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       # taz.de -- Extrem warmer Herbstanfang: Die Tyrannei der Hitze
       
       > Es war der wärmste September – und vermutlich das wärmste Jahr aller
       > Zeiten. Die Weltwetterorganisation warnt vor Folgen für Umwelt und
       > Menschen.
       
   IMG Bild: 105 Grad Fahrenheit (43 Grad Celsius) im US-amerikanischen Phoenix, Aufnahme mit Thermokamera
       
       Berlin taz | 16,38 Grad Celsius – so warm war die Erdoberfläche
       durchschnittlich in diesem September. Nach [1][Angaben der
       Weltwetterorganisation WMO] sind das rund 1,75 Grad mehr als im
       vorindustriellen Referenzzeitraum 1850 bis 1900. „Seit Juni erlebt die Welt
       eine beispiellose Hitze an Land und auf See“, erklärte WMO-Generalsekretär
       Petteri Taalas.
       
       Die Temperaturanomalien seien enorm – „weitaus größer als alles, was wir
       jemals gesehen haben.“ Besonders besorgniserregend sei, dass sich das
       El-Niño-Ereignis gerade erst entwickelt. Taalas: „Wir können davon
       ausgehen, dass diese rekordverdächtigen Temperaturen noch Monate anhalten
       und kaskadenartige Auswirkungen auf unsere Umwelt und Gesellschaft haben
       werden.“
       
       Nach [2][Erhebung des europäischen Erdüberwachungsdienstes Copernicus] lag
       die Temperatur im Juni weltweit um 0,53 Grad Celsius über dem
       Durchschnittswert aus den Jahren 1991 bis 2000. Damit war der Juni 2023
       insgesamt 1,46 Grad wärmer als ein durchschnittlicher Juni vor Beginn der
       Industrialisierung.
       
       In Bangladesch begann eine Hitzewelle mit Temperaturen über 40 Grad, es
       wurde die längste Hitzewelle des Landes seit einem halben Jahrhundert. In
       Indien kletterte das Thermometer auf 45 Grad, in den nördlichen
       Bundesstaaten registrierten die Behörden 96 Todesfälle. Peking erlebte mit
       41,1 Grad einen neuen Rekord, in Mexiko stiegen die Temperaturen gar auf 49
       Grad.
       
       ## Im Sommer gab es in Deutschland Tausende Hitzetote
       
       Getoppt wurden diese Werte vom Juli 2023 – [3][dem heißesten, der bislang
       je auf der Erde gemessen wurde]: Diesmal war auch Europa von einer
       Hitzewelle betroffen, am 24. Juli wurden auf Sardinien 48 Grad gemessen –
       die höchste Temperatur im Juli in Europa.
       
       In Kalifornien kletterte das Thermometer auf 51 Grad, nicht einmal in der
       Nacht kühlte sich die Luft auf jene Temperatur ab, die ein gesunder Mensch
       als Körpertemperatur besitzt: 37 Grad. Auf dem Höhepunkt der
       nordamerikanischen Hitzewelle waren 110 Millionen US-Amerikaner betroffen,
       ein Drittel der US-Bevölkerung.
       
       Aber auch in Deutschland waren viele Menschen vom Hitzetod bedroht, nach
       Angaben des Robert Koch-Institutes starben in diesem Sommer mehr als 3.100.
       Das sind mehr Tote [4][als bei Verkehrsunfällen in Deutschland in einem
       Jahr].
       
       „Langfristig muss es darum gehen, unsere Städte und unsere Häuser
       anzupassen“, fordert Henny Annette Grewe, Professorin für die medizinischen
       Grundlagen der Pflege.
       
       In einer Studie zum Zusammenhang zwischen Hitzewellen und dem Klimawandel
       kamen Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die [5][Hitzewellen im Juli in
       der nördlichen Hemisphäre ohne globale Erwärmung „so gut wie unmöglich“
       gewesen wären]. Doch weil trotz des Pariser Klimaabkommens die weltweiten
       Emissionen immer weiter steigen, schlagen solche Ereignisse laut der Studie
       nun alle 15 Jahre in Nordamerika ein, in Südeuropa alle 10 Jahre, in China
       sogar alle fünf.
       
       Ein Grund für die neuen Rekorde ist [6][die Temperatur der Weltmeere, die
       2023 sprunghaft angestiegen ist.] Ende August lag sie durchschnittlich bei
       21,1 Grad, 0,4 Grad mehr als im vergangenen Jahr. „Neben der globalen
       Erwärmung kommen in diesem Jahr zwei Sondereffekte hinzu“, erläutert
       Christian Wild, Professor für Marine Ökologie an der Universität Bremen.
       „2022 ist ein Unterwasservulkan ausgebrochen, wodurch den Meeren zusätzlich
       Wärmeenergie zugeführt wurde. Und im Juni begann das Wetterphänomen El
       Niño.“
       
       Dieses führe zu einer starken Erwärmung der oberen Wasserschichten im
       Pazifik in Tropennähe entlang der mittel- und südamerikanischen Küste. Und
       wärmere Ozeane treiben natürlich die globale Oberflächentemperatur weiter
       in die Höhe: 2023 ist auf dem Weg, wärmstes Jahr der Menschheitsgeschichte
       zu werden.
       
       6 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://public.wmo.int/en/media/news/september-smashes-monthly-temperature-record
   DIR [2] https://climate.copernicus.eu/surface-air-temperature-june-2023
   DIR [3] /EU-Klimadienst-macht-es-offiziell/!5953418
   DIR [4] /Mehr-Verletzte-und-Tote-im-Verkehr/!5943694
   DIR [5] /Studie-zu-Hitze-auf-der-Nordhalbkugel/!5950755
   DIR [6] https://climatereanalyzer.org/clim/sst_daily/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nick Reimer
       
       ## TAGS
       
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