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       # taz.de -- Autor über israelisches Zusammenleben: „Mehr über Grenzen hinweg denken“
       
       > Der Journalist Igal Avidan wirft einen differenzierten Blick auf das
       > Alltagsleben in Israel – gerade auch das der arabischen
       > Bewohner*innen.
       
   IMG Bild: Denn auch das ist ja Israel: Muslime feiern in Jerusaelm den Beginn des Fastenmonats Ramadan
       
       taz: Igal Avidan, warum braucht es gerade jetzt [1][Geschichten vom
       Zusammenleben] jüdischer und arabischer Israelis? 
       
       Igal Avidan: Als ich 2022 durch Israel gereist bin und Gespräche für
       [2][das Buch] geführt habe, waren die gewaltsamen Ausschreitungen vom Mai
       2021 in den Medien noch sehr präsent. Diese Gewaltwelle war beispiellos,
       Menschen gingen in zahlreichen Städten einfach aufeinander los. Wie soll
       man verhindern, dass Menschen das Auto ihres Nachbarn in Brand setzen, nur
       weil er Jude oder nur weil er Araber ist? Mir war klar, dass keine Mauer
       und kein Zaun so etwas verhindern kann, das wird nicht funktionieren.
       
       Und heute? 
       
       Aktuell geht in Israel eine Mehrheit [3][auf die Straße gegen die
       Zerstörung der Demokratie]. Aber eine Demokratie muss sich daran messen
       lassen, wie in der Gesellschaft mit Minderheiten umgegangen wird. Ungefähr
       20 Prozent der Israelis sind arabisch. Die meisten von ihnen gehen nicht zu
       den Demonstrationen. Sie fühlen sich und ihre Probleme nicht wahrgenommen.
       
       Sie haben mit mehr als 50 Menschen in Israel gesprochen. Wie haben Sie Ihre
       Gesprächspartner*innen gefunden? 
       
       Einige Menschen habe ich gezielt angefragt, aber die meisten Kontakte haben
       sich einfach so ergeben. Israelis sind sehr spontan. Sie neigen dazu,
       Telefonnummern von anderen einfach weiterzugeben mit dem Hinweis: „Das hast
       du aber nicht von mir!“ Das wäre in Deutschland wahrscheinlich undenkbar.
       Trotzdem ist es sehr wichtig, neuen Kontakten zu sagen, von wem du kommst.
       Das ist ein Türöffner, denn nur so kann Vertrauen hergestellt werden und
       man kommt ins Gespräch.
       
       Haben Sie Antworten bekommen, die Sie überrascht haben? 
       
       Lassen Sie mich überlegen – oh, ja. Das Gespräch in Jerusalem mit Mahmoud,
       einem ehemaligen Mitglied einer Terrororganisation, der in einem
       israelischen Gefängnis gesessen hat, wo er gefoltert wurde. Ich habe ihn
       gefragt, was ein zukünftiger palästinensischer Staat von Israel lernen
       könnte. Er antwortete: die Demokratie. So viel Ehrlichkeit in diesem
       Konflikt, das hat mich umgehauen. Wir brauchen mehr Menschen, die einfach
       die Wahrheit sagen, die nicht nur sagen, was politisch oder taktisch klug
       ist, sondern sich trauen, über Grenzen hinweg zu denken.
       
       Wollten Sie mit Ihrem Buch auch dem [4][Diskurs in Deutschland] über Israel
       und den Nahostkonflikt etwas hinzufügen? 
       
       Ja, durchaus. Ich stelle zum Beispiel immer wieder fest, dass
       Journalist*innen in Deutschland nicht einmal wissen, dass es arabische
       Israelis gibt. Sie sind fixiert auf den Konflikt im Westjordanland und dem
       Gazastreifen und haben keinen Blick für die Mehrschichtigkeit der
       Identitäten in Israel. Außerdem geben [5][viele Medien], auch die
       israelischen, vor allem den Extremisten Platz.
       
       Wer bleibt da auf der Strecke? 
       
       Die ganz normalen Menschen, jüdische und arabische Israelis, die im Alltag
       zusammenleben und [6][viele gute Sachen] zu erzählen haben, werden dagegen
       kaum gehört. Das wollte ich mit meinem Buch ändern. Geschichte über das
       Grauen und die Gewalt kennen die meisten schon. Zu meinen Lesungen kommen
       Menschen für den Hoffnungsschimmer.
       
       8 Oct 2023
       
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