräuchte er aber die Unterstützung der
       serbischen Polizei in Banja Luka, Regierungssitz der RS, die diesen Wunsch
       wohl ignorieren wird. Die gesamtstaatliche Polizei Sipa könnte ihn zwar
       unterstützen, müsste sich aber gegen die lokale Polizei durchsetzen.
       
       Nur die Truppen der EU-Sicherheitsmission Eufor könnten Schmidt noch
       helfen. Doch es gibt einen Haken: Das Mandat der Eufor muss vom
       Weltsicherheitsrat noch in diesem Herbst erneuert werden, und zwar mit den
       Stimmen Russlands und Chinas. Die aber sind verlässliche Partner der
       serbischen Seite. Im Hintergrund heißt es: Die Weiterführung der Eufor
       würde nur unter ungarischem Oberbefehl akzeptiert – ebenfalls Freunde
       Dodiks.
       
       ## Aufstockung der Eufor in Brčko erwünscht
       
       Auf die Eufor wartet eine weitere Herausforderung: Ihr Kontingent soll in
       Brčko – nach westlichem Wunsch – mit westlichen Truppen aufgestockt werden.
       
       Das Gebiet um Brčko war der umkämpfteste Ort [3][im letzten Krieg]. Denn
       hier war der serbische Korridor, der Serbiens Hauptstadt Belgrad mit Banja
       Luka und den eroberten Gebieten in Kroatien verband, nur wenige Kilometer
       breit.
       
       Das Gebiet wurde 1995 in Dayton zu einer Sonderregion, die keiner Seite
       gehört, erklärt: Mit eigenem Parlament und Regierung und zwei Prozent der
       Landfläche. Brčko ist eine multinationale Stadt – im Gegensatz zu den
       Nationalisten, die behaupten, die verschiedenen Volksgruppen könnten nicht
       zusammenleben, arbeiten hier viele gemeinsam, weitgehend ohne Konflikte.
       Die Sonderzone ist eigentlich ein Bosnien um Kleinen. (mit dpa)
       
       12 Sep 2023
       
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