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       # taz.de -- Toxische Männlichkeit im Fußball: Das beständige System Boateng
       
       > Der FC Bayern liebäugelt mit Jérôme Boateng, der wegen Gewaltvorwürfen
       > seiner Ex-Partnerin erneut vor Gericht muss. Eine stabile Beziehung.
       
   IMG Bild: Bald wieder Mitglied des Profi-Teams? Jérôme Boateng beim Training mit den Bayern-Amateuren
       
       „Selbstmorddrama! Warum wollte sie nicht mehr leben?“, prangt es in großen
       Lettern vom Gebäude eines Medienkonzerns. Wie das eben so ist im
       Boulevardjournalismus. In den Tagen davor wird das Drama vorbereitet.
       „Nächste Runde im Drama um den Fußball-Weltmeister!“, heißt es da. Und:
       „Jetzt wird es immer schmutziger!“
       
       Das Medienhaus ist immer bestens informiert: „Es geht um Liebe und Verrat!“
       Ein Spezialgebiet des Konzerns: „Die privaten Nachrichten von IHR an die
       Ex!“ Am Ende wundert sich niemand über den Suizid der Fußballerfreundin. Ob
       der Medienkonzern durch seine aggressive Berichterstattung die Ex-Freundin
       des Fußballers in den Tod getrieben hat? Man wundert sich schon lange nicht
       mehr über die finsteren Seiten des Boulevards.
       
       Und so würde man sich auch nicht wundern, wenn die oben zitierten
       Schlagzeilen wirklich über den Dächern Berlins zu sehen gewesen wären.
       Waren sie aber nicht. Benjamin von Stuckrad-Barre hat sie sich für seinen
       Roman „Noch wach?“ ausgedacht, der Machtmissbrauch und sexuelle
       Übergriffigkeiten in der Medienbranche zum Thema hat.
       
       In Interviews muss Stuckrad-Barre tunlichst jede direkte Erwähnung des
       Medienkonzers Axel Springer vermeiden, an den alle, die das Buch lesen,
       wohl denken müssen. Die Anwälte würden nur auf einen Fehler von ihm warten,
       sodass ihm nichts anderes übrigbliebe, als um den heißen Brei herumzureden.
       So hat er es neulich im [1][Interview-Podcast „Hotel Matze“] angedeutet,
       wie er überhaupt viel andeutet.
       
       ## „Boateng schon Boss im Bayern-Training!“
       
       Eindeutig ist er dennoch. Eindeutig ist ja auch die Anspielung auf Jérôme
       Boateng in seinem Roman. Der hatte ja tatsächlich seine guten Beziehungen
       zur Bild-Zeitung genutzt, um nur das Schlechteste über seine Ex-Freundin zu
       berichten. Die hieß Kasia Lenhardt und wurde am 9. Februar 2021 tot in
       ihrer Wohnung aufgefunden. Sie hatte sich das Leben genommen. Wie heißt es
       nochmal in Stuckrad-Barres Roman? „Selbstmorddrama! Warum wollte sie nicht
       mehr leben?“
       
       Boatengs Beziehung zu Lenhardt war nicht ohne Spannungen gewesen. Einmal
       kursierten in sozialen Medien Bilder eines eingerissenen Ohrläppchens. Über
       ein deshalb eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen Boateng wurde
       berichtet, über dessen Einstellung und Wiederaufnahme. Viel berichtet wurde
       auch über die Verfahren gegen Boateng, in denen er zunächst vor dem
       Amtsgericht München, dann im Berufungsverfahren vor dem Landgericht wegen
       Körperverletzung verurteilt worden ist.
       
       Es geht um Gewalt gegen eine ehemalige Lebensgefährtin. Das Bayerische
       Oberste Landesgericht hat nun das Urteil aufgehoben. Und nun muss noch
       einmal darüber verhandelt werden, ob Boateng seine Freundin beleidigt und
       angegriffen hat. Und noch einmal müssen die Zeuginnen allen Mut
       zusammennehmen, wenn sie das Gerichtsgebäude betreten. Beim vergangenen
       Verfahren war eine von den Bodyguards Boatengs gefilmt worden und hatte ihr
       Unwohlsein darüber zum Ausdruck gebracht.
       
       Ihr Unwohlsein zum Ausdruck gebracht hatten auch etliche Partnerinnen von
       Fußballprofis in [2][einer Recherche der Investgativjournalistinnen von
       Correctiv]. Die haben von einem System der Abhängigkeiten und des
       Machtmissbrauchs berichtet, über das auch deshalb so wenig bekannt ist,
       weil zu einer Beziehung mit einem Fußballer oft auch das Unterzeichnen
       einer Verschwiegenheitserklärung gehört.
       
       Dieses System wird man kennen beim FC Bayern München, auch wenn da gewiss
       niemand drüber reden wird. Es ist ein System, das Männer wie Boateng
       schützt. Der trainiert mittlerweile wieder mit beim FC Bayern München, dem
       Verein, bei dem er angestellt war, als er 2014 Weltmeister für Deutschland
       geworden ist. Er soll dazu beitragen, eine Vakanz in der Innenverteidigung
       des Meisters zu schließen. Alles andere sei Privatsache, wie Sportmanager
       Christoph Freund meinte. Und außerdem gelte die Unschuldsvermutung, wie
       Trainer Thomas Tuchel vor dem Champions-League-Gruppenspiel in Kopenhagen
       gesagt hat.
       
       „Boateng schon Boss im Bayern-Training!“, hieß es am Montag [3][auf
       bild.de]. So einfach ist das? Es ist wie in Stuckrad-Barres Roman. Da ist
       etwas, von dem alle wissen, mindestens etwas davon ahnen. Es mag kurz für
       Aufregung sorgen. Doch am Ende geht alles so weiter, wie es immer war. Mit
       toxischer Männlichkeit, Machtmissbrauch und Übergriffen.
       
       4 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=L3BFtmQ8NuQ
   DIR [2] https://correctiv.org/top-stories/2022/10/14/machtmissbrauch-profi-fussball/
   DIR [3] https://www.bild.de/sport/fussball/bayern-muenchen/fc-bayern-muenchen-jrme-boateng-schon-boss-im-training-bei-bayern-ii-85608462.bild.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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