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       # taz.de -- Grenzkontrollen zu Polen: Die Ausweise, bitte!
       
       > Seit zwei Wochen finden an der Grenze zu Polen stationäre Kontrollen
       > statt. In Frankfurt (Oder) mehren sich skeptische Stimmen.
       
   IMG Bild: Zwei Polizeibeamte in Frankfurt warten auf Kundschaft
       
       Frankfurt (Oder) taz | Das mit dem Timing von Kunst und Politik hat nicht
       geklappt. „Sorry“, das [1][Anti-Kunstwerk der polnischen Künstlerin Joanna
       Rajkowska] ist seit dem 3. Oktober abgebaut. Auf der Frankfurter Seite der
       Stadtbrücke zum polnischen Słubice sollte es an die Pushbacks an der
       polnisch-belarussischen Grenze erinnern und daran, wie sich Europa
       abzuschotten beginnt.
       
       Dabei hätte das „Sorry“ gerade jetzt ganz gut gepasst. Als kleine
       Entschuldigung zum Beispiel für die etwa 50 Fahrgäste eines Reisebusses aus
       Gorzów Wielkopolski. Auf dem Weg nach Frankfurt (Oder) wird der Fahrer von
       einer Beamtin und einem Beamten der Bundespolizei am Donnerstag zur Seite
       gewunken. Platz für Platz gehen die Beamten durch den Bus und kontrollieren
       die Papiere. Nach zehn Minuten Pause darf der Bus weiterfahren. Ein
       bisschen Abschottung ist auch an der deutsch-polnischen Grenze das neue
       Normal.
       
       Sechzehn Jahre nach dem Beitritt Polens zum Schengenraum wird seit dem 16.
       Oktober an Oder und Neiße, aber auch an der Grenze nach Tschechien wieder
       kontrolliert. Schon Monate zuvor hatte Brandenburgs Innenminister Michael
       Stübgen (CDU) stationäre Kontrollen gefordert.
       
       Nun steht ein weißes Zelt auf dem Grünstreifen an der Słubicer Straße in
       Frankfurt. Wer den Beamten verdächtig vorkommt, wird dort genauer
       kontrolliert, als es bei den Fahrgästen im Bus aus Gorzów der Fall ist.
       
       In einer ersten Bilanz gab die Bundespolizei bekannt, dass allein am
       vergangenen Wochenende 225 illegal eingereiste Personen festgestellt worden
       seien. Am Freitag teilte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit, dass
       an den ersten zehn Tagen bundesweit insgesamt 3.700 unerlaubte Einreisen
       festgestellt worden seien.
       
       ## Immer wieder gibt es Staus
       
       Am Donnerstag trafen sich in Frankfurt Vertreter von Wirtschaft und Polizei
       mit der grünen Abgeordneten Sahra Damus. Dabei räumt ein Vertreter der IHK
       Ostbrandenburg ein, dass die Kontrollen Auswirkungen auf die Arbeitspendler
       aus Polen hätten. „Es kommt zu einer Verlängerung der Arbeitswege“, so
       [2][IHK-Vertreter Knuth Thiel gegenüber dem RBB.] „Auch im
       Wirtschaftsverkehr, wenn Kleintransporter und Lkws kontrolliert werden.“
       
       Thiel fordert deshalb, die Kontrollen so zu organisieren, dass die
       Behinderungen möglichst überschaubar bleiben. Vor allem an der A12 bilden
       sich immer wieder lange Staus.
       
       Kleinere Staus gibt es am Donnerstag auch auf der Frankfurter Oderbrücke.
       Immer wieder müssen polnische Transporter ihren Laderaum öffnen. Weil die
       Fahrbahn auf eine Spur verengt ist, stockt der Verkehr dahinter.
       
       [3][Die grenzüberschreitende Buslinie 983], die zwischen dem Frankfurter
       Bahnhof und Słubice pendelt, könne ihren Fahrplan aufgrund der Staus
       oftmals nicht einhalten, [4][sagte Verkehrsleiter Philipp Schacht dem RBB].
       Demzufolge seien vor allem am Wochenende mehrere Linien ausgefallen, so
       Schacht weiter. Die Fahrgäste, die dadurch ihre Züge nicht mehr erreichen,
       seien Schlacht zufolge „stinksauer“.
       
       Noch gibt es allerdings wenig Hoffnung, dass die Kontrollen bald wieder der
       Vergangenheit angehören. Bereits am Mittwoch hatte Faeser angekündigt, die
       zunächst auf zehn Tage angesetzten stationären Kontrollen um weitere 20
       Tage zu verlängern. Selbst das ist dem Brandenburger Innenminister zu
       wenig. „Spätestens im Dezember will Frau Faeser die Maßnahme anscheinend
       wieder aufheben“, sagte Stübgen am Mittwoch der dpa. Das werde so nicht
       funktionieren, meinte er. „Wir brauchen die Möglichkeit, Grenzkontrollen
       durchzuführen, solange die europäischen Maßnahmen zur Begrenzung der
       Migration nicht wirken.“
       
       Muss sich die Doppelstadt Frankfurt und Słubice, die an der Brücke über die
       Oder mit dem Slogan „Ohne Grenzen“ für sich wirbt, also auf eine
       langfristige Rückkehr des Schlagbaums einrichten? Einem Frankfurter, der
       mit seinem Hackeporsche vom Einkauf aus Słubice zurückkehrt, wäre das
       recht. „Das hätten die schon vor ein paar Jahren machen sollen“, schimpft
       er.
       
       Anders sieht es Frankfurts Oberbürgermeister René Wilke (Linke). „Die
       Verlängerung der Maßnahmen ändert nichts daran, dass stationäre
       Grenzkontrollen untauglich sind, den Zugang geflüchteter Menschen nach
       Deutschland zu begrenzen“, lässt Wilke am Mittwoch mitteilen und spricht
       von einem „rein symbolischen Effekt“.
       
       Recht gibt ihm dabei der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für
       die Bundespolizei in Berlin und Brandenburg, Lars Wendland. Auch Wendland
       wendet sich gegen langfristige stationäre Kontrollen an der Grenze. Die
       Bundespolizei sei „über dem Limit“, [5][sagt er im Interview mit dem
       Inforadio des RBB]. „Bei den Grenzkontrollen haben wir schon Personal von
       überall aus Deutschland. Und ich behaupte, wir halten das nicht allzu lange
       durch.“
       
       Indirekt bestätigt Wendland Wilkes These, dass die Kontrollen wenig am
       Zugang Geflüchteter ändern. „Dass durch diese Kontrollen weniger Migranten
       nach Deutschland kommen, das ist ein Trugschluss“, sagt Wendland und
       verweist auf das Recht jedes Einzelnen, beim Grenzübertritt Asyl zu
       beantragen.
       
       Für Brandenburg würde sich die Situation sogar noch verschärfen, sagt der
       Polizei-Gewerkschafter.
       
       „Bisher haben sich die Migranten in ganz Deutschland gemeldet und wurden
       überall aufgenommen oder sie sind weiter in andere Bundesländer oder in
       andere europäische Länder gereist“, sagt Wendland. „Aber ab jetzt werden
       wir jeden in Brandenburg aufnehmen müssen, der an einer Kontrolle
       aufgegriffen wird.“
       
       30 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kunstwerk-gegen-Pushbacks/!5931040
   DIR [2] https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/politik/2023/10/stationaere-grenzkontrollen-brandenburg-polen-bilanz.html
   DIR [3] https://svf-ffo.de/fahrten-planen/liniennetz/
   DIR [4] https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/beitraege/2023/10/verkehr-stau-deutsch-polnische-grenze-pendler-veraergert.html
   DIR [5] https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/politik/2023/10/stationaere-grenzkontrollen-lars-wendland-gdp-interview.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
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