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       # taz.de -- Robotermusik: Keine Angst vor der KI
       
       > In der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin ließen die Roboterpioniere
       > Gamut Inc ihre lärmenden, lustig blinkenden Maschinen auftreten.
       
   IMG Bild: „Zeroth Law – Das nullte Gesetz“ (Szenenfoto) wurde am 27. September 2023 in Berlin uraufgeführt
       
       Noch lernfähigere künstliche Intelligenz könnte dazu führen, dass die
       Menschheit von den Maschinen versklavt, vielleicht sogar vernichtet wird.
       Denn irgendwann könnten Roboter wirklich so etwas wie ein Bewusstsein
       entwickeln und dann darauf kommen, diese lästigen und unfähigen Menschen
       einfach loswerden zu wollen. Vor diesem Szenario warnt der apokalyptisch
       denkende Flügel in der KI-Forschung, während es aus der anderen Richtung
       heißt: Alles Quatsch, dazu wird es nie kommen, die Maschinen werden immer
       unsere Sklaven bleiben und nicht umgekehrt.
       
       Derweil hat die Science-Fiction-affine Popkultur schon längst Szenarien
       erarbeitet, wie es aussehen könnte, wenn es doch nicht so gut läuft mit der
       Koexistenz von unbelebten Geräten und uns Menschen. Das reicht vom
       Klassiker „Terminator“ mit Arnold Schwarzenegger als Cyborg aus der Zukunft
       bis hin zur HBO-Serie „Westworld“, die von einem Aufstand der Roboter in
       einer Westernkulisse handelt.
       
       Auch in der Popmusik wird das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine schon
       lange ausgehandelt. Kraftwerk behaupteten: „Wir sind die Roboter“, und als
       dann Acid House und Techno aufkamen, konnte man Klänge hören, bei denen man
       das Gefühl hatte, hier spielen die Maschinen jetzt aber wirklich verrückt
       und machen längst ihr eigenes Ding.
       
       Gruseln tut sich vor dieser hoch technifizierten Musik allerdings längst
       niemand mehr außer ein paar stehen gebliebenen Rockfans.
       
       ## Die Geräte sehen aus wie Orgeln
       
       Wenn nun der Mensch-Maschine-Diskurs die sogenannte Hochkultur erreicht,
       darf man natürlich trotzdem gespannt sein, wie in diesen Kreisen damit
       umgegangen wird, wenn, etwas spät vielleicht, die Roboter im wahrsten Sinne
       des Wortes die Opernbühne erobern.
       
       Die beiden Spezialisten für Musikroboter Marion Wörle und Maciej Śledziecki
       von Gamut Inc aus Berlin durften nun an drei Tagen hintereinander gleich
       50 Maschinen in der zur [1][Deutschen Oper Berlin] gehörenden Tischlerei,
       die ein mittelgroßer Konzertsaal ist, aufstellen: in [2][der Inszenierung
       ihrer Komposition mit dem Titel „Zeroth Law“].
       
       Diese Geräte sehen aus wie Orgeln, die ein leicht irrer Wissenschaftler aus
       allerlei Krempel vom Schrottplatz zusammengebastelt hat. Oder wie
       Kreuzungen aus einem Roboter und einem Saxofon oder einer Tuba.
       [3][Godfried-Willem Raes], der Erbauer all dieser seltsamen Gerätschaften,
       der mit seinen langen weißen Haaren und dem Rauschebart aussieht wie
       Gandalf aus „Herr der Ringe“ und der bei der Premiere von „Zeroth Law“ in
       Berlin vor Ort ist, hat ziemlich viel Fantasie, wenn es um den Bau von
       Musikapparaten geht.
       
       ## Höllenlärm, aber interessante Klänge
       
       Die Dinger können auch wirklich einen Höllenlärm veranstalten und durchaus
       interessante Klänge hervorbringen. Sie sind absolut imposant, aber Angst
       vor ihnen muss man wirklich nicht haben. Sie haben so eine
       retrofuturistische Steampunkanmutung, sehen teilweise schon leicht
       angerostet aus, und an manchen von ihnen blinken rote Leuchtdioden ganz
       lustig. Diese Maschinen, da kann man beruhigt sein, werden die Menschheit
       ganz sicher nicht knechten.
       
       Sich fürchten muss man bei dieser aufwendigen Produktion, in der auch noch
       der RIAS Kammerchor singt und ein Tänzer und eine Tänzerin sich
       roboterartig bewegen, vielleicht am Ende eher vor zu wenig KI. Das Libretto
       zu dem Stück stammt von dem gefeierten Autor Frank Witzel, der schon
       allerlei Preise zugedacht bekommen hat. Sätze wie: „Der Himmel riecht so
       international – so uneinnehmbar wirtschaftlich global – wie Zuckerwatte, in
       der eine Kinderhand versinkt“, können aber eigentlich gar nicht von ihm
       selbst stammen. Da muss er doch eine KI zu Hilfe genommen haben, und zwar
       eine, die bereits seit Jahren veraltet ist, weil selbst ChatGPT längst mehr
       draufhat, als solche Phrasen rauszuhauen.
       
       Vielleicht ist das ja die Kernaussage des Stücks: Fürchtet euch nicht vor
       einer immer fortgeschritteneren KI und Maschinen, die immer mehr können;
       denn dann bleiben uns wenigstens solche Sätze erspart.
       
       30 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Deutsche-Oper/!t5033553
   DIR [2] https://deutscheoperberlin.de/en_en/calendar/gamut-inc-s-zeroth-law-das-nullte-gesetz.17586940
   DIR [3] https://www.logosfoundation.org/index-god.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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