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       # taz.de -- Sahra Wagenknechts neue Partei: Links liegen gelassen
       
       > Am Montag will Wagenknecht ihren neuen Verein vorstellen. Sie hinterlässt
       > eine Ruinenlandschaft, angesichts derer es schwerfällt, an einen
       > Wiederaufbau zu glauben.
       
   IMG Bild: Aufbruchstimmung: Sahra Wagenknecht bei der Eröffnung ihres Wahlkreisbüros in Düsseldorf 2010
       
       Die Nebel lichten sich. Die Abspaltungspläne von Sahra Wagenknecht nehmen
       nicht mehr zu ignorierende Konturen an. Was innerhalb der Linkspartei
       erstaunlich viele erstaunlich lange nicht wahrhaben wollten, ist nun für
       alle offensichtlich.
       
       Am Montag um 10 Uhr will die Heldin des deutschen Stammtischs in Berlin
       ihren neuen Laden präsentieren. „BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit“
       heißt der Verein. Dessen einziger Zweck ist es, die – aus finanziellen
       Gründen – für Anfang nächsten Jahres geplante offizielle Gründung einer
       neuen Partei vorzubereiten.
       
       Das Kürzel BSW steht für „Bündnis Sahra Wagenknecht“. Fehlendes
       Selbstbewusstsein kann der 54-jährigen Ex-Linksfraktionsvorsitzenden nicht
       vorgeworfen werden. Jedenfalls entspricht die Namensgebung der fast
       religiösen Verehrung, die ihr ein Großteil ihrer Anhänger:innenschaft
       entgegenbringt.
       
       ## Zu viel zerstört
       
       Auch wenn Jan Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion
       im Bundestag, noch Ende April in der taz [1][um einen Kasten Bier gewettet]
       hat, dass Wagenknecht keine eigene Partei gründen wird, ist das, was jetzt
       passiert, keine Überraschung.
       
       Seit mehr als einem Jahr arbeiten Wagenknecht und ihre Getreuen an der
       Abspaltung. [2][Ende August 2022] hat die taz darüber das erste Mal
       berichtet. Selbst der Zeitplan bis zu einem konkurrierenden Wahlantritt bei
       der kommenden Europawahl [3][steht seit Langem fest].
       
       Dass Wagenknecht nun ganz offen erklärt, nicht mehr nur über eine
       Konkurrenzpartei „nachzudenken“, sondern sie konkret zu planen, ist für die
       Linke eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht: Die
       quälende Zeit der systematischen Zerstörung von innen heraus ist vorbei.
       Nicht nur Ex-Parteichef Bernd Riexinger spricht von einer „Befreiung“. Die
       schlechte Nachricht: Es ist inzwischen so viel zerstört worden, dass es
       schwer ist, an einen Wiederaufbau zu glauben.
       
       ## Ein Wunder muss geschehen
       
       Vor allem im Westen gleicht die Linke einer Ruinenlandschaft. Es sei „wohl
       einzigartig in der Parteiengeschichte, dass über so einen langen Zeitraum
       durch Mandatsträger einer bestehenden Partei eine neue gegründet wird“,
       konstatiert Riexinger. Dazu passt, dass bei dem Wagenknecht-Event am Montag
       mit Amira Mohamed Ali auch die noch amtierende Co-Vorsitzende der
       Linksfraktion auf dem Podium sitzen soll.
       
       [4][Michail Gorbatschow] wird der Satz zugeschrieben: „Wer zu spät kommt,
       den bestraft das Leben.“ Das gilt auch für jene, die nicht bereit sind, zur
       rechten Zeit das Notwendige zu tun. Der Preis, den die Linkspartei dafür
       zahlen muss, Wagenknecht das Gesetz des Handelns überlassen zu haben, ist
       hoch – und auch die gesellschaftliche Linke wird ihn zahlen müssen.
       
       Aber vielleicht geschieht ja doch noch ein Wunder und die Linkspartei
       gewinnt jene Kraft zurück, die sie durch die jahrelangen Querelen mit
       Wagenknecht und ihrem „linkskonservativen“ Anhang verloren hat. Der Platz
       im bundesrepublikanischen Parteienspektrum wäre immer noch da. Er muss nur
       wieder gefüllt werden können.
       
       20 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Korte-zum-Niedergang-der-Linkspartei/!5929567
   DIR [2] /Abspaltungstendenzen-von-der-Linkspartei/!5877416
   DIR [3] /Sahra-Wagenkecht-und-die-Linkspartei/!5954498
   DIR [4] /Trauerfeier-fuer-Michail-Gorbatschow/!5878937
       
       ## AUTOREN
       
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