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       # taz.de -- „Baldur’s Gate 3“ wird nichtbinär: Intimitäts-Coaches für Orks
       
       > Das Rollenspiel „Baldur’s Gate 3“ schafft Raum für nichtbinäre Charaktere
       > und polygame Beziehungen. Das ist ein Fortschritt in der Gaming-Welt.
       
   IMG Bild: Weder typisch männlich noch weiblich gelesen: eine Figur aus „Baldur’s Gate 3“
       
       Das Rollenspiel gehört zu den ältesten und prägendsten Genres der
       Videospielgeschichte. Menschen kämpfen gemeinsam mit Elfen und anderen
       Fantasiegestalten gegen böse Orks und Dämonen, um ein mittelalterliches
       Reich zu retten.
       
       Das Klischee: Fans solcher Rollenspiele sind überwiegend männlich, weiß und
       heterosexuell, verkörpern am liebsten muskelbepackte Barbaren oder stark
       sexualisierte Hexen. Dabei bietet gerade das Rollenspiel viele
       Möglichkeiten, um ganz man selbst oder jemand völlig anderes zu sein.
       Mittlerweile haben es Games-Entwickler verstanden, Stereotype infrage zu
       stellen.
       
       Passend dazu erschien der dritte Teil von [1][„Baldur’s Gate“], einer der
       altehrwürdigsten Rollenspielserien. Der hat sich aber nicht nur seinen
       Pen-&-Paper-Ursprüngen verschrieben. Er revolutioniert das Genre.
       
       Der Grund dafür macht sich schon im Charaktereditor bemerkbar, mit dem
       „Baldur’s Gate 3“ startet. Denn darin gibt es unzählige Möglichkeiten, den
       eigenen Wunschcharakter zu erstellen. Die Gesichter und Körper der Figuren
       lassen sich detailliert modellieren. Das ist im Grunde nichts Besonderes –
       viele Rollenspiele der letzten Jahre bieten ähnliche Möglichkeiten.
       „Baldur’s Gate 3“ geht aber noch einen Schritt weiter und bietet eine
       Option, die es so bisher noch nicht gab: die Genitalien der Spielfigur sind
       frei gestaltbar.
       
       ## Freie Gestaltung der Genitalien
       
       Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten, sich mit der eigenen Spielfigur zu
       identifizieren. Denn die verschiedenen Vulven und Penisse lassen sich frei
       mit jeder Körperform kombinieren. Noch nie war ein Videospiel so inklusiv.
       Männlich, weiblich, nonbinär: Die Frage des Geschlechts fühlt sich angenehm
       selbstverständlich an. „Baldur’s Gate 3“ leistet hier einen wichtigen
       Beitrag zur Überwindung von Stereotypen, die mit Gaming assoziiert werden.
       
       Am Ende verteilen die Spieler:innen Erfahrungspunkte auf verschiedene
       Attribute wie Geschicklichkeit oder Intelligenz, um die individuellen
       Stärken und Schwächen der Figur auszudefinieren. Besonders spannend ist das
       Attribut Charisma, das festlegt, wie gut der Charakter mit Figuren sozial
       interagieren kann. Das entscheidet nicht nur über die Überzeugungskraft in
       Dialogen, sondern auch darüber, wie gut die Spielfigur flirten kann.
       
       Zu Beginn des Spiels wird dann der gerade erstellte Avatar von
       außerirdischen „Gedankenschindern“ entführt und auf deren Raumschiff mit
       einem Parasiten infiziert. Nach einer Flucht ist die Aufgabe der
       Spieler:innen, ein Heilmittel gegen den Parasiten zu finden und den Krieg
       gegen die „Gedankenschinder“ zu gewinnen. Wie genau dieses Ziel erreicht
       wird, lässt das Spiel offen. Alleine ist man dabei fast nie, da sich schon
       nach kurzer Zeit eine Riege an Gefährt:innen um die Held:in schart.
       
       ## Daten, wen man will
       
       Wer schon mal ein Rollenspiel gespielt hat, weiß, dass ein besondere Reiz
       in den sozialen Interaktionen liegt – Romanzen inklusive. Hier erlaubt das
       Spiel nahezu alle Freiheiten: Unabhängig vom Geschlecht kann man daten, wen
       man will, und sogar verschiedene Beziehungsmodelle ausleben.
       
       Während einige der Gefährt:innen monogam eingestellt sind, ist für
       andere auch eine polyamore Beziehung eine Option. [2][Sex kommt natürlich
       auch vor.] Diese Sequenzen zeigen den Geschlechtsakt expliziter als andere
       Spiele, ohne dabei pornografisch zu wirken.
       
       Der Grund dafür ist, dass Schauspieler:innen in speziellen Anzügen in
       der Produktion von „Baldur’s Gate 3“ sämtliche Bewegungen der Spielfiguren
       ausführten, damit diese aufgezeichnet und anschließend möglichst lebensecht
       ins Spiel übertragen werden können.
       
       ## Coaches für Sexszenen
       
       Bei der Produktion der Sexszenen wurden [3][Intimitäts-Coaches]
       eingesetzt. Die Aufgabe dieser Coaches besteht darin, sicherzustellen, dass
       sich alle Darsteller:innen während des Drehs von intimen Szenen sicher
       und zu nichts gedrängt fühlen, womit sie nicht einverstanden sind.
       
       Während Intimitäts-Coaches bei Film- und Serienproduktionen mittlerweile
       oft zum Einsatz kommen, ist das bei Videospielen ein Novum. Es beweist im
       Falle von „Baldur’s Gate 3“, dass die Entwickler:innen sich ihrer
       Verantwortung bewusst sind.
       
       Obwohl „Baldur’s Gate 3“ auch ein Spiel voller Humor ist, ist es dieser
       reife und ernsthafte Umgang mit Sexualität und Identität, der es zu einem
       wichtigen Meilenstein der Videospielgeschichte macht. Zum einen leistet das
       Spiel einen Beitrag zur gesellschaftlichen Akzeptanz von diversen
       Geschlechteridentitäten, zum anderen führt „Baldur’s Gate 3“ das Medium
       Videospiel ein Stück näher an sein Ziel, als eigenständige Kunstform
       angesehen zu werden.
       
       11 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://baldursgate3.game/
   DIR [2] /Erotik-in-Computerspielen/!5769624
   DIR [3] https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/intimacy-coaches-am-set-wie-harte-sexszenen-einvernehmlich-gedreht-werden
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Moritz Henze-Jurisch
       
       ## TAGS
       
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