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       # taz.de -- In der Kühlkammer: Von brunftelnden Rotwildbullen
       
       > Spontan bestellt unser Autor 200 Kilogramm Hirschfleisch und die
       > kulinarische Herausforderung beginnt.
       
   IMG Bild: Das Fleisch eines Hirschs in der Brunft kann einen strengen Geschmack annehmen
       
       Hätten Sie Interesse an einem Hirsch?“, fragte der Jäger am Telefon und
       fiel gleich mit der Beute in die Küche. „Ein ganzer Hirsch“, sagte ich,
       „das ist zu viel, aber einen halben würde ich nehmen.“ Als ich auflegte,
       fragte ich mich, was das gerade für eine kapitale Dummheit gewesen war. 14
       Jahre alt sei das Tier, hatte der Jäger noch gesagt, von Rangkämpfen
       gemurmelt, das Tier müsse aus dem Bestand „entnommen“ werden.
       
       Nach einer Google-Recherche war mir klar: Ich würde etwa 200 Kilogramm
       Hirschfleisch bekommen. Dafür zahlte ich etwa so viel wie für mein letztes
       Smartphone und wusste nicht, ob das Fleisch „brunftelt“. Bei so einem
       [1][Rotwildbullen] ist das wahrscheinlich. Im Spätsommer beginnt die
       Brunft, und der hohe Testosteronspiegel sorgt für den strengen Geschmack,
       den männliches Wild manchmal hat.
       
       Den versuchten Generationen von KöchInnen mit Marinaden aus Buttermilch,
       Bier oder Rotwein zu überdecken. Ganz unter uns gesagt stets erfolglos. Ich
       hatte nicht die Katze, sondern den Hirsch im Sack gekauft, und war selbst
       schuld.
       
       Vorder- und Hinterlauf sind zuerst in den Kühlraum eingezogen, zudem die
       Hälfte eines sehr langen Rückens, die dazugehörigen Bauchlappen, Leber,
       Herz und Zunge auf große Fleischerhaken gespießt. Der Hinterlauf hätte mich
       beim Aufhängen fast erschlagen.
       
       ## Wie alte Kuh
       
       Mit dem Ausbeinmesser bin ich ungeübt, die Knochen aus den Muskeln zu
       schälen und das Fleisch zu zerteilen – dafür brauchte ich allein beim
       Vorderlauf einige Stunden. Ich handelte mir einen seltsamen Muskelkater auf
       dem Handrücken und im Ballen direkt unter dem kleinen Finger ein. Der aber
       ignoriert wurde, weil der größere Hinterlauf nicht warten konnte.
       
       Für die Geschmacksprobe auf dem Teller: ein kleines Rippenstück, leicht
       gesalzen, auf jeder Seite zwei Minuten kurz gegrillt, innen roh und
       dunkelrot, medium rare.
       
       Es war sensationell faserig mit angenehm metallischem Geschmack vom
       Blutfarbstoff Hämoglobin. Wenn Sie schon einmal Fleisch von einer [2][alten
       Kuh] gegessen haben, wissen Sie, was ich meine. Aber das Wichtigste: Das
       Fleisch brunftelte null. Der Hirsch war aus dem Sack.
       
       ## Viel mehr als nur Braten
       
       Tja, und was macht man nun damit? Die meisten Kochbücher beschränken sich
       auf Braten, Gulasch oder Ragout. Je mehr ich mich mit Wildfleisch
       beschäftige, frage ich mich, warum. Ich habe daraus schon Tatar
       geschnitten, Kebab aufgespießt, Burgerpattys gepresst oder Saltimbocca
       Carpaccio gemacht.
       
       [3][Von den Wildschwein-Salsicce habe ich schon erzählt]. Mit dem Hirsch
       bin ich weiter in die Charcuterie eingestiegen. Brust und der Nacken hängen
       inzwischen gepökelt im Kühlraum und müssen nun ein paar Wochen trocknen.
       Sie werden zu Schinken.
       
       3 Oct 2023
       
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