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       # taz.de -- Klimagerechte Zukunft: Fahrkarten sind so 2020
       
       > Was, wenn kostenloser ÖPNV in Zukunft ein Grundrecht wäre? Dafür müssten
       > womöglich die Klimakrise und soziale Fragen gemeinsam bekämpft werden.
       
   IMG Bild: Ticket kaufen, war gestern. Aber der Bus, der wird kommen, und zwar elektrisch
       
       Salma ist stolze Straßenbahnfahrerin. Seit sie vor drei Jahren aus dem
       Sudan nach Kassel kam, fährt sie jeden Morgen von Montag bis Donnerstag
       vier Stunden ihre Stammstrecke. „Einmal die Fahrscheine bitte“, sagt Salma
       ins Mikrofon. Ihr liebster Witz. Meist schrecken die älteren Fahrgäste kurz
       auf, dann lachen sie. [1][Fahrkarten gibt es schon lange nicht mehr]. Doch
       die Älteren erinnern sich noch an die 2020er Jahre.
       
       Damals wurde das Verkehrspersonal grottig bezahlt und es musste doppelt so
       viel arbeiten. Der Job war so unbeliebt, dass in ganz Deutschland immer
       wieder Fahrten wegen Personalmangels und Krankheit ausfallen mussten.
       
       Von der Zeit erzählt Anna, eine 63-jährige Busfahrerin, Salma nach einer
       Sitzung der genossenschaftlichen Betriebsgruppe: „Lange behaupteten
       deutsche Politiker*innen, man müsse sich entscheiden zwischen Klimaschutz
       und Sozialpolitik. Tatsächlich war das Gegenteil der Fall.“
       
       ## Weg vom Profit
       
       In den 20ern seien die Menschen immer unzufriedener geworden. Wohnen, Kita,
       Essen, Sprit und Fahrkarten – alles wurde teurer. „Wir waren es satt. Wir
       wollten unser Leben und Arbeiten anders organisieren als um Profit herum“,
       sagt Anna. „Zum Beispiel durch guten und kostenlosen ÖPNV für alle?“, fragt
       Salma. „Genau!“, sagt Anna, „Die Ideen waren da. Aber die Umsetzung mussten
       wir selbst in die Hand nehmen.“
       
       Viele Beschäftigte seien damals den Gewerkschaften beigetreten.
       Arbeiter*innen, die jahrzehntelang gegen die Sparpolitik gekämpft
       hatten, [2][schlossen sich trotz anfänglicher Vorbehalte] mit
       Klimaaktivist*innen zusammen. Über Jahre hinweg streikten sie für
       bessere Arbeitsbedingungen und eine Alternative zum Auto, für einen fairen
       ÖPNV und konsequente Klimapolitik. Durch kleine Erfolge in verschiedenen
       Städten machte die Bewegung mehr und mehr Menschen Mut, sich anzuschließen.
       
       Seit den großen Protesten leiten die Arbeiter*innen die
       Verkehrsbetriebe und treffen in Betriebsgruppen mit Fahrgäst*innen und
       Expert*innen die Entscheidungen. Das Recht auf klimagerechte Mobilität
       ist im Grundgesetz verankert. Ihr Erfolg darin, Kämpfe gemeinsam zu denken,
       übertrugen sich auch auf globale Ebene.
       
       ## Global Verantwortung übernehmen
       
       Als die Dürren und Überschwemmungen infolge der Klimakrise zunahmen, wurden
       die Forderungen an die großen Industrieländer lauter. Sie sollten ihre
       historische Verantwortung übernehmen. [3][Seitdem zahlen Länder wie
       Deutschland Gelder an vom Klima gebeutelte Regionen] und bieten Menschen
       vor Ort Möglichkeiten auszuwandern.
       
       Dadurch kam auch Salma nach Hessen. Wegen der Klimakrise gab es in ihrem
       Heimatdorf und in zwei Kilometern Umkreis kein Trinkwasser mehr. Salma fiel
       es schwer, in den Flieger zu steigen. Aber ihre Kollegin Anna ist froh,
       dass sie da ist – auch Salmas Geschichte ist ein Teil der Verkehrswende.
       
       26 Oct 2023
       
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       ## AUTOREN
       
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