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       # taz.de -- Hamas-Unterstützer in Berlin: Die Verherrlicher des Terrors
       
       > Das propalästinensische Netzwerk Samidoun feiert die Angriffe auf Israel.
       > Nun mehren sich die Stimmen für ein Verbot der Gruppe.
       
   IMG Bild: Solidaritätsbekundung für die Hamas am Wochenende in Berlin-Neukölln
       
       BERLIN taz | Er hätte bei seinem Amtsantritt 2022 nicht erwartet, „dass die
       Straßen von Neukölln denen von Gaza derart ähneln“ hatte der israelische
       [1][Botschafter Ron Prosor noch im Juni bei Twitter] geschrieben. Mit
       dieser Äußerung reagierte er auf einen Bericht der B.Z. über Plakate des
       propalästinensische Netzwerks Samidoun an der Sonnenalle. Auf diesen hatte
       die Gruppe [2][Bomben-Angriffe auf Israel] gefeiert und um Spenden für
       palästinensische Terrorist*innen gebeten.
       
       Eben jenes Netzwerk soll auch am Samstag auf der Sonnenallee die
       Raketenangriffe der Hamas auf Israel sowie [3][die Massaker an Zivilisten
       gefeiert haben]. Auf Fotos in den sozialen Medien war zu sehen, wie ein
       Mann mit Palästina-Flagge auf dem Rücken süßes Gebäck verteilte. Die Gruppe
       postete das Foto bei Instagram und schrieb: „Es lebe der Widerstand des
       palästinensischen Volkes.“ Die Polizei bestätigte den Vorfall, drei
       Personen hätte sie dort überprüft, die Personalien aufgenommen und
       Strafanzeigen erstattet.
       
       Außerdem hatten sich am Samstagabend rund 50 Menschen an der Ecke
       Sonnenallee/Reuterstraße versammelt und – entgegen den Auflagen –
       pro-palästinensische Sprechchöre skandiert. Als die Polizei die Kundgebung
       auflösen wollte, flogen Flaschen. Von etwa 40 Personen wurden die
       Personalien aufgenommen und im Umfeld mehrere Plakate mit arabischen
       Schriftzügen, der palästinensischen Flagge und Maschinengewehren entfernt.
       
       Der Bezirk [4][beobachtet die Propaganda von Samidoun] schon länger. Die
       Gruppe sei „dauerhaft in diesem Bereich der Sonnenallee, zwischen
       Fuldastraße und Pannierstraße, unterwegs“, sagte Christian Berg, Sprecher
       des Bezirks Neukölln auf Nachfrage der taz. „Das Ordnungsamt ist regelmäßig
       auch mit Dolmetschern dort und nimmt Plakate ab.“
       
       ## Langfristige Bildungsangebote
       
       Auch eine Statue auf dem Hermannplatz werde immer wieder auch mit
       Hassbotschaften beschmiert, vermutlich ebenfalls von dieser Gruppe. Auch
       davon teilt Samidoun fleißig Fotos bei Instagram. Der Bezirk habe diese
       mehrmals übermalt. Teils sei sie „binnen 48 Stunden“ wieder beschmiert
       worden. „Wir haben in den vergangenen Wochen allerdings keine auffällige
       Zunahme an Plakaten festgestellt“, sagte Bezirkssprecher Berg.
       
       Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) hatte sich bereits vor
       Monaten für ein Verbot des Netzwerks ausgesprochen. Am Wochenende, noch
       unter dem Eindruck der Provokationen auf der Sonnenallee, forderte er
       Bildungsangebote und Begegnungen an Schulen langfristig zu verstärken und
       auszuweiten. „Wir müssen prüfen, wie wirksam bisherige Projekte zur
       Prävention sind“, sagte er.
       
       „Was gerade passiert ist Terror. Davon muss man sich distanzieren“, sagt
       Gollaleh Ahmadi, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünenfraktion im
       Abgeordnetenhaus. „Das hat mit einer differenzierten Haltung nichts mehr zu
       tun“, sagt sie. Die politische Linke, aber auch der Zentralrat der Muslime
       sollten nun deutlich machen, wo sie stehen. „Ich bin verwundert, dass man
       bisher kein Verbot von Samidoun geprüft hat“, sagt sie. Es sei nun der
       Moment, das schnellstmöglich zu tun“, sagt sie.
       
       Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) solidarisiert sich mit den
       hiesigen jüdischen Gemeinden. Man verurteile die brutalen Angriffe der
       Hamas auf die Zivilbevölkerung Israels und sei solidarisch mit allen
       Jüdinnen und Juden. „Es ist absolut inakzeptabel, dass in Deutschland
       mancherorts Jubelstimmung nach den schrecklichen Angriffen aufgekommen ist.
       Auch relativierende Statements dazu dürfen nicht hingenommen werden“, sagt
       der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland e.V., Gökay
       Sofuoğlu.
       
       ## Für einige durchaus anschlussfähig
       
       Laut Berliner Verfassungsschutzbericht organisiert Samidoun in mehreren
       Städten in Deutschland, vor allem in Berlin [5][immer wieder Plakataktionen
       und Demonstrationen]. Mit denen fordert das Netzwerk Freiheit für
       palästinensische Gefangene. Gegründet wurde es demnach 2011 in den USA.
       
       Samidoun gilt als Unterstützerorganisation der Volksfront für die Befreiung
       Palästinas (PFLP). Diese Organisation ist sozialistisch und nicht
       islamistisch orientiert. Die PFLP steht seit 2002 auf der europäischen
       Liste terroristischer Organisationen. In Israel ist auch Samidoun seit 2021
       als terroristische Organisation eingestuft. Weil Samidoun international
       agiert, müsste ein Verbot für Deutschland aus dem Bundesinnenministerium
       ausgesprochen werden.
       
       Wegen ihrer ideologischen Unterschiede agieren Hamas und PFLP im Nahen
       Osten getrennt. In Berlin ist das laut Verfassungsschutz anders: Auf der
       [6][Basis ihrer Israel-Feindschaft] würden die Anhänger beider
       Organisationen in Berlin bei öffentlichen Veranstaltungen gemeinsam
       auftreten, die verschiedenen Ideologien „spielen dabei in Berlin keine
       Rolle“.
       
       Laut Amadeu Antonio Stiftung ist das Mobilisierungspotential der PFLP und
       Samidoun und die Anschlussfähigkeit an sich als links verstehende Gruppen
       auch in Deutschland nicht zu unterschätzen.
       
       „Im Januar 2022 war Samidoun bei der jährlich stattfindenden Demonstration
       zum Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg präsent. Auch bei
       Demonstrationen der linken antizionistischen Gruppe „Palästina Spricht“
       oder der „Revolutionären 1. Mai Demonstration“ war Samidoun mit Fahnen
       sichtbar“, heißt es von der Stiftung. Bisher traf das nur vereinzelt auf
       Kritik. Regelmäßig würde die Gruppe Terroristen glorifizieren.
       
       ## Beschämende Bilder
       
       Auch im Verfassungsschutzausschuss am Montag war [7][der Hamas-Angriff und
       die feiernden Palästinener*innen aus Neukölln] Thema. Diese Bilder,
       „mit denen der Tod vieler Menschen gefeiert wurde, sind beschämend“,
       erklärte der Staatssekretär für Inneres, Christian Hochgrebe (SPD). Etwas
       überraschend erklärte er, man könne noch nicht sagen, wer für die Aktionen
       von Samstag, dem Süßigkeiten-verteilen und der Pro-Hamas-Demonstration,
       verantwortlich sei, die Rolle der Samidoun dabei müsse noch geklärt werden.
       
       Dennoch war auch der Leiter des Berliner Verfassungsschutzes, Michael
       Fischer, in den Ausschuss gekommen, um über Samidoun zu berichten. Die
       Organisation habe in Berlin eine Anhängerschaft „im unteren zweistelligen
       Bereich“, so Fischer. Viel mehr könne auch die PFLP, als deren
       „Vorfeldorganisation“ Samidoun gilt, nicht für sich beanspruchen: bei ihr
       gehe man von etwa 40 Anhängern in Berlin aus. Weiter erklärte Fischer, dass
       Samidoun, „seit langem klar antisemitisch und antiisraelisch“ ausgerichtet
       sei. Darum werde sie in Berlin auch als verfasssungsfeindliche Organisation
       beobachtet.
       
       Nicht nur der SPD-Staatssekretär, sondern auch die Vertreter der anderen
       demokratischen Parteien zeigten sich im Ausschuss entsetzt über die
       Ereignisse von Samstag in Neukölln. Es sei „beschämend, was wir gesehen
       haben“, bekundete der Grünen-Abgeordnete Ario Mirzaie. Sein Kollege Niklas
       Schrader (Linke) nannte es „erschreckend, wenn Menschen in Berlin das
       feiern oder als legitimen Widerstand betrachten“.
       
       Damit könnte es schon bald weitergehen. Für Mittwoch rufen verschiedene
       Palästinenser-Organisationen zur Demo am Neuköllner Richardplatz auf.
       Mobilisiert wird unter dem Motto „Für ein freies Palästina“.
       
       9 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://x.com/Ron_Prosor/status/1666389379043008515?s=20
   DIR [2] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/chronik/massenhaft-plakate-in-neukoelln-durch-juden-hasser-geklebt/
   DIR [3] /Jubel-in-Neukoelln-ueber-Hamas-Terrorismus/!5962354
   DIR [4] /Israelischer-Botschafter-in-Neukoelln/!5937405
   DIR [5] /Palaestinensische-Demos-in-Berlin/!5926408
   DIR [6] /Judenhass-auf-Berliner-Demonstrationen/!5847044
   DIR [7] /Angriff-der-Hamas/!5962170
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
   DIR Uta Schleiermacher
       
       ## TAGS
       
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