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       # taz.de -- Aufbruch oder Untergang: Propaganda, Palästina, Parteien
       
       > In diesen hektischen Zeiten mag es fromm klingen, slow journalism zu
       > fordern. Doch was will man dem Hunderennen um Klicks sonst
       > entgegensetzen?
       
   IMG Bild: Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Deutsche Außenpolitik [1][zu Gast bei Nichtfreunden].
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Schneller lernen.
       
       Seit den Massakern der Hamas an Israelis sind antisemitische Vorfälle in
       Deutschland enorm gestiegen. Was kann man dem entgegensetzen? 
       
       Im irischen Radio RTE verglich eine Kommentatorin: Jahrzehnte des
       Bürgerkriegs, eine Terrororganisation als informelle Regierung, eine hart
       militärische Besatzungsmacht, jeder Schuss und jede Bombe mit selbst
       gemachter Moral zugelogen. Was im irischen Fall endlich wirklich half, war
       der Widerstand vor allem der Frauen, der Zivilgesellschaft gegen den Terror
       wie die Besatzung. Dieser Vergleich mag kaum schnell genug aus der Tür
       hinken können, als er von ein paar Moralschleudern in Grund und Boden
       ge-X-t wird. Sei’s drum. In Nordirland dauerte es vom Osteraufstand 1922
       bis zum unvollständigen Friedensschluss 1998.
       
       Es ist der falsche Zeitpunkt und Affekt, [2][wie etwa CDU-Chef Merz, seine
       Minderwertigkeitskomplexe gegen dunkelhaarige junge Männer auszuagieren].
       Soll er sich einen Vollbart wachsen lassen. Wer nicht auf die Engel setzt,
       betreibt das Geschäft der Dämonen.
       
       Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek verurteilt bei der Buchmesse die
       Hamas, fordert aber auch Verständnis für die Palästinenser:innen. Die Rede
       löst einen Tumult aus. Zu Recht? 
       
       Klar. Žižeks Mut zur Wahrheit [3][gehört mit Aufmerksamkeit belohnt]. Ich
       unterstelle kein Kalkül.
       
       In sozialen wie in klassischen Medien sammeln sich Desinformationen zum
       Krieg in Nahost. Wie kommen Journalist:innen dagegen an? 
       
       Die russische Rakete, die in Polen einschlug, [4][war dann doch eine
       ukrainische]. Die Löcher in Nord Stream bombte „ein staatlicher Akteur“,
       sicher Russland, bis alle Indizien [5][auf ukrainische Täter wiesen], die
       keinesfalls staatliche Akteure waren. Strack- Zimmermann und Konsorten
       können ihre komplette Garderobe inzwischen an ihren Pinocchio-Nasen vor
       sich hertragen. Und werden – allesamt Überführte – weiter fleißig um
       [6][neue tolle Meinungen zur neuen schlimmen Katastrophe] gebeten. Das
       journalistische Debakel, aus einer festen Meinung heraus die Belege zu
       bewerten und zu selektieren, sollte hinter uns liegen. Zumal wir diesmal
       wissen, dass Propagandaarmeen – [7][hier Palliwood,] [8][da Hasbarah] –
       gegen die Wahrheit antreten. Mag fromm klingen, slow journalism zu fordern,
       denn man weiß, dass es ein Hunderennen um die schnellsten Klicks ist.
       Leichter: Sieh es von übermorgen aus, vom Frieden, und checke von dort aus
       rückblickend, was du dagegen angemeint hast.
       
       Jetzt kommt sie also doch – die Wagenknecht-Partei. Ist das die Rettung
       oder der Untergang der Linkspartei? 
       
       Ganz sicher der [9][Untergang der Wagenknecht]. Klingt paradox, doch die
       wird aus der Chefdissidentin eine Sektenführerin machen. Bisher profitiert
       sie vom zerstörerischen Konflikt mit ihrer Herkunftsfamilie. Ohne dies
       Framing wird sie ein Irrlicht im Parteienspektrum, deren Verrisse viele
       begeistern und deren Konstrukt ein Bällchenbad für allseits abgegebene
       Spinnerkinder wird. Selbst zweimal 4,9 Prozent – und diese Schätzung wäre
       optimistisch für beide Parteien – wird am Wahlabend null. Rechts hingegen –
       heikler Vergleich – halten die zerstrittensten Querulanten zusammen. Locker
       über 10 Prozent. Die Linke hat ein [10][in sich einigermaßen schlüssiges
       Programm], die Wagenknechte eine Ikone. Letzteres ist im Kern autoritär –
       und nicht links.
       
       In Polen kann Ex-Premier Tusk eine neue, proeuropäische Regierung bilden.
       PIS wurde letzte Woche abgewählt. Was bedeutet das für die EU? 
       
       Eine [11][Tusk-Regierung] bliebe knallkatholisch, migrationsfeindlich und
       hätte eine Menge Arbeit, Justiz und Medien rückzudemokratisieren. Und zwar
       schneller, als die EU-Rechtsstaatsverfahren gegen Polen greifen. Zudem ist
       Tusk mindestens so proamerikanisch wie proeuropäisch. Es wird drauf
       ankommen, ob die beiden unterschiedlich beliebten Onkel Frankreichs und
       Deutschlands erfolgreich und sacht Polen umpolen.
       
       Erst geht Netflix gegen Passwort-Teilen vor, jetzt soll es auch noch
       Preiserhöhungen geben. Perfekter Zeitpunkt, die Plattform zu verlassen? 
       
       Das Premium-Abo liegt nur noch psychologische 37 Cent unter der
       öffentlich-rechtlichen Haushaltsgebühr. Klar, die ÖRR kann man nicht
       kündigen. Netflix dagegen wird kein vergleichbar umfassendes Programm
       anbieten. Deshalb beweist das Elitenprodukt Netflix aus Versehen, dass es
       eine Basisversorgung für alle zwingend braucht. Ja, zwingend. Finde ich
       auch doof, ist aber so.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       „Reich, aber unsexy.“ Spielweise und Kader des BVB erinnern derzeit an die
       schlimmsten Bayern-Zeiten. Ätsch.
       
       Fragen: Anna Hollandt, Vivien Mirzai und Franziska May
       
       22 Oct 2023
       
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