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       # taz.de -- Vorgeschichte des Angriffs auf Israel: Wie Gaza zu Gaza wurde
       
       > Der Küstenstreifen und Israel haben eine wechselvolle Geschichte. Von
       > weitgehend friedlichem Grenzverkehr in den Achtzigern zu Terror und
       > Blockade.
       
   IMG Bild: Zeit der Besatzung: Israelische Soldaten durchsuchen palästinensiche Jugendliche 1993 in Gaza-Satdt
       
       Ein Autounfall, bei dem vier Palästinenser zu Tode kamen, gab im Dezember
       1987 den Anstoß zur [1][Ersten Intifada]. Der Ort des Unglücks war nicht
       weit vom Grenzübergang Erez entfernt. Irgendwann baute das israelische
       Militär dort eine Schranke auf, mehr nicht. SoldatInnen prüften Papiere.
       Wer über die entsprechende Genehmigung verfügte, konnte sogar mit dem Auto
       ein- und ausreisen. Zigtausende palästinensische Männer fuhren täglich zur
       Arbeit nach Israel, in die naheliegenden Kibbuzim, nach Sderot, Aschkelon
       und Tel Aviv.
       
       Viele Palästinenser fanden Arbeit in den Siedlungen, bauten Häuser,
       pflanzten und ernteten Gemüse. Umgekehrt kamen Israelis zum Einkaufen. Die
       überwiegend friedliche Koexistenz funktionierte, auch wenn der Unmut der
       PalästinenserInnen über die Besatzung groß war. Die Intifada belastete zwar
       das Zusammenleben der beiden Völker im Gazastreifen, doch der Widerstand
       der Steinewerfer zielte in erster Linie auf das israelische Militär.
       
       Die [2][Osloer Prinzipienerklärung], die Israel und die Palästinensische
       Befreiungsorganisation (PLO) im September 1993 unterzeichneten, trieb die
       Abkopplung Israels vom Gazastreifen entscheidend voran. Gaza sollte
       unabhängiger werden. Sogar der Bau eines Flughafens war vorgesehen. Im
       Dezember 1998 kam es schließlich im Beisein des damaligen US-Präsidenten
       Bill Clinton zur feierlichen Eröffnung des Gaza International Airport.
       Schon im November war von dort aus eine erste Maschine gestartet. Viel mehr
       sollten es nicht werden.
       
       Entlang der israelischen Grenze begann der Bau von Trennanlagen, die über
       die Jahre immer massiver wurden. Palästinensische Arbeiter verbringen, wenn
       sie überhaupt noch einreisen dürfen, Stunden: an den Kontrollen auf
       palästinensischer Seite, dann in dem rund einen Kilometer langen Weg durch
       eine Art Betonschlauch und schließlich auf israelischer Seite an den
       Sicherheitsanlagen und -prozeduren. Terroristen fernzuhalten war die
       Hoffnung in Israel. Das führte dazu, dass sich der Terror, der mit Beginn
       der Zweiten Intifada im Herbst 2000 massiv zunahm, verstärkt gegen die
       SiedlerInnen im Gazastreifen richtete.
       
       ## Ein hoher Blutzoll für die Siedlungen
       
       Der hohe Blutzoll unter den Sicherheitskräften, die die Siedlungen bewachen
       mussten, war schließlich zentraler Grund für den früheren
       Ministerpräsidenten Ariel Scharon, die Siedlungen im August 2005 aufzulösen
       und die Besatzung in Gaza zu beenden. Trotz vehementer Proteste der eigenen
       nationalreligiösen Landsleute.
       
       Wohnhäuser wurden von der Armee zerstört, Gewächshäuser ließ man stehen,
       nachdem Privatleute aus den USA rund 15 Millionen Dollar Spenden gesammelt
       hatten, um sie Israel abzukaufen. James Wolfensohn, damals Weltbank-Chef,
       gab eine halbe Million aus eigener Tasche dazu, damit den PalästinenerInnen
       diese Wirtschaftsquelle erhalten bliebe. Innerhalb von Tagen waren die
       Gewächshäuser allerdings von Plünderern so zugerichtet worden, dass sich
       niemand die Mühe machte, sie wiederaufzubauen.
       
       Kaum sechs Monate nach dem Abzug der Israelis bescherten die
       PalästinenserInnen der Hamas den Wahlsieg. Die Fatah im Westjordanland
       ignorierte das Ergebnis, für den Gazastreifen war es fatal. Israel und
       Hamas boykottieren einander, was vor allem den Grenzverkehr enorm
       erschwert. Die Einnahmen aus Arbeit in Israel blieben über viele Jahre
       nahezu komplett aus. Israel unterband infolge von Terror den Export
       palästinensischer Güter.
       
       Dazu kam, dass die Hamas den Menschen in Gaza hohe Steuern abverlangt. Die
       als hermetisch geltenden Trennanlagen führten die Hamas erneut zur
       veränderten Strategie. Weil Terroristen nicht mehr nach Israel kamen und
       die SiedlerInnen abgezogen waren, konzentrierte man sich fortan auf
       Raketen- und Tunnelbau. Die Kibbuzim und die Ortschaften im Umfeld vom
       Gazastreifen wurden zur neuen Front.
       
       Jede militärische Konfrontation verschärfte das Elend. Seit Jahren
       funktionieren die Kläranlagen nicht, das Abwasser aus hunderttausenden
       Haushalten fließt ungefiltert ins Mittelmeer. Strom gibt es nur sporadisch,
       Treibstoff, Medikamente und Nahrungsmittel müssen aus Israel eingekauft
       werden. Infolge der Hamas-Angriffe hat Israel die Lieferungen eingestellt,
       [3][von denen 2,3 Millionen Menschen abhängen].
       
       14 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Im-zweiten-Jahr-der-Intifada/!1808233/
   DIR [2] /30-Jahre-Osloer-Abkommen/!5954918
   DIR [3] /Unter-israelischer-Belagerung/!5962725
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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