URI: 
       # taz.de -- Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege: Der Preisträger und der Hetzer
       
       > Der Arzt und Friedensnobelpreisträger von 2018 Mukwege will Kongos
       > Präsident werden. Doch seinen Wahlkampf leitet einer, der für Hetze
       > berüchtigt ist.
       
   IMG Bild: Denis Mukwege verkündet seine Kandidatur. Sein Wahlkampfleiter Didier Mumengi ist berüchtigt
       
       Berlin taz | Als Denis Mukwege 2018 den [1][Friedensnobelpreis] erhielt,
       gab es weltweit Beifall. Der mutige Frauenarzt aus Bukavu im Osten der
       Demokratischen Republik Kongo hatte Zehntausenden Überlebenden brutalster
       sexualisierter Gewalt in den Kongokriegen geholfen. Das von ihm aufgebaute
       und unter anderem mit deutscher Entwicklungshilfe finanzierte
       [2][Panzi-Krankenhaus in Bukavu mit assoziierter Stiftung] war Kongos
       wichtigste medizinische Einrichtung zur [3][Behandlung und Weiterbetreuung
       vergewaltigter Frauen]. Mukwege, lobte das Nobelpreiskomitee damals, sei
       „national und international das herausragendste Symbol des Kampfes,
       sexualisierter Gewalt in Krieg und bewaffneten Konflikten ein Ende zu
       setzen“.
       
       Fünf Jahre später ist aus dem „Mann, der die Frauen heilt“, ein Politiker
       geworden. Seit vierzig Jahren heile er geschundene Frauen, nun wolle er das
       Land heilen, [4][sagte der 68-jährige Mukwege] am 2. Oktober in Kongos
       Hauptstadt Kinshasa und erklärte seine Kandidatur zu den für den 20.
       Dezember angesetzten Präsidentschaftswahlen.
       
       Am 22. Oktober eröffnete Mukwege [5][auf einer Veranstaltung am Sitz der
       katholischen Bischofskonferenz in Kinshasa] vor Großplakaten mit der Parole
       „Mukwege Präsident, ich glaube daran“ in Kinshasa seinen Wahlkampf und
       stellte sein Team vor. „Ihr seid eine Kraft des Guten!“, rief der alte Mann
       mit etwas bemühter, brüchiger Stimme zu Applaus. In Wallung geriet die
       meist jugendliche Menge aber erst, als Mukweges frisch gekürter
       Wahlkampfleiter ans Mikrofon treten durfte: [6][Didier Mumengi, vor einem
       Vierteljahrhundert] Regierungssprecher unter dem damaligen Präsidenten
       Laurent-Désiré Kabila und in dieser Funktion berüchtigt für ethnische Hetze
       und Hass im Staatsauftrag.
       
       Mumengis unrühmlicher Ruhm geht auf August 1998 zurück, als der zweite
       Kongokrieg begann. Im ersten Kongokrieg 1996 und 1997 hatte Kabila an der
       Spitze einer Rebellenkoalition mithilfe des Nachbarlandes Ruanda und
       anderer Verbündeter wie Angola die jahrzehntelange Mobutu-Diktatur gestürzt
       und auf den Ruinen von Mobutus Staat Zaire die „Demokratische Republik
       Kongo“ ausgerufen. Im Sommer 1998 brach Kabila mit Ruanda, woraufhin seine
       Armee, kommandiert vom ruandischen Tutsi-General James Kaberebe, in den
       Aufstand trat. Die Rebellen übernahmen den Osten des Landes und versuchten
       mit einem Blitzkrieg, auch Kinshasa zu besetzen. Kabila verließ die
       Hauptstadt, um im südlichen Afrika Unterstützung anzuwerben. Sprecher
       Mumengi hielt in Kinshasa die Stellung.
       
       ## „Die letzten Zuckungen der Invasoren“
       
       Als die Tutsi-Rebellen Ende August im Begriff schienen, Kinshasa
       einzunehmen, griffen Regierungsmitglieder in der Hauptstadt zu einer
       [7][Rhetorik, die an Ruandas Völkermord an den Tutsi 1994 erinnerte]. Die
       Rebellen seien „Müll, Ungeziefer und Mikroben“, die „methodisch und
       resolut“ zu beseitigen seien, erklärte Kabilas Kabinettsdirektor Abdoulaye
       Yerodia am 27. August 1998 im Staatsrundfunk RTNC, der Informationsminister
       Mumengi unterstand.
       
       Mumengi selbst erklärte am Vortag: „An alle Jugendlichen ergeht ein
       dringender Appell, sich unter dem wachsamen Auge der kommunalen Behörden in
       Selbstverteidigungskräften zu organisieren, um die Sicherheit unserer
       Viertel und unserer Stadt Kinshasa zu gewährleisten. Der Augenblick ist
       gekommen, um den letzten Zuckungen der Invasoren endgültig ein Ende zu
       setzen; sie haben keine Alternative außer der Flucht vor der
       Entschlossenheit des kongolesischen Volkes, sich nicht länger unterjochen
       zu lassen, vor allem nicht vom kleinen Tutsi-Volk.“
       
       Diese Aussagen sind in einer Klage der belgischen Staatsanwaltschaft gegen
       Yerodia und Mumengi aus dem Jahr 2000 [8][dokumentiert], die wegen
       fehlender Zuständigkeit der belgischen Justiz folgenlos blieb. [9][In einem
       Interview] vor einigen Monaten erinnert sich Mumengi selbst an seine
       Aufrufe zur Selbstverteidigung gegen die Rebellen: „Ich sagte der
       Bevölkerung: Sie sind nicht mehr weit. Sie kommen. Gewährt ihnen keinerlei
       Gastfreundschaft. Wenn ihr könnt, fangt sie, sogar mit bloßen Händen.“
       
       Es ist auch [10][belegt], dass es nach entsprechenden Radioansprachen zu
       Lynchjustiz an Tutsi in Kinshasa kam; viele wurden totgeschlagen oder bei
       lebendigem Leibe verbrannt. Bis heute setzen viele kongolesische Tutsi nur
       mit großer Vorsicht den Fuß nach Kinshasa und meiden Stadtviertel mit
       organisierten Jugendbanden. Der [11][Kongokrieg von 1998] endete zwar 2003,
       aber Tutsi-Soldaten treten bis heute immer wieder in den Aufstand, aktuell
       in der erneut von Ruanda unterstützten Rebellenbewegung M23 (Bewegung des
       23. März), gegen die im Osten des Landes schwere Kämpfe toben.
       
       ## „Wir sind im Krieg“
       
       In Kongos laufendem Wahlkampf sowie im Kampf gegen die M23 treten erneut
       militante Jugendbanden in Erscheinung, die sich kollektiv „Wazalendo“
       (Patrioten) nennen. „[12][Patriotischer Appell“] ist auch der Name des
       zivilgesellschaftlichen Bündnisses, das Mukweges Präsidentschaftskandidatur
       trägt. Der Kandidat selbst hat in den vergangenen Jahren immer wieder
       Ruanda beschuldigt, Kongo auszuplündern. „Unsere Regierung hat unsere
       Souveränität an Ruanda verscherbelt“, behauptete er in seiner
       Kandidaturerklärung.
       
       „Ich habe eingewilligt, mit Doktor Denis Mukwege zusammenzuarbeiten, um ein
       intelligentes Team zu schaffen und die Wahlen zu gewinnen“, [13][begründete
       Mumengi seinen Wahlkampfeintritt]. Von Mukwege selbst liegt zur
       Vergangenheit seines Wahlkampfleiters keine Stellungnahme vor.
       
       Auch in der Gegenwart hält sich Mumengi nicht zurück. „Wir sind im Krieg“,
       rief er am Sonntag: „Ich habe dem Doktor gesagt: Unsere Generation hat
       nicht das Recht, euch, unseren Kindern, eine Nation im Krieg zu
       hinterlassen.“ Man müsse diesem Zustand „tiefgreifend, radikal und
       endgültig“ ein Ende setzen. Es sind dieselben Begriffe von früher, die sich
       bis heute in Aufrufen ruandischer Völkermordtäter zum Kampf gegen Ruandas
       Tutsi finden.
       
       24 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Friedensnobelpreistraeger-Denis-Mukwege/!5541796
   DIR [2] https://panzifoundation.org/de/
   DIR [3] /!1328291
   DIR [4] https://www.appelpatriotique.org/post/dr-denis-mukwege-je-d%C3%A9clare-que-je-suis-pr%C3%AAt-%C3%A0-r%C3%A9aliser-ce-projet-avec-vous
   DIR [5] https://www.youtube.com/watch?v=oUk6SV2Ut9Q
   DIR [6] /Archiv-Suche/!1215703
   DIR [7] /Archiv-Suche/!3203261/
   DIR [8] http://www.haguejusticeportal.net/Docs/Miscellaneous/Yerodia_mandat_arret_11-4-2000.pdf
   DIR [9] https://www.youtube.com/watch?v=rpUsSRbz8Jc
   DIR [10] https://www.ohchr.org/sites/default/files/Documents/Countries/CD/DRC_MAPPING_REPORT_FINAL_EN.pdf
   DIR [11] /Archiv-Suche/!1328291/
   DIR [12] https://www.appelpatriotique.org
   DIR [13] https://www.mediacongo.net/article-actualite-128573_didier_mumengi_j_ai_accepte_de_travailler_avec_le_docteur_denis_mukwege_pour_former_une_equipe_intelligente_afin_de_remporter_les_elections.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Denis Mukwege
   DIR Friedensnobelpreis
   DIR Tutsi
   DIR Völkermord Ruanda
   DIR Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Felix Tshisekedi
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Gerichtsurteil in Frankreich: Charles Onana schuldig wegen Leugnung von Ruandas Völkermord
       
       Ein Buch in Frankreich hatte den Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 als
       „Verschwörungstheorie“ bezeichnet. Nun wurden Autor und Verleger
       verurteilt.
       
   DIR Sexualisierte Gewalt im Ukrainekrieg: Hilfe aus Bukavu für die Opfer
       
       Kaum jemand hat so viel Erfahrung mit Opfern sexualisierter Kriegsgewalt
       wie Denis Mukwege. Jetzt hilft der kongolesische Arzt der Ukraine.
       
   DIR Nach den Wahlen in der DR Kongo: Tshisekedi verspricht „Fortschritt“
       
       Kongos wiedergewählter Präsident wird in Kinshasa feierlich auf seine
       zweite Amtszeit eingeschworen. Er will nun mehr für die Bevölkerung tun.
       
   DIR Kongos Wahlkampf in heißer Phase: Das Land schwitzt
       
       Präsident Tshisekedi setzt Auftritte nach Toten bei Kundgebung aus. Sorge
       vor Wahlfälschung und Gewalt nimmt zu.
       
   DIR Vor den Wahlen in der DR Kongo: EU bricht Wahlbeobachtung ab
       
       Drei Wochen vor Kongos Wahlen packen die EU-Wahlbeobachter in Kinshasa ihre
       Koffer. Grund: Sie dürfen keine Satellitentelefone benutzen.
       
   DIR Kriegsfolgen in der DR Kongo: Sieben Millionen auf der Flucht
       
       Die UN ermittelt einen Höchststand bei der Zahl der Binnenvertriebenen in
       der DR Kongo. Kämpfe im Osten sind die Hauptursache.
       
   DIR Gewalt gegen Tutsi in Kongo: So werden Warnsignale ignoriert
       
       In der Demokratischen Republik Kongo mehren sich brutale Übergriffe gegen
       Tutsi. Beobachter erinnert das an den Völkermord von 1994 in Ruanda.
       
   DIR Nobelpreisträger Denis Mukwege bedroht: UN-Schutz für Nobelpreisträger
       
       Nach regierungskritischen Tweets erhält der Gynäkologe Denis Mukwege
       Morddrohungen. Wegen Corona hatten UN-Soldaten den Kongo zuvor verlassen.
       
   DIR Friedensnobelpreis schafft neuen Mut: Wo Frauen wieder Freude lernen
       
       Claire Riziki ist vergewaltigt worden. In einer im Kongo einmaligen
       Therapieeinrichtung fasst sie neuen Mut. Ein Besuch in der „Stadt der
       Freude“.