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       # taz.de -- Neue IG-Metall-Chefin: Benner sagt AfD den Kampf an
       
       > Kante gegen Rechts zeigt die neue Vorsitzende der größten deutschen
       > Einzelgewerkschaft. Von der Regierung fordert sie Tempo bei der
       > Energiewende.
       
   IMG Bild: Benner: IG Metall ist offen für alle – außer für Rassisten, Faschisten und andere Reaktionäre
       
       Frankfurt am Main taz | Am Ende ihrer ersten Rede als neue Chefin der IG
       Metall muss [1][Christiane Benner] mit sich kämpfen. Als die sonst so taffe
       55-jährige Gewerkschafterin unter lautem Applaus ihre vier
       Mitvorständler:innen auf die Bühne bittet, wird kurz ihre Stimme
       brüchig. „Wir können so viel erreichen“, ruft sie sichtlich bewegt den rund
       420 Delegierten in der Frankfurter Messe zu. „Der Himmel ist weit offen!“
       
       Eine Stunde und siebzehn Minuten hatte Benner zuvor am Dienstagmorgen
       gesprochen. Ihr „Zukunftsreferat“ war ein Parforceritt durch alle Bereiche,
       die Deutschlands größte Einzelgewerkschaft beschäftigen und bewegen: von
       nachhaltiger Energie- und Industriepolitik sowie Tarifpolitik und
       betrieblicher Mitbestimmung über Digitalisierung, Mobilität und die
       Verteilung gesellschaftlichen Reichtums bis zum Kampf gegen den
       gesellschaftlichen Rechtsruck.
       
       Zunächst noch etwas steif wirkend, gewann die am Vortag [2][mit 96,4
       Prozent gewählte Benner] dabei von Minute zu Minute spürbar an
       Souveränität. „Heute führen wir landauf landab Abwehrkämpfe: gegen Abbau,
       Verlagerung, Standortschließung, Tarifflucht“, räumte sie zu Beginn ein.
       „Das ist kräftezehrend.“ Doch es hätte nicht dem Selbstbewusstsein der IG
       Metall entsprochen, wenn Benner nicht schnell von der Defensive in die
       Offensive umgeschaltet hätte. Zum Beispiel in Richtung des [3][Autobauers
       Tesla und dessen gewerkschaftsfeindlichen Chef Elon Musk.]
       
       ## „Tesla bleibt nicht tarifvertragsfrei“
       
       Unter Verweis auf den Protest von mehr als 1.000 Beschäftigten für bessere
       Arbeitsbedingungen Anfang des Monats vor dem Werk in Grünheide drohte
       Benner: „Wir lassen keine gewerkschaftsfreien Zonen zu – noch nicht mal auf
       dem Mars, Elon Musk!“ Und sie ließ keinen Zweifel am Ziel der IG Metall,
       dass Tesla nicht tarifvertragsfrei bleibt.
       
       Deutliche Worte fand die neue IG-Metall-Vorsitzende auch in Richtung der
       Ampelkoalition, von der sie mehr Einsatz zum klimafreundlichen Umbau der
       Industrie einforderte. „Wir brauchen einen aktiven Staat, der in die
       Zukunft und in die Industrie investiert – der Markt alleine richtet es eben
       nicht mehr in diesem Land“, sagte Benner, die ihre Gewerkschaft als „Teil
       der Umweltbewegung“ bezeichnete. Zum einen forderte sie von der
       Bundesregierung, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien „noch viel, viel
       schneller gehen“ müsste. Vor allem bei der Windkraft bräuchte es „das
       dreifache Tempo“.
       
       Bis endlich ausreichend nachhaltiger, günstiger Strom und grüner
       Wasserstoff zur Verfügung stehen, müsste es zum anderen einen
       subventionierten niedrigeren Strompreis für energieintensive Branchen wie
       die Stahlindustrie geben, um den notwendigen Umbau stemmen zu können. „Ohne
       diesen Brückenstrompreis laufen wir in eine Sackgasse in diesem Land“,
       warnte Benner.
       
       Außerdem warf sie der Bundesregierung vor, Kaufprämien für Elektroautos zu
       früh zu kürzen und beim Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Autos
       und Lastwagen zu trödeln. „Was sind denn das für Signale – fahren die die
       E-Mobilität bewusst gegen die Wand?“, fragte Benner. „Wir brauchen keine
       Bremser, wir brauchen Ermöglicher in den Ministerien.“
       
       ## Benner: Toxische Diskussion über Flucht und Migration
       
       Höchst befremdet zeigte sich das SPD-Mitglied Benner über die vergiftete
       gegenwärtige Diskussion über Flucht und Migration. „Abschottung ist doch
       keine Alternative“, sagte sie. Es wäre ein fataler Rückschritt, wenn wieder
       die Schlagbäume an den Grenzen aufgebaut würden. Sie wolle in einem freien,
       geeinten Europa leben und dazu gehöre auch eine humanitäre
       Flüchtlingspolitik. „Und wir sagen Nein zu Eingriffen ins Asylrecht!“, rief
       sie unter langanhaltendem Beifall.
       
       [4][In Richtung AfD] sagte Benner, diese würde den Menschen „mit plumpen
       Parolen Sicherheit versprechen“ und damit ihre demokratiefeindlichen
       Vorstellungen „unter der Tür durchschieben“. Dem stelle sich die IG Metall
       entschieden entgegen. Die Stärke der IG Metall sei ihre Vielfalt, betonte
       die Fremdsprachenkorrespondentin und Diplom-Soziologin. Dazu gehöre auch,
       dass sie eine „Einwanderungsgewerkschaft“ sei. Die IG Metall sei „offen für
       alle – außer für Rassisten, Faschisten und andere Reaktionäre“, zog Benner
       klare Kante. „Die haben bei uns nichts zu suchen!“
       
       Die Reaktionen auf die Rede fielen bemerkenswert einheitlich aus: Ihre
       erste Bewährungsprobe habe sie mit Bravour bestanden, war die einhellige
       Meinung. „So gut hat zuletzt Franz Steinkühler geredet“, sagte ein älterer
       Delegierte. Das war vor 37 Jahren.
       
       24 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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