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       # taz.de -- Zellstofffabrik in Finnland blockiert: Die Zukunft ist zerhäckselt
       
       > Aktivist:innen haben einen holzverarbeitenden Betrieb blockiert. Sie
       > sorgen sich um die einst üppigen Wälder, die dem Klima kaum noch helfen.
       
   IMG Bild: Ein ordentlicher und klimaangepasster Mischwald sieht anders aus: Holzstapel in finnischem Forst
       
       Stockholm taz | Rund 30 Greenpeace-AktivistInnen blockierten am Mittwoch
       zeitweise den Betrieb einer Ende September eröffneten neuen Zellstofffabrik
       im nordfinnischen Kemi. Die nahe der finnisch-schwedischen Grenze gelegene
       Fabrik des Metsä-Konzerns ist die größte der Nordhalbkugel. Die Befürchtung
       der DemonstrantInnen: Damit deren Produktionskapazität von jährlich 7,6
       Millionen Kubikmeter Holzrohstoff gedeckt werden kann, wird [1][die sowieso
       schon längst fehlgeleitete Forstwirtschaft in Nordschweden und
       Nordfinnland] noch weniger nachhaltig.
       
       [2][Greenpeace fordert einen Kurzwechsel]: Die holzverarbeitende Industrie
       müsse sich zum einen verpflichten, nur Rohstoffe zu verwenden, die im
       Rahmen einer nachhaltigen Forstwirtschaft gewonnen wurden. Also vor allem
       nicht aus noch relativ unberührten Wäldern, nicht [3][unter Verletzung der
       Rechte indigener Völker], nicht aus Kahlschlägen.
       
       Zum anderen müsse auch der Bedarf von Holzrohstoff für Wegwerfprodukte wie
       Kartons und Einwegverpackungen reduziert, Holz stattdessen für haltbarere
       und langlebigere Produkte verwendet werden. Nur so könne einer [4][weiteren
       Verarmung der Artenvielfalt] entgegengewirkt werden und der Wald seine für
       das Klima zentrale Rolle als Kohlendioxidsenke erfüllen.
       
       Denn das tun die Wälder sogar in einem so waldreichen Land wie Finnland, in
       dem drei Viertel der Landfläche südlich des Polarkreises bewaldet sind,
       mittlerweile nicht mehr. Wälder sind nur dann Klimagassenken, wenn sie mehr
       CO2 binden, als gleichzeitig durch Abholzung und verminderten Zuwachs
       verschwindet. Das Ziel, bis 2035 „klimaneutral“ zu werden, wollte Helsinki
       beispielsweise dadurch erreichen, dass es für seine jetzigen Emissionen von
       jährlich rund 50 Millionen Tonnen CO2 rund 20 Millionen Tonnen aus den
       Klimagassenken gegenrechnet. Nur der Rest sollte „echte“ Reduktion sein.
       
       ## Quelle statt Senke
       
       [5][2021 war aber erstmals seit Beginn der statistischen Erfassung vor drei
       Jahrzehnten nichts mehr für die Gegenrechnung übrig]. Statt zur Entlastung
       der Klimagasbilanz beizutragen, war aus dem Wald eine zusätzliche Quelle
       bei der Freisetzung von Kohlendioxid in die Erdatmosphäre geworden.
       Verantwortlich dafür war neben einem um 9 Prozent gestiegenen Holzeinschlag
       ein gleichzeitig um 4 Prozent geringerer Neuzuwachs.
       
       Auch aus Schweden kommen alarmierende Zahlen. Laut offizieller Statistik
       hat sich die Forstnutzung hier zwar noch nicht zu einer zusätzlichen
       CO2-Quelle entwickelt, aber die [6][Nettoeinlagerung von Kohlendioxid
       schrumpfte zuletzt auch hier] in nur einem Jahr um fast 20 Prozent. Es gebe
       eigentlich nur eine Konsequenz, meint David Erlandsson von der schwedischen
       Naturschutzvereinigung: Das Abholzungstempo müsse radikal zurückgefahren
       werden.
       
       Doch dazu bedürfte es Anreizen für die Waldbesitzer, Wald nicht abzuholzen,
       sondern weiter wachsen zu lassen und damit der Entwicklung
       entgegenzuwirken, dass aus den Klimagassenken zusätzliche CO2-Quellen
       werden, meinte Finnlands bis zum Sommer regierende Koalition unter
       Ministerpräsidentin Sanna Marin. Das Klimaministerium prüfte verschiedene
       Konzepte, wie man über ein Entschädigungssystem die natürliche
       Klimagasspeicherung des Waldes wieder aufbauen könnte.
       
       ## Kein klimaneutraler CO2-Ausstoß
       
       Neben der Zellstoffbranche hatte man dabei vor allem die Industrie im
       Blick, die aus Holzbiomasse Strom und Wärme gewinnt. Eine Nutzungsart, bei
       der in wenigen Sekunden das über Jahrzehnte im Holz gelagerte Kohlendioxid
       in die Atmosphäre freigesetzt wird. Für das diese Industrie sich aber
       anders als bei der Verbrennung fossiler Energieträger die Kosten für
       Emissionszertifikate sparen kann – sie gilt als „CO2-neutral“. Dabei seien
       „im Hinblick auf das Klima alle Formen von Kohlendioxidausstoß schädlich“,
       sagt Jyrki Raitila vom finnischen Technikforschungsinstitut VTT: „Es spielt
       keine Rolle, ob Biomasse oder fossile Brennstoffe verbrannt werden.“
       
       In einer VTT-Studie wurde ein theoretisches Modell für einen von der
       holzverarbeitenden Industrie zu zahlenden und am Emissionsrechtehandel
       orientierten Preis für die von ihr verursachten CO2-Emissionen entwickelt,
       mit dem dann wiederum die Waldbesitzer für die Kohlenstoffbindung
       entsprechend entschädigt werden könnten.
       
       Das Ergebnis: Schon bei einer Kompensation, die von einem Kohlendioxidpreis
       von 40 Euro pro Tonne CO2 ausgeht – derzeitiger Emissionsrechtekurs ca 80
       Euro –, würden diese mit einem Abholzverzicht jedenfalls keinen Verlust
       machen. Jeder höhere Preis wäre ein Gewinn für sie, würde den Anreiz also
       steigern. Die [7][Kohlenstoffsenken würden wieder zunehmen] und die
       Entwicklung grüner Technologien profitabler werden. Der Haken: Die
       holzverarbeitende Industrie wäre nicht mehr wettbewerbsfähig.
       
       26 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Waelder-werden-Netto-CO2-Produzenten/!5880047
   DIR [2] https://sogo.taz.de/SOGo/so/wolff/Mail/0/folderINBOX/6501/2/Greenpeace%20Presseerkl%C3%A4rung%20vom%2025.10.23.pdf
   DIR [3] /Ausstellung-zu-Kolonialismus-in-Nordeuropa/!5942423
   DIR [4] /Folgen-der-Klimakrise/!5939588
   DIR [5] /Waelder-werden-Netto-CO2-Produzenten/!5880047
   DIR [6] https://www.naturvardsverket.se/om-oss/aktuellt/nyheter-och-pressmeddelanden/nettoinlagringen-av-koldioxid-i-vaxande-trad-minskar-kraftigt/
   DIR [7] /Klimaforscherin-ueber-Kipppunkte/!5904202
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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