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       # taz.de -- Heringsbestand in der Ostsee: Gefährdete Delikatesse
       
       > Hering aus dem Bottnischen Meerbusen? No way! Das ist die klare Ansage
       > des WWF-Fischratgebers. Was wird nun aus Schwedens traditionellem
       > Surströmming?
       
   IMG Bild: Anders als in der Dose: lebendiger Ostseehering im Nord-Ostsee-Kanal von ganz nah
       
       Stockholm taz | Dass es dem Ostsee-Hering gar nicht gut geht, gibt es
       längst schriftlich. Bereits [1][Ende August empfahl die EU-Kommission, den
       Heringsfang im Bottnischen Meerbusen ganz einzustelle]n. Nun hat der
       Umweltverband WWF reagiert und die dortige Population für bedroht erklärt.
       Weil der Bestand auf der schwedischen Seite des nördlichen Ausläufers der
       Ostsee überfischt ist, stellt er die Ampel für den [2][Heringsfang dort in
       seinem aktuellen Fischratgeber] von Gelb auf Rot.
       
       Der [3][WWF-Fischratgeber ist ein Einkaufsleitfaden], mit dem der
       Umweltverband regelmäßig versucht, die aktuelle Situation in den Meeren in
       Empfehlungen für VerbraucherInnen zu übersetzen, die nachhaltig einkaufen
       wollen. Rot bedeute „Finger weg“, sagt Inger Melander, Fischexpertin beim
       WWF-Schweden: „Man soll ihn weder essen noch fangen.“
       
       Dass diese Einstufung für Hering, der im Nordostatlantik und vor Island
       gefangen wird, nicht gilt, ist für schwedische Gourmets kein Trost. Denn
       der Hering, der für eine t[4][raditionelle Delikatesse gefangen wird, den
       Surströmming], stammt aus dem Bottnischen Meerbusen. Wobei ein Spätsommer
       ohne diesen „sauren Hering“ – er wird durch Milchsäuregärung konserviert,
       was ihm einen intensiven Geruch verleiht – für viele SchwedInnen nahezu
       undenkbar ist.
       
       Vor allem in Nordschweden gehört die gemeinsame Surströmming-Mahlzeit zu
       den gesellschaftlichen Höhepunkten des Jahres. Und [5][seit Jahren
       zurückgehende Fänge] haben bereits dazu geführt, dass die auf den
       Surströmming spezialisierten Betriebe oft nur noch einen Bruchteil der
       Nachfrage decken können.
       
       ## Internetpreise explodieren
       
       In den vergangenen beiden Jahren war das Angebot so reduziert, dass manches
       Surströmming-Fest ausfallen musste und Lokalzeitungen von regelrechten
       Tumulten beim Streit um die letzten Dosen berichteten. Im Internet
       erzielten versteigerte Konservendosen, die einen Ladenpreis von umgerechnet
       rund 10 Euro haben, Preise von bis zu 200 Euro.
       
       In diesem Jahr meldete ein Supermarkt in Kramfors zum Verkaufsstart Mitte
       August eine 300 Meter lange Schlange wartender KundInnen. Nur mit
       „gemeinsamen Kräften“ sei es ihnen glücklicherweise gelungen, genügend
       Dosen für ihr gemeinsames Fest zu beschaffen, freute sich eine
       Pensionärsvereinigung aus Lycksele im Folkbladet Västerbotten.
       
       In einem Leitartikel forderte die Regionalzeitung jetzt alle
       Surströmming-Fans auf, sich nicht um die letzten Dosen zu raufen, sondern
       sich im Kampf gegen eine seit Jahrzehnten verfehlte EU-Fischereipolitik mit
       viel zu hohen Fangquoten zu vereinigen. Bedroht sei nicht nur eine geliebte
       Delikatesse, sondern eine wichtige Schlüsselart für das gesamte Ökosystem
       der Ostsee. Schließlich diene der Hering nicht nur größeren Fischen als
       Nahrung, sondern halte mit seinem Appetit auch den Bestand des Stichling in
       Grenzen, der sich von Fischeiern und Larven ernährt und damit den Bestand
       anderer Arten gefährdet.
       
       2 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_4287
   DIR [2] /Fisch-fuer-Fortgeschrittene/!5853989
   DIR [3] https://www.wwf.de/2023/september/neue-ausgabe-des-wwf-fischratgebers
   DIR [4] /Reisen-mit-den-Sinnen-4/!5656183
   DIR [5] /Ueberfischung-in-Nord--und-Ostsee/!5538844
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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