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       # taz.de -- Expertin über Übergriffe beim Oktoberfest: „Die Täter findet man leicht“
       
       > Lisa Löffler leitet den „Safe Space“ für Frauen* auf der Wiesn. Warum es
       > sie nicht beunruhigt, dass mehr sexuelle Übergriffe angezeigt wurden.
       
   IMG Bild: Nach der Wiesn ist vor der Wiesn im Hofbräuzelt
       
       taz: Frau Löffler, dieses Jahr wurden auf der [1][Wiesn] 25 Prozent mehr
       Sexualstraftaten angezeigt als letztes Jahr. Es soll zu sechs
       Vergewaltigungen gekommen sein. Die Polizei führt den Anstieg auf eine
       höhere Bereitschaft zurück, Anzeige zu erstatten. Teilen Sie diese
       Einschätzung? 
       
       Löffler: Wir gehen nicht davon aus, dass es früher weniger Gewalt gegen
       Frauen auf der Wiesn gab. Viel wahrscheinlicher ist, dass Angebote wie der
       „Safe Space“ oder die [2][#MeToo-Bewegung] Frauen dazu ermutigen, Anzeige
       zu erstatten. Es gibt ein erhöhtes Bewusstsein dafür, dass ein Übergriff
       Unrecht ist. Früher gab es wesentlich mehr Victim-Blaming, gerade wenn
       jemand betrunken war. Natürlich ist das immer noch ein Problem und wir
       würden uns von noch mehr Wiesn-Besucher:innen wünschen, bei Nötigung oder
       Upskirting einzuschreiten. So etwas als „Kavaliersdelikt“ zu
       bagatellisieren, geht einfach nicht. Wir haben auch einen Anstieg an
       Verdachtsfällen von [3][K.-o.-Tropfen] registriert.
       
       In Ihrer Abschlussbilanz schreiben Sie, dass in diesem Jahr die
       Verabreichung von K.-o.-Tropfen drei Prozent statt wie in den Vorjahren ein
       Prozent Ihrer Klientinnen betrafen. 
       
       Genau. Auf der Wiesn direkt können wir allerdings nicht testen. Aber unsere
       Berufserfahrung ermöglicht dennoch sehr zuverlässige Einschätzungen. Für
       die betroffenen Frauen ist vor allem der Gedächtnisverlust schlimm. Wir
       versuchen deshalb mit Ihnen – auch im Gespräch mit ihren Freund:innen –
       das Geschehene so gut wie möglich nachzukonstruieren.
       
       Welche Angebote für Frauen gibt es im „Safe Space“? 
       
       Jede Frau bekommt eine individuelle Beratung. Wir versuchen zum Beispiel
       für einen sicheren Heimweg zu sorgen und bei Jugendlichen mit den Eltern in
       Kontakt zu treten, damit sie abgeholt werden. Leute, die noch nie auf der
       Wiesn waren, können sich nur schlecht vorstellen, wie es da zugeht. Gerade
       für junge Mädchen ist es einfach ein wahnsinniges Gedränge.
       
       Was für Hilfe haben Frauen bei der diesjährigen Wiesn in Anspruch geommen? 
       
       Wir hatten im „Safe Space“ ungefähr 310 Klientinnen mit völlig
       unterschiedlichen Anliegen. Darunter waren Frauen, die ihre Handtasche,
       ihren Geldbeutel oder das Handy verloren haben. Aber auch solche, die von
       Partnerschafts- oder sexualisierter Gewalt betroffen sind oder psychische
       Krisen erleben.
       
       Wie sieht das bei Frauen aus, die Gewalt erfahren? 
       
       Bei Frauen, die von Partnerschafts- oder von sexualisierter Gewalt
       betroffen sind, beraten wir sehr individuell. Wir gestalten das mit Blick
       auf eine mögliche Anzeige ergebnisoffen – weder dafür noch dagegen. Aber
       die Wahrscheinlichkeit, den Täter zu finden, ist auf dem Wiesn sehr hoch.
       Es ist ja alles videoüberwacht. Wir bieten Frauen auch an, mit ihnen
       gemeinsam zur Polizei zu gehen oder sie für die Spurensicherung in die
       Klinik zu begleiten.
       
       Mit Ihrer Initiative schaffen Sie ein Hilfsangebot für Frauen. Wie wichtig
       ist es auf der anderen Seite, Männer für Konsens zu sensibilisieren? 
       
       Ich finde das enorm wichtig. Wir werben auch an Münchner Schulen für
       Zivilcourage bei Übergriffen. Diese Jugendlichen haben auch schon öfter
       Frauen in Not zu uns gebracht, weil sie uns kannten. Wir ermutigen, nicht
       nur bei sexualisierter Gewalt einzuschreiten, sondern hilflos wirkende
       Personen schon vorher anzusprechen. Denn diese befinden sich in einer
       besonderen Gefahrensituation, wenn sie nicht nach Hause finden oder ihre
       Gruppe verloren haben.
       
       Was ist Ihre Bilanz nach 20 Jahren „Sichere Wiesn“? 
       
       Insgesamt bin ich zufrieden, wie es läuft. Wir wären aber natürlich froh,
       wenn es uns nicht brauchen würde. Eine Kollegin meinte neulich, eine Frau
       sollte alleine, nackt und betrunken auf der Wiesn – und natürlich auch
       überall sonst – herumlaufen können, ohne dem Risiko für einen Übergriff
       ausgesetzt zu sein. Da sind wir leider noch lange nicht.
       
       10 Oct 2023
       
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