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       # taz.de -- Bundeskongress der IG Metall: Der Brückenstrompreis macht Freunde
       
       > Die IG Metall wird erstmals eine Frau an die Spitze wählen. Beim
       > Bundeskongress in Frankfurt hatte erst mal Wirtschaftsminister Habeck ein
       > Heimspiel.
       
   IMG Bild: Von der Buchmesse zur IG Metall: für Habeck auch gedanklich nur ein kleiner Sprung
       
       Frankfurt am Main taz | Dass ein Bundeswirtschaftsminister großen Applaus
       auf einem Gewerkschaftstag erhält, ist keine Selbstverständlichkeit, schon
       gar nicht für einen Grünen. Aber so schnell, wie Robert Habeck den Weg von
       der Friedenspreisverleihung in der Paulskirche zur Eröffnung des Kongresses
       der IG Metall in der Frankfurter Messe zurücklegte, schlug er einen Bogen
       von [1][Salman Rushdies Dankesrede] über Demokratie und Meinungsfreiheit
       zum Lob des gewerkschaftlichen Engagements.
       
       „Ich sehe es allüberall: Wo es eine betriebliche Organisation gibt, da wo
       Gewerkschaften stark sind, da hat der rechte Populismus einen schwereren
       Stand“, rief Habeck in den Tagungssaal. „Starke Gewerkschaften bedeuten
       starke Demokratien.“ Das kam gut an. Ebenso wie sein flammendes Plädoyer
       für den von der [2][IG Metall] vehement geforderten [3][Brückenstrompreis]
       für energieintensive Industrien in Deutschland.
       
       ## Metallgewerkschaft hat Rückenwind
       
       „Zeit für Zukunft“ – unter dieses Motto hat die IG Metall ihren
       Bundeskongress gestellt, den sie selbst „Gewerkschaftstag“ nennt. Seit
       diesem Sonntag und noch bis Donnerstag diskutieren 421 Delegierte über mehr
       als 530 Anträge, legen die gewerkschaftlichen Schwerpunkte für die nächsten
       vier Jahre fest und wählen eine neue Führungsspitze.
       
       „Gewerkschaftstage müssen Antworten für das Hier und Heute finden“, sagte
       der scheidende Erste Vorsitzende Jörg Hofmann zum Auftakt. „Es geht darum,
       den Pfad einer sozialen, ökologischen und demokratischen Transformation
       weiter zu festigen.“
       
       Dafür sieht sich die IG Metall gut gerüstet. Nach Mitgliederrückgängen in
       den Corona-Jahren 2020 und 2021 scheint sie sich inzwischen wieder im
       Aufwind zu befinden. So standen im vergangenen Jahr knapp 113.000 Abgängen
       durch Austritt oder Tod mehr als 117.000 Eintritte gegenüber. Insgesamt
       gehören der IG Metall rund 2,15 Millionen Mitglieder an, wovon etwa 391.000
       weiblich sind. Damit liegt der Frauenanteil bei 18,2 Prozent.
       
       ## Kaum Vielfalt im Bundesvorstand
       
       Der Anteil von Menschen ohne deutschen Pass beträgt 8,7 Prozent, wobei fast
       jedes vierte Mitglied eine Migrationsgeschichte hat. Auch wenn sich auf der
       Betriebsratsebene in den vergangenen Jahren viel bewegt hat, spiegelt sich
       das in der Führungsetage allerdings nicht wider. Der Ende September im
       Alter von 85 Jahren verstorbene Yılmaz Karahasan, der Mitte der 1990er
       Jahre als erster Migrant dem geschäftsführenden Bundesvorstand angehörte,
       wird wohl auch nach der Wahl am Montag der Einzige bleiben, der es je in
       das Spitzengremium geschafft hat.
       
       In anderer Hinsicht dürften diese Vorstandswahlen gleichwohl ein
       historisches Ereignis werden. Denn nominiert für das Amt der Ersten
       Vorsitzenden ist [4][die 55-jährige gebürtige Aachenerin Christiane
       Benner]. Mit ihr würde zum ersten Mal in der mehr als 125-jährigen
       Geschichte der IG Metall und ihrer Vorläuferorganisationen eine Frau an die
       Spitze gewählt werden.
       
       Benner steht auf dem Sprung, eine schlagkräftige Organisation zu
       übernehmen. Stolze 596,2 Millionen Euro nahm die IG Metall 2022 an
       Mitgliedsbeiträgen ein. Von den Beitragseinnahmen werden jährlich 15
       Prozent zur Finanzierung von tarifpolitischen Auseinandersetzen sowie für
       die betriebliche Altersvorsorge von Beschäftigten der IG Metall
       zurückgestellt.
       
       ## Die Streikkasse ist gut gefüllt
       
       Wie gut gefüllt die Streikkasse ist, ist ein wohl gehütetes Geheimnis. Aber
       es dürfte keine gewagte Feststellung sein, dass die 6,6 Millionen Euro, die
       zwischen 2019 und 2022 im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen ausgegeben
       wurden, sie nicht groß belastet hat. Dass die IG Metall über ein gehöriges
       finanzielles Potenzial verfügt, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass ihr
       125 – in der Regel weder kleine noch abgelegene – Immobilien in 95 Städten
       gehören.
       
       „Wir sind eine coole Truppe, wir rocken die Republik – aber nur dann, wenn
       wir geschlossen nach innen und außen mit klaren Botschaften agieren“, sagte
       Jörg Hofmann in seinem letzten Geschäftsbericht am Sonntagnachmittag.Ob das
       so sein wird, werden die kommenden Tage zeigen.
       
       22 Oct 2023
       
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