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       # taz.de -- Oligarch in der Ukraine: Ein Foto mit dem Präsidenten
       
       > Ihor Kolomojskyj hat Wolodimir Selenski 2019 im Wahlkampf unterstützt.
       > Nun droht dem Oligarchen in der Ukraine eine lange Gefängnisstrafe.
       
   IMG Bild: Sitzt seit Anfang September wegen Betrugsverdacht in U-Haft: Unternehmer Ihor Kolomojskyj
       
       Luzk taz | Vor genau einem Monat ordnete ein Gericht in Kyjiw eine
       zweimonatige Untersuchungshaft für den ukrainischen Oligarchen Ihor
       Kolomojskyj an. Er gilt in der ukrainischen Öffentlichkeit als die
       Verkörperung jeglicher Oligarchen-Klischees: gierig, prinzipienlos,
       unerreichbar für Strafverfolger und mit reichlich Einfluss. So forderten
       Journalisten und andere Mitarbeiter von 1+1, dem größten Fernsehsenders des
       Landes, die sofortige Freilassung. Kolomojskyj ist Miteigentümer des
       Senders. Doch die Mühe war vergebens: Bis Anfang November wird er noch in
       Haft bleiben müssen – womöglich sogar noch viel länger.
       
       Bereits unter dem früheren Präsidenten Petro Poroschenko geriet Kolomojskyj
       in Schwierigkeiten mit den Behörden, mit denen in der Ukraine wie auch in
       den USA. Aus Angst vor einer Verhaftung lebte er deshalb in der Schweiz und
       in Israel. Als Wolodimir Selenski 2019 Präsident wurde, kehrte Kolomojskyj
       in seine Heimat zurück – wo er plötzlich wieder willkommen war. Laut
       Beobachtern war dies zum großen Teil auf die mediale Unterstützung von
       Selenskis Wahlkampagne durch Kolomojskyjs Fernsehsender zurückzuführen.
       Nach Selenskis Amtsantritt veröffentlichte das Präsidialamt sogar ein
       gemeinsames Foto der beiden.
       
       Doch dann wurden in den USA mehrere Verfahren gegen Kolomojskyj eröffnet
       und der ukrainische Präsident ging auf Distanz zu dem Mann, der Jahre zuvor
       einer seiner Auftraggeber war: Einst produzierte Selenskis Produktionsfirma
       Kwartal 95 Inhalte für 1+1. Gleichwohl blieb Kolomojskyj zunächst ein
       freier Mann. Nach [1][Russlands Überfall auf die Ukraine] ergab sich dann
       ein Fenster der Gelegenheit, um den Oligarchen vor Gericht zu bringen – vor
       allem aufgrund der mutmaßlichem Sabotage der von ihm kontrollierten
       Ölgesellschaften an die ukrainische Armee zu Kriegsbeginn.
       
       Seit 3. September [2][sitzt Kolomojskyj nun also in einer kleinen, wenn
       auch sauberen Zelle] im provisorischen Haftzentrum des ukrainischen
       Sicherheitsdienstes. Auch eine Toilette aus der Zeit des Stalinismus gehört
       dazu: schlicht ein Loch im Boden. So beschrieb das unabhängige Medienportal
       Liga.net die Haftbedingungen. „Wie die anderen Gefangenen wurde er
       desinfiziert – er sitzt allein da, ohne Fernseher, Internet oder Telefon“.
       Seine gesamte persönliche Korrespondenz wird von den Mitarbeitern der
       Haftanstalt überwacht.
       
       ## Justizbehörden ermitteln in mehr als zwanzig Fällen
       
       Auch Kolomojskyjs Haus wurde im Februar von den Strafverfolgungsbehörden
       durchsucht, und zwar im Zusammenhang mit der möglichen Veruntreuung von 40
       Milliarden Hrywnja (etwa 1 Milliarde Euro), als der Oligarch die
       Ölgesellschaft Ukrnafta und die Ölraffinerie Ukrtatnafta leitete. Vor einem
       Monat folgte die nächste Hausdurchsuchung, kurz bevor die 60-tägige
       Untersuchungshaft und eine Kaution in Höhe von 100 Millionen Euro verhängt
       wurden.
       
       Insgesamt ermitteln die Justizbehörden in mehr als zwanzig Fällen gegen die
       Gruppe „Privat“, in die Kolomojskyj verwickelt sein soll. Der
       schwerwiegendste Fall ist dabei der mutmaßliche Betrug der PrivatBank mit
       fiktiven Beiträgen. Den Ermittlungen zufolge bildete Kolomojskyj zwischen
       2013 und 2014 eine kriminelle Gruppe – teilweise aus Mitarbeitern der
       PrivatBank, deren Gründer und Aktionär er war.
       
       Diese Mitglieder ermöglichten ihm, systematisch fiktive Bareinzahlungen
       vorzunehmen, ohne dass die Bank sie tatsächlich erhielt. Den Ermittlungen
       zufolge erhielt Kolomojskyj auf diese Weise umgerechnet etwa 667 Millionen
       Euro. Um diese Gelder zu legalisieren, so der Verdacht, soll Kolomojskyj
       damit dann seine geschäftlichen Aktivitäten bezahlt haben.
       
       Ein Bankrott der PrivatBank, immerhin größtes Geldhaus des Landes, konnte
       2016 nur durch Verstaatlichung und Geldspritze durch die ukrainische
       Regierung verhindert werden. Tatsächlich wurden die illegalen Geschäfte
       Kolomojskyjs also aus dem ukrainischen Haushalt bezahlt. Sollte das Gericht
       den Verdacht der Ermittler bestätigen, könnte der Oligarch mit bis zu zwölf
       Jahren Gefängnis und der Beschlagnahmung seines Vermögens bestraft werden.
       Die ukrainische Staatsbürgerschaft wurde ihm bereits entzogen.
       
       Aus dem Russischen: Gemma Terés Arilla
       
       3 Oct 2023
       
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