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       # taz.de -- Autoritäre Klimapolitik: Braucht es den strafenden Vater?
       
       > Leute, die wegen ihrer Heizungsidentität konservativ bis rechts wählen,
       > werden durch Klimaaktivisten nicht erreicht. Es braucht eine neue
       > Strategie.
       
   IMG Bild: Wegen der Heizungsidentität AfD gewählt?
       
       Ungern handele ich mir den Vorwurf ein, meinen Platz hier für persönliche
       Fortsetzungsromane zu missbrauchen. Doch würde ich ausnahmsweise gern an
       [1][meine vorherige Kolumne] anknüpfen. Sie handelte davon, dass ich
       glaube, dass der Klimapolitik bisher die richtige Ansprache für die
       Klientel fehlt, die ich hier einmal Kulturkampf- und Populismus-Opfer
       nennen möchte. Sicherlich wird die Zukunft aber noch bessere Namen bringen.
       
       Es sind jedenfalls jene Leute, die zur Überzeugung gelangt sind, dass
       Klimaschutz etwas ist, das nichts mit ihrem Lebenswandel, ihrem So-Sein,
       ihrem höchst eigenen Existenzentwurf zu tun haben darf. Plant die
       Regierung [2][zum Beispiel ein Heizungsgesetz], ist es ganz genau die
       eigene Heizung, so wie sie im Keller steht, um die sich praktisch das ganze
       Ich herumrankt – meine Heizung, meine Heimat, Finger weg von meiner
       Heizung!
       
       Dieses Spektakel werden wir voraussichtlich jetzt regelmäßig erleben, denn
       die jüngsten Landtagswahlen haben gezeigt, wie ertragreich das
       Mobilisierungsmuster dazu ist – in Bayern gleich für drei Parteien: Freie
       Wähler, AfD und CSU (die trotz der Erfolge der ersten beiden ja kaum
       verloren hat).
       
       Meine These ist, dass ganz genau diese Leute, also die zum Beispiel in
       Bayern wegen ihrer Heizungsidentität die genannten Parteien gewählt haben,
       durch die bisherigen [3][Kommunikationsweisen des Klimaaktivismus] eher
       nicht erreicht werden oder, um es vorsichtig auszudrücken, nicht sinnvoll
       erreicht werden.
       
       ## Keine Klima-Thatcher
       
       Stattdessen, so überlegte ich vor drei Wochen, bräuchte es zur Bedienung
       des wohlbekannten autoritären Nervs dieser Milieus eine Art
       Klima-Autoritarismus – im demokratischen Rahmen natürlich, aber jedenfalls
       die politische Figur des strafenden Vaters, der sagt, was Sache ist, wo der
       Hase jetzt längs läuft, wo … Sie wissen schon, so ein Durchgreifer, und das
       Maskulinum steht hier bewusst, Deutschland ist noch nicht reif für eine
       Klima-Thatcher.
       
       Die Reaktionen auf diese Überlegung waren dann eher negativ. Der
       Blattkritiker am Montag nach Erscheinen, der Kollege J., schaute mich
       freundlich, aber schief von der Seite an und wählte ein biografisches Bild:
       „Kein strafender Vater – sondern strenge Mitbewohner“ seien es in seinem
       Fall gewesen, die ihn zur Klima-Räson gebracht hätten. Nun gehört J.
       natürlich sowieso nicht zur beschriebenen Zielgruppe, und ich habe auch
       nicht nachgefragt, vermute aber, das sollte bedeuten: Ja, erzieherische
       Maßnahmen sind nötig, aber dafür braucht es keine Eltern, das schafft auch
       das Kollektiv.
       
       Ein ganz ähnlicher Gedanke sprang mich tatsächlich in derselben Woche aus
       dem neuen Buch des Kollegen Christian Jakob an, „Endzeit“ heißt es, ist
       komplett empfehlenswert und handelt von Klima-Apokalyptik, also von der
       Frage, wie berechtigt Untergangsängste sind und wie ihnen zu begegnen wäre.
       
       Ganz am Schluss kommt er auf die Frage, wie den Anhängern „autoritärer
       Krisenantworten“ zu begegnen sei, also denen, die auch in Klimaschutz nur
       irgendeine Elitenverschwörung erkennen mögen. Jakob schreibt, eine „Suche
       nach ‚gemeinsamen Welten‘ und Formen solidarischen Zusammenwirkens“ müssten
       möglich sein, und, mit der Philosophin Eva von Redeker: „das Teilen üben“.
       
       Nun erkenne ich aktuell nicht, dass die CSU-, Freie-Wähler- und
       AfD-WählerInnen schon angefangen hätten, das Teilen zu üben. Wahrscheinlich
       richtet sich die Aufforderung aber auch erst mal an die Leserin, das
       Kollektiv zu pflegen, teilende und umverteilende Praktiken zu entwickeln.
       Da bin ich doch gern dabei. Bin gespannt, wie die
       kulturkämpferisch-populistische Mehrheit in Bayern zum Beispiel über die
       Vorschläge Vermögens- [4][oder Erbschaftsteuer] denkt.
       
       15 Oct 2023
       
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       ## AUTOREN
       
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