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       # taz.de -- Kaum Pressefreiheit in Guatemala: Kriminalisierung von oben
       
       > In Guatemala wird die Presse unfreier. Laut einem Datenleak hat das
       > Verteidigungsministerium Journalist:innen als „nationales Risiko“
       > eingestuft.
       
   IMG Bild: Arbeiten vom Exil aus: Journalisten-Duo Sonny Figueroa und Marvin del Cid
       
       Die Analyse aus dem Verteidigungsministerium trägt den Titel „Bedrohungen
       und Risikofaktoren für die nationale [1][Sicherheit Guatemalas]“. Unter den
       Risikofaktoren ist auf Platz sieben „Medienkampagnen gegen die Armee“ als
       Risikofaktor nach Drogenhandel, organisierter Kriminalität oder
       Internetsicherheit aufgeführt. Es erscheinen die Gesichter von vier
       Journalisten und die Anzahl der kritischen Artikel, die sie in den Jahren
       2021 und 2022 verfasst haben.
       
       Der erste ist der derzeit inhaftierte Redaktionsleiter der mittlerweile
       aufgrund der staatlichen Schikanen [2][eingestellten kritischen
       Tageszeitung] El Periódico, José Rubén Zamora. Ihm folgt mit Sonny Figueroa
       die eine Hälfte des investigativ arbeitenden Duos hinter dem Onlinemagazin
       Vox Populi. Die anderen heißen Marvin del Cid und der letzte des unbequemen
       Quartetts Óscar Clemente Marroquín.
       
       Er ist langjähriger Redaktionsleiter der kritischen Tageszeitung La Hora
       und von den Analysten der Armee als „Risiko für die nationale Sicherheit“
       deklariert worden. Warum? Weil das Quartett hartnäckig ihren Job macht und
       Korruption, Klientelismus und Missbrauch von öffentlichen Mitteln aufdeckt.
       
       Dadurch haben sich die vier zu „Unbequemen“ gemacht, die in den
       Pressekonferenzen des noch amtierenden [3][Präsidenten Alejandro
       Giammattei] immer wieder auch persönlich angegriffen wurden.
       
       ## Viele Schikanen und Angriffe gegen Journalist:innen
       
       So wie Sonny Figueroa und Marvin del Cid, die Giammmattei abwertend als „El
       Combo“ bezeichnete. Das heißt so viel wie „Doppelpack“, ist in Guatemalas
       Imbissen eine gängige Bezeichnung für ein Essen inklusive Getränk. Den
       Begriff haben sich die beiden unbequemen Journalisten für ihren
       Youtube-Kanal zu eigen gemacht, wo sie als „El Combo“ auftreten.
       
       Dort lief auch die journalistische Aufarbeitung zu der von Hackern
       geraubten Risikoanalyse aus dem Verteidigungsministerium. Sie basiert auf
       Daten von 2021 und 2022, wurde Anfang 2023 erstellt und im Juli von den
       Armeeservern heruntergeladen.
       
       Zugespielt wurde das Dokument dem in Berlin lebenden Luis Assardo. Der
       guatemaltekische Datenjournalist hat Mitte Oktober in einem Artikel für das
       Onlineportal Medium das Material ausgewertet und an Figueroa und del Cid
       weitergegeben.
       
       Die beiden arbeiten mittlerweile aus dem mexikanischen Exil, weil die
       Situation in Guatemala zu riskant ist. Das Dokument aus dem
       Verteidigungsministerium ist dafür nur ein weiterer Beleg.
       
       Schikanen und Angriffe gegen Journalist:innen gibt es viele, wie die
       Menschenrechtsorganisation Udefegua alljährlich dokumentiert. „Die
       staatlichen Institutionen folgen den Weisungen von ganz oben – unter
       anderem vom Präsidenten“, erklärt Claudia Samayoa, Gründerin und
       langjährige Udefegua-Koordinatorin der taz.
       
       Allerdings sind es nicht nur die vier genannten Journalist:innen, die auf
       diesen Listen stehen, sondern deutlich mehr, meint Héctor Reyes.
       „Unabhängige Redaktionen und Berichterstatter:innen sind angesichts
       der massiven Proteste, die Guatemala seit rund zwei Wochen in Atem halten,
       gefährdet“, so der CalDH-Jurist. Er leitet die landesweit aktive
       juristische Hilfs- und Menschenrechtsorganisation, die mehrere indigene
       Journalist:innen erfolgreich vor Gericht vertreten hat.
       
       ## Druck auf Journalismus groß
       
       „Kriminalisierung von oben“ lautet das Kernproblem, so Reyes. Er verweist
       auf den Fall von José Rubén Zamora, Gründer und langjähriger Herausgeber
       von El Periódico, der wegen angeblicher Geldwäsche zu einer sechsjährigen
       Haftstrafe verurteilt wurde und in Revision gehen will.
       
       Doch das ist nur der prominenteste Fall. Generell sei der Druck auf
       journalistische Berufsverbände, kritische Publikationen wie Vox Populi,
       Plaza Pública oder No Ficción gestiegen, so Reyes und Samayoa. Das
       bestätigt auch Marvin del Cid, der erst im Sommer mit seinem Kollegen
       Figueroa auf Europatour war, um ein zweites Buch der beiden über die
       omnipräsente Korruption rund um den Präsidenten Alejandro Giammattei
       vorzustellen.
       
       Auf der schwarzen Liste aus dem Verteidigungsministerium standen die Namen
       der beiden jedoch schon zuvor. Sie sind damit zwei von rund zwanzig im Exil
       lebenden guatemaltekischen Journalist:innen.
       
       25 Oct 2023
       
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