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       # taz.de -- Politische Kommunikation und ihre Tücken: Kommunikative Leerformeln
       
       > Endlich bekommt Hannover mal positive Aufmerksamkeit – jedenfalls in den
       > überregionalen Medien. Zuhause kann der OB es eigentlich nur falsch
       > machen.
       
   IMG Bild: Radelnder Kommunikator: Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay
       
       Meine Schwester hat neulich beim Aufräumen 30 Jahre alte Greenpeace-Sticker
       wiedergefunden, auf denen stand: „Autos raus aus der Stadt“. Und da fiel
       mir ein, warum mich [1][die Debatte um Hannovers Verkehrspolitik] so nervt:
       Weil sich seit mindestens genauso vielen Jahren im Kreis dreht.
       
       Leider war ich nicht bei der Präsentation der Innenstadtpläne, die
       Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) und Stadtbaurat Thomas Vielhaber (SPD)
       auf einer Art Bürgerversammlung im Aufhof abgeliefert haben. [2][Ein
       Kollege von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung war da] und notierte
       anschließend ein bisschen erstaunt, wie freundlich und zivilisiert die
       Debatte doch gewesen sei.
       
       Das ging mir bei verschiedenen Veranstaltungen in vergangener Zeit auch so.
       Ich frage mich, ob wir Journalisten vielleicht zu sehr unserer eigenen
       Polarisierungs-Hypothese aufgesessen sind, weil in Leserbriefen und
       Social-Media-Kommentaren immer alles heißer gekocht als gegessen wird.
       
       Glaubt man dem überregionalen Medienecho, hat Onay PR-technisch
       ausnahmsweise alles richtig gemacht. Was an sich schon ein Kunststück ist:
       Für gewöhnlich lautet der Vorwurf ja immer und überall, die Stadt habe das
       nicht richtig kommuniziert – egal, ob es um Straßensperrungen oder
       Flüchtlingsunterkünfte geht.
       
       ## Zu viel oder zu wenig, zu früh oder zu spät kommuniziert
       
       Der Koalitionspartner SPD führte das auch dieses Mal wieder im Munde, war
       aber vermutlich vor allem beleidigt. Die CDU hingegen warf Onay vor,
       städtische Werbeflächen für eine parteipolitische Kampagne zu benutzen,
       weil er darauf für das Innenstadtkonzept warb. Wie er es auch macht, es ist
       verkehrt. Die Stadt kommuniziert entweder zu viel oder zu wenig, zu früh
       oder zu spät.
       
       Oft ist dieses „Das ist gar nicht richtig kommuniziert worden“ ja aber auch
       eine Versteckformel für Leute, die inhaltlich nicht einverstanden sind. Das
       war zuletzt wieder zu besichtigen, als es um den Bau [3][einer neuen
       Flüchtlingsunterkunft in Kirchrode] ging.
       
       In der gehobenen Wohnlage (einem von zwei Stadtteilen, in denen
       traditionell schwarz gewählt wird) machen sich Menschen Sorgen um ihre
       Grundstückspreise. Schon 2015 hatte die Stadt angepeilt, hier eine
       Unterkunft entstehen zu lassen – es gibt da ein Erbpachtgrundstück und der
       Stadtteil hat bisher kaum Geflüchtete untergebracht. Als die Zahlen
       zwischenzeitlich sanken, beließ man es dabei.
       
       Nun wurden die Pläne reaktiviert, was prompt dafür sorgte, dass sich eine
       Busladung voll besorgter Bürger bei der nächsten Bezirksratssitzung
       einfand. Die Unterkunft befindet sich noch in der Planung und wird
       frühestens 2026/27 eröffnen, zehn Jahre, nachdem die Stadt das Grundstück
       erworben hat. Preisfrage: Welche Art von Kommunikation hätte es wohl
       gebraucht, damit diese Bürger glücklich und zufrieden sind?
       
       ## Andere Meinungen kann man nicht wegkommunizieren
       
       Aber die Leerformel funktioniert natürlich auch auf der anderen Seite. Nach
       jeder Schlappe heißt es in den Parteien:„Wir müssen unsere Ziele besser
       kommunizieren“ – in der rührenden Annahme, wenn man alles nur gut genug
       erklärt, müssen die Leute das doch genauso vernünftig finden wie man
       selbst.
       
       Und was, wenn es nun einmal einfach Leute gibt, die lieber einen Parkplatz
       als einen Baum vor der eigenen Haustür hätten? Oder finden, die
       Geflüchteten könnten doch gut ganz woanders wohnen?
       
       Aber vielleicht gewöhne ich mir diese Art von Leerformel jetzt einfach auch
       an. Was auch immer Sie an meinen Artikeln zu meckern haben: Das tut mir
       leid, aber ich finde, Sie haben Ihre Erwartungen nicht gut genug
       kommuniziert. Da hätten Sie mich halt mal eher informieren müssen.
       
       Noch besser kann man sich das ja bei der Großmeisterin der Leerformeln
       abgucken, der Deutschen Bahn. Also falls Sie zu den Menschen gehören, die
       seit einer Ewigkeit darauf warten, dass ich Ihre E-Mail beantworte: Der
       Grund sind Störungen im Betriebsablauf. Vielen Dank für Ihr Verständnis,
       auch wenn Sie keines haben.
       
       31 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Autofreie-Innenstadt/!5961685
   DIR [2] https://www.haz.de/lokales/hannover/autoarme-innenstadt-hannover-mehr-als-800-interessierte-fragen-ob-onay-KIHTKBYTK5HQ3LOUVGPLFH47HQ.html
   DIR [3] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Geplante-Unterkunft-fuer-Gefluechtete-Kritik-an-Kommunikation,aktuellhannover14222.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
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