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       # taz.de -- Entlassungen beim DuMont-Verlag: Brutal vom Hof gejagt
       
       > Der Kölner DuMont-Verlag hat ohne Vorwarnung rund 200 Angestellte seiner
       > Druckerei entlassen. Nun setzt eine Protestwelle den Verlag unter Druck.
       
   IMG Bild: Entlassene Mitarbeiter protestieren vor dem DuMont-Haus
       
       Köln taz | Für 200 Festangestellte sowie zahlreiche befristet Beschäftigte
       der hauseigenen Druckerei des [1][DuMont-Verlags] war es ein Schock: Als
       sie Anfang Oktober wie gewohnt zur Arbeit gingen, hatte jemand ihre
       Arbeitsplätze leergeräumt. Zu belichtende Druckerplatten, Beilagen oder
       Papierrollen – alles war am Feiertag zuvor mit Lkws nach Koblenz geschafft
       worden, wo fortan preisgünstiger der Kölner Stadtanzeiger, die Kölnische
       Rundschau und das Boulevardblatt Express produziert werden. Ohne jede
       Vorwarnung erfuhren sie kurz darauf auf einer Betriebsversammlung, dass sie
       gefeuert seien und das Gelände sofort zu verlassen hätten.
       
       Parallel dazu erklärten die GesellschafterInnen Isabella Neven DuMont und
       Christian DuMont Schütte in einer Pressemitteilung, keine andere
       Möglichkeit zu sehen, als den Druckstandort zu schließen: „Unabhängig von
       der unternehmerischen Entscheidung gilt unser persönliches Bedauern allen
       betroffenen Mitarbeitenden.“ Der Mitarbeiterschaft, die teilweise in der
       zweiten oder dritten Generation für das Traditionsunternehmen mit einer in
       der Domstadt Jahrhunderte zurückreichenden Geschichte tätig ist, erschienen
       diese Worte wie blanker Hohn.
       
       Laut der Gewerkschaft Verdi hatte die Belegschaft bereits jahrelang auf
       Lohnanteile verzichtet, obwohl das Druckzentrum bis jetzt rentabel war. Sie
       bemängelt weiterhin, dass geltende Gesetze gebrochen wurden, denn der
       Betriebsrat hätte von den Entlassungen verständigt werden müssen. In den
       sozialen Medien entfachte sich jedenfalls sofort ein Entrüstungssturm.
       Hunderte von Prominenten mit Wurzeln in Köln, darunter etwa Lale Akgün, die
       Band Bläck Fööss, Karl Lauterbach oder Günter Wallraff unterzeichneten
       sofort einen Solidaritätsaufruf der Gewerkschaft. Die Kölsch-Brauerei
       Reissdorf verkündete, keine Zeitungen des Unternehmens mehr in seinen
       Lokalen auszulegen, während sich die Karnevalsband Paveier sowie die
       Kölsch-Rocker von Brings ebenfalls positionierten. Vor allem empörte das
       „unwürdige“, „raubtierkapitalistische“ und „asoziale“ Vorgehen.
       
       Denn soziale Verantwortung galt bei dem Verlag immer als hohes Gut. Der
       [2][vor acht Jahren verstorbene Patriarch und Verleger Alfred Neven
       DuMont], der in der elften Generation den Medienkonzern leitete, hätte
       solch ein Verhalten niemals geduldet, heißt es nicht nur von den
       Entlassenen, die im Schnitt 57 Jahre alt sind, sondern auch von Insidern:
       „Der Verlag macht immer noch gute Gewinne und will sich immer noch einen
       sozialen Anstrich geben, aber das alles wurde jetzt über Bord geworfen. Man
       hätte die Leute miteinbeziehen müssen, mit ihnen soziale Lösungen
       entwickeln sollen.“
       
       ## „Keine Blaupause werden“
       
       Letzteres könnte jetzt doch noch passieren, wie DuMont-Betriebsrat Harald
       Hartung gerade auf einer Protestkundgebung vor der Firmenzentrale
       verkündete: „Letzten Freitag hat sich DuMont mit einem Vorschlag für einen
       Sozialplan bewegt, aber es ist noch nicht das Ergebnis, das wir brauchen.“
       Offenbar auch eine Reaktion auf die Proteste, denn Hartung wurde
       signalisiert, dass die Reaktionen einer entrüsteten Öffentlichkeit bei den
       Verantwortlichen gar nicht gut angekommen waren.
       
       Ganz unerwartet sind die aktuellen Ereignisse nicht. Der Ausverkauf des
       Medienkonzerns begann eigentlich bereits mit dem Tod von Vollblut-Verleger
       Alfred Neven DuMont. Seine Erben [3][veräußerten Tageszeitungen der Gruppe
       wie Mitteldeutsche Zeitung, Hamburger Morgenpost oder Berliner Zeitung] und
       begannen mit einer Umstrukturierung, um ein rein digitales Unternehmen zu
       schaffen. Dazu gehörte auch ein Umbau in der Firmenstruktur, sodass
       beispielsweise das Druckzentrum ein eigenes Unternehmen wurde, dessen
       Erlöse laut DuMont-Betriebsrat direkt den Gesellschafterfamilien zuflossen.
       
       Die Gewerkschaften fordern jetzt unter anderem, „die sozialen Folgen und
       finanziellen Einbußen der betroffenen Beschäftigten im Rahmen eines fairen
       Interessenausgleichs und Sozialplans vollständig auszugleichen und zu
       tragen.“ Die Vorgänge in der Rheinmetropole jedenfalls könnten
       Signalwirkung für die krisengeschüttelte Zeitungsbranche haben, mutmaßt
       Hartung: „Alle Verlage schauen jetzt auf Köln, um zu sehen, ob es gelingt,
       eine überalterte Belegschaft ohne einen Pfennig vom Hof zu jagen. Aber wir
       wollen keine Blaupause sein.“ Noch in dieser Woche gehen die Verhandlungen
       mit dem Verlag weiter.
       
       25 Oct 2023
       
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