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       # taz.de -- Verleihung des Deutschen Schulpreises: Zweiter Anlauf aufs Podium
       
       > Am Donnerstag wird der Deutsche Schulpreis 2023 verliehen. Die
       > Eichendorffschule aus Erlangen hofft erneut auf die hochdotierte
       > Auszeichnung.
       
   IMG Bild: Unterricht in der „Filmschule“ der Eichendorffschule. Es geht um Videoproduktion
       
       München taz | Dieses Mal will Rektor Helmut Klemm es wirklich schaffen. Der
       63-Jährige leitet die Eichendorffschule in Erlangen, eine Mittelschule, die
       zu den 15 Finalisten des Deutschen Schulpreises zählt. Es ist nicht der
       erste Anlauf für Klemm und seine Schule, bereits 2019 war sie nominiert.
       
       Damals sei man aber noch nicht fertig mit der Schulentwicklung gewesen,
       sagt Klemm, es gab noch keine neunte und zehnte Klasse. Aber: „Durch die
       Nominierung sind wir damals in das Entwicklungsprogramm des [1][Deutschen
       Schulpreises] gekommen und wurden intensiv begleitet auf unserem Weg.“ Und
       so hofft er, dass es in diesem Jahr etwas wird mit der Auszeichnung.
       
       Seit 2006 vergeben die Robert Bosch Stiftung und die Heidehof Stiftung den
       Preis in Zusammenarbeit mit der ARD und der ZEIT Verlagsgruppe an Schulen
       mit herausragender pädagogischer Arbeit. Am Donnerstag wird die diesjährige
       Gewinnerschule bekannt gegeben – die 100.000 Euro Preisgeld erhält. 85
       Schulen hatten sich mit ihren Konzepten beworben, 15 sind in der Finalrunde
       noch übrig.
       
       Nach welchen Kriterien die Jury die beste Schule auswählt, ist in sechs
       sogenannten Qualitätsbereichen festgehalten: Unterrichtsqualität, Leistung,
       Umgang mit Vielfalt, Verantwortung, Schulklima und -leben sowie
       außerschulische Partner und die Schule als lernende Institution. Wer diese
       Kriterien am besten erfüllt, erhält den Hauptpreis. Schulleiter Klemm
       findet, der Prozess sei transparent, das sei „keine Blackbox“. Nach der
       schriftlichen Bewerbung folgen Interviews. Dann entscheidet die Jury, die
       aus Expert*innen aus den Bereichen Bildungswissenschaft, Schulpraxis und
       Bildungsverwaltung besteht, über die Top-20-Schulen. Die besucht sie im
       Anschluss und legt die Finalisten fest.
       
       ## Eigenständiges Lernen und keine Hausaufgaben
       
       Die Erlanger Eichendorffschule versuchte im Auswahlprozess besonders mit
       dem Aspekt der Unterrichtsqualität zu punkten. Das Bildungsprinzip dort
       trägt den Namen „Wissen neu lernen“, es gibt einen „Raum der Mathematik“
       und ein „Lernbüro“. Dabei lernen die rund 400 Schüler*innen der Stufen
       fünf bis zehn in den Fächern Mathe, Deutsch und Englisch zunächst
       eigenständig – eine Lehrkraft steht bei Problemen an einem sogenannten
       In-Tisch bereit.
       
       Der zweite Aspekt, der laut Klemm bei der Nominierung eine Rolle gespielt
       haben könnte, ist der bildungspolitische Fokus der Mittelschule. „Wir sind
       eine bayerische, eine staatliche Schule, die fest eingebunden in das
       bayerische System ist. Aber da haben wir ein paar Grauzonen entdeckt, die
       wir besetzt, mit Leben erfüllt und bunt ausgestaltet haben.“
       Bildungsgerechtigkeit ist für ihn und die Schule ein wichtiges Thema –
       beispielsweise gibt es dort keine Hausaufgaben, da nicht alle
       Schüler*innen die Kapazitäten haben, diese zu Hause zu bewältigen.
       
       ## Umstellung auf ein Ganztagsmodell
       
       Die Eichendorffschule wagte zudem im Schuljahr 2015/16 die Umstellung von
       einem Halbtags- auf ein Ganztagsmodell. Damals richtete man zwei gebundene
       Ganztagsklassen in der fünften Jahrgangsstufe ein, in den folgenden
       Jahrgängen wurden es drei, die Entwicklung setzte sich immer weiter fort.
       2021 gab es dann die erste Abschlussklasse im Ganztagsmodell.
       
       Nun steht die Eichendorffschule erneut in der Endrunde des Deutschen
       Schulpreises. Ob Klemm damit gerechnet hat? Wenn er von Chancen spricht,
       klingt seine Affinität zum Fußball durch. „Wenn man an einem Wettbewerb
       teilnimmt, dann will man ihn gewinnen. Und wenn die
       Fußballnationalmannschaft antritt, dann rechnen die auch immer damit, ins
       Viertel- oder Halbfinale zu kommen.“ Er sei schon stolz darauf, dass man
       wieder nominiert wurde. Sollte man auch dieses Mal leer ausgehen, könnte er
       sich vorstellen, dass im ersten Moment die Enttäuschung überwiegen wird.
       
       Konkurrenz auf dem Gebiet der Bildungsgerechtigkeit kommt für Klemm und die
       Eichendorffschule in diesem Jahr etwa aus Nordrhein-Westfalen: Die
       Grundschule am Dichterviertel in Mülheim an der Ruhr setzt ebenfalls auf
       das Thema. Und auch sie steht zum zweiten Mal im Finale: Im Schuljahr
       2020/2021 gab es wegen der Coronapandemie einen „Schulpreis Spezial“, bei
       dem mehrere Preise in verschiedenen Kategorien für besondere Konzepte
       während der Pandemie verliehen wurden. Die Mülheimer Grundschule gewann
       damals den Preis in der Kategorie „Bildungsgerechtigkeit fördern“.
       
       Doch selbst wenn es für den Hauptpreis nicht reicht: Alle Schulen, die in
       der Finalrunde sind, erhalten ein Preisgeld. Neben der Gewinnerschule
       bekommen fünf weitere Schulen je 30.000 Euro. Alle anderen kriegen ein
       Anerkennungsgeld in Höhe von je 5.000 Euro.
       
       ## Schulen aus NRW hatten bisher oft die Nase vorn
       
       Dieses Jahr stellt Nordrhein-Westfalen die meisten nominierten Schulen,
       insgesamt vier. Auch bei den bisherigen Hauptgewinnen hat das
       bevölkerungsreichste Bundesland die Nase vorn: Fünf Preisträger kommen aus
       NRW, auf dem zweiten Platz landet Niedersachsen mit vier Gewinnerschulen.
       Im vergangenen Jahr ging der Preis nach Mecklenburg-Vorpommern. Dort wurde
       das Regionale Berufliche Bildungszentrum Müritz in Waren ausgezeichnet.
       Sollte die Eichendorff-Schule den Hauptpreis erhalten, würde er zum dritten
       Mal – abgesehen vom Spezial-Jahr 2020/21 – nach Bayern gehen.
       
       Für den Erlanger Schulleiter Helmut Klemm ist bereits die Vernetzung durch
       die Teilnahme am Wettbewerb ein Gewinn. Bisher habe er zwar keinen
       richtigen Kontakt zu den anderen nominierten Schulen gehabt; er erinnert
       sich aber positiv an den Schub von 2019. Durch das Entwicklungsprogramm
       werden die Schulen zu regelmäßigen Treffen eingeladen. „Man konnte sich
       darstellen, aber auch sehr viel von anderen lernen. Dann kommt man in einen
       moderierten und institutionalisierten Austausch.“
       
       ## Public Viewing in der Turnhalle
       
       Auch intern habe die erste Teilnahme am Wettbewerb 2019 einiges verändert,
       berichtet Klemm: Die Schüler*innen würden deutlich selbstbewusster über
       ihre Schule reden, was nicht selbstverständlich sei. Das liege am
       bayerischen Schulsystem und der Struktur von Erlangen. In Bayern hieß die
       Mittelschule früher Hauptschule, wer nicht auf die Realschule oder das
       Gymnasium gehen durfte, war oft nicht stolz auf seine Bildung. Erlangen
       selbst ist als Universitäts- und Siemensstadt bekannt, viele
       Arbeitnehmer*innen dort beziehen hohe Löhne. Die Schüler*innen an
       Mittelschulen hätten oft „nicht unbedingt dieses starke Selbstbild“.
       
       Am Donnerstag bei der Preisverleihung in Berlin wird Klemm mit sechs
       Schüler*innen und vier Lehrkräften anwesend sein. Zusätzlich haben sie
       noch einen engen Kreis an Menschen mitgenommen, die sich um die Schule
       verdient gemacht haben – den Hausmeister, die Schulsekretärin und die
       Jugendsozialarbeiterin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird den
       Preis überreichen, [2][es gibt einen Livestream]. Zu Hause in Erlangen ist
       das Interesse groß, größer als bei der vergangenen Teilnahme. Am Donnerstag
       wird ein richtiges Public Viewing aufgebaut „Wir haben jetzt entschieden,
       dass wir die Übertragung in die Turnhalle bringen“, erzählt der
       Schulleiter.
       
       Was die Schule mit den 100.000 Euro machen würde? Da fällt Klemm vieles
       ein. Das Haus stammt aus den 1960er Jahren, das müsse fit gemacht werden
       für die Ganztagsschule. Es bräuchte mehr Bewegungsanregungen für die
       Kinder, Räume, die weiterentwickelt werden. Mehr Personal fände er auch
       wichtig, einen Freizeit- und Sportpädagogen, Schulassistenzen, um
       Lehrer*innen zu entlasten. Aber für wirklich ernsthafte Überlegungen ist
       es ihm noch zu früh.
       
       12 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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