URI: 
       # taz.de -- Zerstörung armenischer Kultur: Unbequeme Spuren
       
       > Klöster, Obsthaine, Friedhöfe: Es gehört zu Aserbaidschans Strategie,
       > armenische Kulturgüter auszulöschen. Auch in Bergkarabach wird das
       > geschehen.
       
   IMG Bild: Armenisches Kloster in Nagorno Karabach, es ist zu befürchten, dass es zerstört wird
       
       Am 19. September griff Aserbaidschan Bergkarabach an, einen Tag später
       kapitulierten die Streitkräfte des Gebiets im Südkaukasus. Die
       international nicht anerkannte [1][Republik Arzach] – so nennen Armenier
       das Gebiet, das sich 1991 unabhängig erklärte von Aserbaidschan – soll bis
       2024 offiziell aufgelöst werden.
       
       Bis dahin haben wohl die meisten Armenier Bergkarabachs ihre Heimat hinter
       sich gelassen, Zehntausende sind bereits [2][nach Armenien geflohen]. In
       Bussen und Autos stehen sie stundenlang auf der einzigen Verbindungsstraße
       im Stau, dabei haben sie nur das Nötigste. Was sie zurücklassen mussten:
       Möbel, Häuser, Felder, Obsthaine voller Granatapfelbäume. Friedhöfe mit den
       Gräbern geliebter Menschen. Kunstwerke, Kathedralen und Kirchen.
       
       Menschen brauchen Monumente: Als Erinnerung, als Ort der Andacht. Viel mehr
       brauchen diese aber die Menschen, denen sie gewidmet sind. Wem ein Monument
       etwas bedeutet, der schützt es. Und wem es ein unbequemes Mahnmal ist, an
       etwas, das angeblich niemals war – der zerstört es.
       
       In den Sozialen Medien werden Videos geteilt: Ein Soldat schießt in
       Richtung eines Gebäudes. Es ist ein Kloster aus dem 13. Jahrhundert im Ort
       Charektar. In einem anderen Video schießt ein aserbaidschanischer Soldat
       mit seinem Gewehr Salven auf einen Kreuzstein. Die Zerstörung armenischer
       Kultstätten durch Aserbaidschan ist nichts Neues. Das Portal Caucasus
       Heritage Watch der US-Universitäten Cornell und Purdue beobachtet die
       Zerstörung von Kulturerbe in der Region.
       
       ## Wer nie da war, dem konnte auch nichts genommen werden
       
       Ihr Fazit: Auch Armenier haben aserbaidschanische Kultstätten, etwa die
       Moscheen von Shusha und Agdam, geplündert und teilweise zerstört. Es sei
       aber nicht das Ziel gewesen, die Existenz aserbaidschanischer Kultur zu
       verschleiern oder ihre Spuren zu tilgen. In Aserbaidschan hingegen ist es
       Teil des Narrativs, die armenische Geschichte der heute zu der
       [3][Öldiktatur] gehörenden Landstrichen zu leugnen. Und dafür muss man sie
       auslöschen.
       
       Das zeigt sich in den 2020 zurückeroberten Gebieten rund um Bergkarabach
       und in der aserbaidschanischen Exklave Nakhitschewan. Dort gab es einmal
       ein Kloster aus dem 5. Jahrhundert. Mesrop Mashtots, der Erfinder der
       armenischen Schrift, soll dort gelebt haben. Das Kloster und seinen
       Friedhof gibt es heute nicht mehr, der aserbaidschanische Staat, so
       Caucasus Heritage Watch, hat es zerstört. Wer heute an dem Ort vorbei
       fährt, ahnt nichts von seiner Geschichte. So will es Aserbaidschan.
       
       Wer nie da war, dem konnte auch nichts genommen werden: Keine Häuser,
       Obsthaine, Kirchen – und auch keine Heimat. Die hat es ja angeblich nie
       gegeben. Und wo wären denn die historischen Stätten, die etwas anderes
       belegten?
       
       29 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bergkarabach-wird-aufgeloest/!5963057
   DIR [2] /Konflikt-um-Bergkarabach/!5962929
   DIR [3] /Sanktionen-gegen-Aserbaidschan/!5959759
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lisa Schneider
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Bergkarabach
   DIR Armenien
   DIR Aserbaidschan
   DIR Zerstörung
   DIR Schwerpunkt Bergkarabach
   DIR Armenien
   DIR Schwerpunkt Bergkarabach
   DIR Schwerpunkt Bergkarabach
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Kolumne Krieg und Frieden
   DIR Schwerpunkt Bergkarabach
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bärbel Bas und Bergkarabach: Passt schon, weitermachen
       
       Die Bundestagspräsidentin posiert mit einer aserbaidschanischen Politikerin
       – und einem fragwürdigen Foto. Deren Propagandamaschine bedankt sich.
       
   DIR Meduza-Auswahl 26. Oktober – 1. November: Mit Z und St.-Georgs-Band
       
       Auch in Sibirien setzt Putins Regime auf Patriotismus und Propaganda. Sie
       ist Teil des Alltagsleben geworden. Texte aus dem Exilmedium.
       
   DIR Für Sanktionen gegen Aserbaidschan: Hofreiter fordert Strafmaßnahmen
       
       Anton Hofreiter stellt die Gaslieferungen aus Aserbaidschan infrage.
       Deutschland dürfe sich nicht erneut von einer Autokratie abhängig machen.
       
   DIR Ursachen des Bergkarabachkonflikts: Ein historischer Exodus
       
       Der Konflikt um die armenisch besiedelte Region Bergkarabach geht auf ein
       türkisch-sowjetrussisches Abkommen von 1921 zurück. Ein Essay aus
       armenischer Perspektive.
       
   DIR Bergkarabach wird aufgelöst: Das Ende der „Republik Arzach“
       
       Zum Neujahr wollen die Behörden Bergkarabachs ihre Regierung auflösen.
       Viele Armenier in dem Gebiet sind bereits geflohen.
       
   DIR Armenier fliehen aus Bergkarabach: Von der Heimat bleiben zwei Gräber
       
       Anja wartet in Bergkarabach auf eine Ausreisemöglichkeit nach Armenien.
       Ihre Tochter wird vermisst, auf dem Friedhof bleiben Ehemann und Sohn
       zurück.
       
   DIR Konflikt um Bergkarabach: Zehntausende weiter auf der Flucht
       
       Knapp 30.000 Menschen sind bis Dienstagabend in Armenien angekommen. Die
       Fahrt dauert derzeit 20 Stunden und länger.