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       # taz.de -- Elvis Costello und Steve Nieve live: Warten auf das Ende der Welt
       
       > Hamburg ist easy, Hamburg ist hart: Die britischen Popstars Elvis
       > Costello und Steve Nieve konzertieren in der Elbphilharmonie.
       
   IMG Bild: Sie geben alles in der Elphi: Steve Nieve und Elvis Costello
       
       Im Pop sind Superlative absolut okay: Der Saal hat die Ausmaße eines
       magischen Bergs. Schließlich ist es der höchste Konzertsaal der Welt, und
       er befindet sich in der Hamburger Elbphilharmonie. Ihn betreten am Dienstag
       zwei alte Hasen, die schon seit 45 Jahren zusammenspielen: [1][Elvis
       Costello], britischer Popstar, und Steve Nieve, der immer schon der Mann
       „an seiner Seite“ am Klavier war, ob in Costellos Begleitbands Imposters
       oder Attractions.
       
       Elegant gekleidet steht das Duo auf der Bühneninsel inmitten der
       wellenartig über 51 Meter nach oben gestaffelten Ränge. Steve Nieve trägt
       einen schimmernden Anzug und goldene spitze Schuhe, Costello – wie meistens
       – einen Anzug mit Weste und rotem Einstecktuch.
       
       Zum Auftakt geht es zurück an den Anfang, „This Year’s Girl“ von 1978, vom
       zweiten Costello-Soloalbum „This Year’s Model“. Es folgen „Jack of All
       Parades“ und mit „Waiting for the End of the World“ noch tiefer hin zum
       Debütalbum „My Aim Is True“. Costello, 69 Jahre alt, wechselt die Gitarren,
       Nieve bleibt zwischen Flügel und Keyboard. Passend zu den Songs addiert er
       ab und zu einen Hut oder eine glitzernde Sonnenbrille. Die beiden Musiker
       zeigen ihre Wandlungsfähigkeit in gelegentlichen Kostümwechseln und
       abgewandelten Songfassungen. „Stick Out Your Tongues“, ein Song der
       US-HipHop-Band The Roots, den Costello 2013 aufnahm, wird zum Spektakel
       inklusive Soundeffekten und hyperfunky Gitarrenlicks, dazu gibt es eine
       harte blaue Beleuchtung.
       
       Als Antwort auf die rhetorische Frage, ob nun Songs mit Frauennamen oder
       über Süßigkeiten zu hören sein sollen, intoniert Costello „Like Licorice
       On Your Tongue“, um sich dann ab „Veronica“ weiteren Songs mit Frauennamen
       zu widmen und einer ersten Coverversion: „She“ von Charles Aznavour darf
       genauso wenig fehlen wie „I Still Have That Other Girl“ aus seiner
       [2][Kooperation mit Burt Bacharach.]
       
       ## Stück über Hamburg und voller Nostalgie
       
       Als professioneller Weltreisender erzählt der Brite auch etwas von seinem
       Besuch der riesigen Ausstellung von Modelleisenbahnen neben der Elphi. Dann
       schüttelt er wieder eine wunderbare Coverversion aus dem Ärmel: „Windows of
       the World“ von den Pretenders, mit deren Sängerin Chrissie Hynde ihn eine
       lange Freundschaft verbindet. Die Hansestadt würdigt das Duo dann mit dem
       brandneuen Stück „Hamburg Postcard“, es ist voller Nostalgie der 1960er und
       endet im Refrain „Hamburg is easy – Hamburg is hard“: grundsätzlich
       einverstanden.
       
       Immer wieder tritt der Sänger vom Mikrofon zurück, um unverstärkt die
       fantastische Akustik im Konzertsaal auszunutzen. Typisch ist die
       inbrünstige, manchmal arienhafte Art, in der Costello durch seine in
       spezieller Heiserkeit gebrochene Stimme herausschallt. Im Laufe des
       Konzerts steigert er sich allmählich zur Bestform. Gegen Ende, zum
       ergreifenden Eifersuchtssong „I Want You“ aus der Feder seines Produzenten
       Nick Lowe, gelingt Elvis Costello dann sogar ein Schmettern. Eine extrem
       beeindruckende Performance voller Drama und Pathos, bei der die
       eingespielten Kirchenorgelsounds noch ein Übriges taten. Auch hier – wie
       öfters – hebt Costello seine spanische Gitarre zum Schluss wie eine Trophäe
       in die Höhe.
       
       Ein Modell fällt besonders auf: eine türkisfarbene E-Gitarre mit
       einklappbarem Hals. Lässig kann das Combustible-Modell unter den Arm
       geklemmt werden, nachdem es den Publikumswunsch „My Aim Is True“ begleitet
       hat. Gesten spielen insgesamt eine große Rolle: Steve Nieve pariert einen
       Dirigentenwink, die häufig in alle Richtungen des Saals nach oben gereckten
       Arme danken dem etwas steifen Publikum oder animieren es zum Mitsingen –
       was hanseatisch verhalten auch gelingt! Und dann lässt auch Nieve seine
       Stimme hören. Zum Schluss nimmt dieser die Melodica und wandert mit
       Costello um das Podest am Grund der Halle mit einem Stück von „Mighty
       Like a Rose“ in Manier eines Spielmannszugs, also ohne Mikrofon – und
       hinaus aus der applaudierenden Halle voller Endfünfzigerfans.
       
       21 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Imke Staats
       
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