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       # taz.de -- Alles schlimm finden bringt nichts: Was hilft gegen Populisten?
       
       > Manche Drecksäcke wollen gern die emanzipatorisch-liberaldemokratische
       > Entwicklung der BRD abschreiben. Den Gefallen sollte man ihnen nicht tun.
       
   IMG Bild: Die AFD abwählen statt jammern
       
       Der Katastrophismus ist eine beliebte Kultur, die speziell von manchen
       Haltungslinken gern gepflegt wird. Ein [1][AfD-Landrat] löst bei ihnen
       Weimar-Vergleiche und Schoß-ist-fruchtbar-noch-Gerede aus oder bringt den
       Evergreen in die heavy rotation zurück, dass „die Deutschen“ Faschismus
       einfach im Blut hätten, was ja ironischerweise eine Variante von
       Blut-und-Boden-Ideologie ist.
       
       Ich will damit nicht sagen, dass es keine Gründe gäbe, sich Sorgen zu
       machen – im Gegenteil. Gerade deshalb suche ich eine Herangehensweise, die
       die steigende Nachfrage nach populistischen Parteien, Slogans und Figuren
       (AfD, Aiwanger, Wagenknecht) sowie rechts- und linksautoritären
       Pseudolösungen ernst nimmt und medial und politisch bearbeitet, statt aus
       intellektueller Schwäche zum Multiplikator der Destruktion zu werden.
       
       Dafür darf man die emanzipatorisch-liberaldemokratische Entwicklung der
       Bundesrepublik seit 1945 nicht vorauseilend abschreiben, nur weil
       irgendwelche Drecksäcke das gern hätten. Es wird aber auch nicht helfen,
       Haltung zu beschwören, auf Antifa-Demos zu gehen oder gar „die Mitte“ weit
       nach rechts zu schieben oder gleich zu nazifizieren. Mit Letzterem
       reduziert man nämlich Nazis nicht, sondern produziert sie.
       
       Etwas weniger dramatisiert kann man von einer zunehmenden Bockigkeit
       sprechen in Teilen bisher unauffälliger Milieus, hervorgerufen durch den
       Schock des Verlusts der gewohnten „Normalität“ und die Schwierigkeiten von
       Regierung, Opposition und Mediengesellschaft, damit umzugehen.
       
       ## Grüne-sind-schuld-Fantasy
       
       Daraus entwickelt sich Zustimmung für Sündenbock-Rhetorik und an
       Problemlösungen komplett desinteressierter Politik – von Trump, Le Pen,
       Meloni über AfD zu Aiwanger. Das wiederum hat zur Folge, dass Protagonisten
       der liberaldemokratisch-europäischen CDU/CSU (Söder, Merz) derzeit zu
       Hybriden geworden sind, [2][die mit einer inhaltlich und stilistisch
       erbärmlichen Grüne-sind-schuld-Fantasy] das Werte- und Politikfundament
       dementieren, auf dem die Partei aufgebaut ist.
       
       Warum nimmt die Union nicht den Wettbewerb [3][um das moderne Bürgertum
       auf], das der Motor und Resonanzraum der Habeck-, Kretschmann- und
       Al-Wazir-Grünen geworden ist? Offenbar hat sie das nicht drauf. Und (warum)
       lässt sich das konservativ-liberale Bürgertum in Bayern diesen unwürdigen
       Politik-Klamauk von Markus Söder bieten und [4][seine politische Ankettung
       an den Populisten Aiwanger] und dessen Anti-Zukunftspolitik? Der
       Classic-Linke wird sagen: Weil die halt alle rechts sind und schlimm.
       
       Das hilft nicht und ist nicht auf der Höhe der Problemlage des
       sozialökologischen Jahrhunderts. Rechtsradikale AfD-Politiker sind Feinde
       der Demokratie, weshalb wir uns vor ihnen mit den Mitteln des Staates und
       unserer Verfassung gnadenlos schützen müssen. Die große Mehrheit der
       Gesellschaft aber sind keine Feinde der Demokratie, sondern Leute, die
       miteinander auskommen müssen und können.
       
       ## Das Gemeinwesen schützen
       
       Die erste Voraussetzung dafür ist, das zu wollen und auf einer gemeinsamen
       Basis Kompromisse zu schließen, auch wenn das zunächst weniger Wirtschafts-
       und Klimapolitik heißt, als physikalisch und zukunftsökonomisch notwendig
       wäre.
       
       Da nun nicht nur traditionell Deutschland- und EU-skeptische Linke, sondern
       Rechtspopulisten, FDP-Kundschaft und Teile der inhaltlich taumelnden Union
       angefangen haben, die Bundesrepublik schlimm zu finden, ist es die Aufgabe
       der sozialökologischen Kräfte, das Gemeinwesen aus dem Zentrum heraus zu
       schützen, zusammenzuhalten und zukunftsfähig zu machen.
       
       It’s a tough job, but somebody’s got to do it.
       
       3 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Unfried
       
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