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       # taz.de -- Elektroschrott im Alltag: Mit dem Scanner vor dem Kühlregal
       
       > Elektronik steckt nicht nur im Handy, sondern zunehmend auch in
       > Alltagsgegenständen. Und das Potenzial der Industrie ist längst nicht
       > ausgeschöpft.
       
   IMG Bild: Ein eingebauter Mikrochip mit QR-Code auf einem Parmesan Käse
       
       Durch das Styropor des Fahrradhelms zieht sich ein ordentlicher Riss. Nicht
       dass etwas Schlimmes passiert wäre, Sturz, Unfall oder so. Wahrscheinlich
       ist der Helm nur ein paar Mal zu oft auf den Boden gefallen oder
       versehentlich gegen eine Wand geknallt.
       
       Jedenfalls: Während ein neuer schnell gekauft ist, passiert mit dem alten –
       ja, was eigentlich? In einem Zeitalter, das später wahrscheinlich dafür
       bekannt sein wird, dass die Menschen in alle Dinge, die nicht schnell genug
       entkommen konnten, Elektronik eingebaut haben, ist auch ein kaputter Helm
       nicht nur ein kaputter Helm. Nein, es ist ein Stück [1][Elektroschrott].
       
       Denn natürlich befindet sich am hinteren Ende ein LED-Ring, auf dass das
       fahrende Kind im Dunkeln gut gesehen werde. Sicherheitstechnisch super,
       [2][entsorgungstechnisch] schwierig. Und weil leider noch niemand auf die
       Idee gekommen ist, oben auf den Helm ein paar Solarzellen und irgendwo
       einen Speicher anzubauen (wobei, ob das am Ende einfacher zu entsorgen
       wäre?), befinden sich hinter der Leuchteinheit zwei Knopfzellen. Die es
       also auszubauen gilt.
       
       Die folgende Episode, die viel mit einem Kreuzschraubendreher im
       Miniaturformat, abgebrochenen Fingernägeln und einigem Fluchen zu tun hat,
       überspringen wir und schauen auf etwas, das auch nicht rechtzeitig
       entkommen konnte: Käse. Genau genommen original norditalienischer Parmesan,
       also aus den Provinzen Parma, Reggio Emilia, Modena oder jeweils einem Teil
       von Bologna und Mantua. Das ist ganz wichtig, weil Fälscher:innen seit
       jeher versuchen, Käse anderen Ursprungs auf den Markt zu bringen und ihn
       Parmesan zu nennen, um ihn teuer zu verkaufen, sehr zum Ärger der
       Hersteller des echten Parmesans.
       
       Und nun? Hat die Digitalisierung angerufen und den Parmesan-Produzenten die
       Lösung zugeflüstert: Mikrochips in den Käserand, Blockchaintechnologie
       dahinter und zack – lassen sich mittels Scanner Käse-ID und
       Herstellungszeitpunkt auslesen.
       
       Das wirft Fragen auf: Gibt es zum Kauf an der Käsetheke demnächst einen
       passenden Scanner zur Echtheitsprüfung dazu? Wenn die Käseschale, in der
       sich das reiskorngroße Modul befindet, im Müll landet – ist der dann auch
       Elektroschrott? Und wenn jemand das Teil versehentlich mitisst – was der
       Technikchef des Herstellers angeblich bewusst getan haben soll, um für die
       Unbedenklichkeit seiner Erfindung zu werben –, ist man dann selbst ein
       Käse-Cyborg, bis das Ding wieder draußen ist? Immerhin: Durch die Haut oder
       auf Distanz soll sich der Chip nicht tracken lassen.
       
       Die europäische [3][Liste] von Lebensmitteln mit geschützten Bezeichnungen
       wie Parmesan ist nahezu endlos. Fast 4.000 Produkte stehen derzeit darauf –
       vom schwedischen Knäckebrot Skedvi Bröd bis zum ungarischen Obstbrand
       Borzag pálinka. Wahrscheinlich ließe sich ein komplett neuer
       Ernährungstrend darauf aufbauen, ausschließlich Produkte mit einem der
       beiden „Geschützt“-Siegel zu essen.
       
       Also: Viel Potenzial, falls die Tech-Industrie mit allen anderen
       Alltagswaren irgendwann durch ist mit dem Elektronik-Einbau. Die Entsorgung
       der Überreste wird – siehe Fahrradhelm – bestimmt für einen wunderbaren
       Zeitvertreib sorgen.
       
       5 Oct 2023
       
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