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       # taz.de -- Verschärfung für Geflüchtete: Grundrechte abgeschoben
       
       > Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf für schärfere Abschieberegeln
       > beschlossen. Dieser greift in Grundrechte Geflüchteter ein, kritisiert
       > Pro Asyl.
       
   IMG Bild: Abschiebeflug: Die Polizei ist immer mit dabei
       
       Berlin taz | Die Bundesregierung hat weitreichende [1][Verschärfungen bei
       Abschiebungen] beschlossen. „Wir sorgen dafür, dass Menschen ohne
       Bleiberecht schneller unser Land verlassen müssen“, sagte Innnenministerin
       Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch nach der Kabinettssitzung. Das sei
       „notwendig, damit wir weiterhin unserer humanitären Verantwortung für die
       Menschen gerecht werden können, die wir vor Krieg und Terror schützen
       müssen – wie die 1,1 Millionen Geflüchteten aus der Ukraine.“
       
       [2][Der Regierungsentwurf] nennt mehrere Grundrechte, die dafür
       eingeschränkt werden sollen: die Freiheit der Person, das
       Fernmeldegeheimnis und die Unantastbarkeit der Wohnung. So soll die
       Sicherungshaft, etwa bei Fluchtgefahr, von drei auf sechs Monate ausweitet
       werden. Der Ausreisegewahrsam unmittelbar vor der Abschiebung, für den
       keine Fluchtgefahr vorliegen muss, soll von zehn auf bis zu 28 Tage
       verlängert werden. Datenträger wie etwa Mobiltelefone sollen in deutlich
       größerem Umfang ausgelesen werden dürfen als bisher.
       
       Die Polizei soll mehr Befugnisse zum Durchsuchen von Wohnungen
       Abzuschiebender, aber auch weiterer Bewohner*innen von
       Flüchtlingsunterkünften bekommen. Abschiebungen sollen auch bei Menschen,
       die seit über einem Jahr geduldet sind, nicht mehr angekündigt werden
       müssen – es sei denn, sie haben Kinder unter 12 Jahren. Falsche Angaben im
       Asylverfahren sollen strafbar werden. Auch die Ausweisung von
       Schleuser*innen oder Mitgliedern krimineller Vereinigungen soll
       erleichtert werden – bei Letzteren soll künftig keine gerichtliche
       Verurteilung mehr notwendig sein.
       
       Schon in diesem Jahr habe man die Zahl der Abschiebungen um 27 Prozent
       gesteigert, erklärte Faeser. Es gebe aber immer noch „erheblichen
       Handlungsbedarf.“ Mit dem Gesetzentwurf gehe man auch auf die Forderungen
       der Länder und Kommunen ein. Hessens Innenminister Peter Beuth erklärte am
       Mittwoch gar, die eingebrachten Regelungen seien „der Bundesinnenministerin
       von der Länderebene diktiert“ worden. Ebenso wie die Unionsfraktion im
       Bundestag erklärte er, die Beschlüsse dürften nun „nicht verwässert“
       werden.
       
       ## Grüne Minister*innen im Boot
       
       Die grüne Migrationsexpertin Filiz Polat hatte am Dienstag erklärt, im
       parlamentarischen Verfahren „verfassungs- und europarechtlichen Bedenken
       thematisieren“ zu wollen. Der Entwurf enthalte Regelungen, „die
       unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte“ darstellten und „zu recht
       auf einhellige Ablehnung von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und
       zivilgesellschaftlichen Organisationen“ stießen.
       
       Es gebe viele Gründe dafür, warum abgelehnte Asylsuchende nicht abgeschoben
       würden: „Manche sind geduldet, weil sie sich in einer Ausbildung befinden,
       andere, weil sie nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben werden können, wie
       zum Beispiel Geflüchtete aus dem Iran. Ein Großteil von ihnen sind Kinder.“
       Ende August hielten sich in Deutschland rund 260.000 Ausreisepflichtige
       auf. Nicht alle davon sind abgelehnte Asylsuchende, und mit 80 Prozent
       verfügt ein Großteil von ihnen über eine Duldung.
       
       Eine „Rückführungsoffensive“ hatte die Ampel bereits im Koalitionsvertrag
       vereinbart. Entsprechend reagierte Faeser nun auf Kritik am
       Gesetzesvorhaben: Es hätten ja auch grüne Minister*innen mit am
       Kabinettstisch gesessen und den Entwurf mit beschlossen, so Faeser.
       
       Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte, die Regelungen würden
       zwar nicht zu nennenswert mehr Abschiebungen führen, aber zu „noch mehr
       Härte und Verletzungen der Grundrechte“. [3][Schon jetzt sei jede zweite
       Abschiebehaft rechtswidrig]. „Die Bundesregierung opfert mit dem
       Abschiebungsgesetz die Grundrechte der Betroffenen dem aktuellen
       rechtspopulistischen Diskurs“, kritisierte Pro Asyl.
       
       Faeser selbst weiß offenbar auch, dass die Verschärfungen vor allem ein
       politisches Signal sind: Laut Gesetzentwurf geht ihr Haus davon aus, dass
       man durch diese Regelungen im Jahr etwa 600 Menschen zusätzlich abschieben
       werde. „Für ein so kleines Ziel so schwerwiegende Grundrechtseingriffe
       hinzunehmen, ist wirklich bitter“, hatte der taz im Vorfeld die
       [4][Migrationsrechtlerin Gisela Seidler vom Deutschen Anwaltverein gesagt].
       
       25 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gesetzentwurf-von-Innenministerin-Faeser/!5962720
   DIR [2] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2023/10/rueckfuehrungsverbesserungsgesetz.html
   DIR [3] /Faesers-Plaene-fuer-Abschiebungen/!5948242
   DIR [4] /Juristin-ueber-Migrationspolitik/!5965380
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dinah Riese
       
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