URI: 
       # taz.de -- Russland umgeht Wirtschaftssanktionen: Die Holzfrage
       
       > Trotz internationaler Sanktionen exportiert Russland weiter Holz in die
       > EU. Angeblich kommt das Holz aus Zentralasien – dort gibt es aber kaum
       > Wald.
       
   IMG Bild: Export auf Umwegen? Holz wird auf einem Fluss in Sibiren im Sommer 2023 geflößt
       
       Almaty taz | Das Verbot des Holzimportes aus Russland und Belarus in die EU
       war eine der ersten Antworten auf den von Russland entfesselten Krieg gegen
       die Ukraine. Man nahm an, dass diesen beiden Staaten dadurch
       Milliardenverluste entstehen würden. Aber der Plan ging nicht auf.
       
       Journalisten aus Belarus, Litauen und vom [1][Organized Crime and
       Corruption Reporting Project] (Projekt zur Erfassung und Veröffentlichung
       von organisierter Kriminalität und Korruption, OCCRP; ein nichtstaatliches
       Journalisten-Netzwerk; Anm. d. Red.) haben herausgefunden, dass russische
       und belarussische Holzlieferanten seit Juni 2022 die EU-Sanktionen umgehen
       können. Offenbar werden dazu Unterlagen benutzt, aus denen hervorgeht, dass
       das Holz aus Kasachstan bzw. Kirgisistan stammt.
       
       Im Jahr 2022 stiegen die Rohstoffeinfuhren aus den beiden
       zentralasiatischen Republiken auf umgerechnet 30 Millionen Euro, während es
       2020 und 2021 nur 445.000 Euro waren. Nach der Einführung der Sanktionen
       stieg der Verkauf von Holzprodukten aus Kasachstan in die EU um fast das
       137-fache und aus Kirgisistan um das 12-fache. Und das, obwohl weniger als
       6 Prozent der Fläche Kasachstans und Kirgisistans bewaldet sind und die
       Staaten den Holzexport offiziell begrenzen.
       
       ## Wenn Holz die Staatsbürgerschaft wechselt
       
       Auch die Methoden, mit denen Holz seine „Staatsbürgerschaft“ wechselt,
       wurden aufgedeckt. Der Rohstoff muss zu diesem Zweck nicht einmal Russland
       oder Belarus verlassen. In Kasachstan und Kirgisistan registrierte
       Unternehmen schicken ihren Lieferanten einfach Pakete mit Dokumenten über
       den Ursprung der Waren und Exportpapiere.
       
       Als Antwort auf die journalistische Recherche erklärten kasachische Beamte,
       dass 2022 kein Holz exportiert wurde, da ein offizielles Verbot für den
       Export von Rohstoffen aus Kasachstan bestehe.
       
       Doch es gab eine Panne: Nach Angaben des Nationalen Statistikamtes lieferte
       das Land in diesem Zeitraum Holz für 62,5 Millionen Dollar in die
       Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) und für 16,5 Millionen Dollar in
       die übrige Welt, darunter für 8,6 Millionen Dollar in die EU.
       
       ## Furnierholz russischer Herkunft
       
       Bereits im August 2023 räumte die Europäische Kommission ein, dass große
       Mengen von Furnierholz russischer Herkunft in EU-Staaten gelangt sein
       könnten. Gleichzeitig stellten die Beamten fest, dass die Importe unter dem
       üblichen Preisniveau erfolgen. In diesem Zusammenhang leitete die
       Kommission Untersuchungen gegen Kasachstan und die Türkei ein.
       
       Das kasachische Handelsministerium erklärte daraufhin seine Bereitschaft
       zur Zusammenarbeit und forderte die kasachischen Lieferanten auf, der
       Europäischen Kommission alle angeforderten Informationen zu übermitteln. In
       derselben Erklärung wurde davor gewarnt, dass die Nichtbeteiligung an
       dieser Untersuchung zur Anwendung eines Antidumpingzolls von 15,8 % auf
       Birkensperrholzlieferungen aus Kasachstan führen könnte.
       
       Es ist klar, dass Kirgisistan und Kasachstan nicht das Volumen der
       Holzexporte aus Belarus und Russland in die EU abdecken, die sich vor
       Einführung der Sanktionen auf mehrere Milliarden Dollar beliefen.
       
       Die Untersuchung der Europäischen Kommission über die Lieferung von Holz
       zweifelhafter Herkunft unter dem allgemeinen Preisniveau begann jedoch erst
       anderthalb Jahre nach Verhängung der Sanktionen. Ganz offensichtlich ist in
       Europa der Bedarf an diesem Holz groß.
       
       Tja, hier greift dann das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Wir können
       also davon ausgehen, dass russische und belarussische Unternehmer weiterhin
       nach Möglichkeiten suchen werden, die Sanktionen zu umgehen.
       
       Aus dem Russischen [2][Gaby Coldewey] 
       
       Finanziert wird das Projekt von der [3][taz Panter Stiftung]. 
       
       Ein Sammelband ist im Verlag [4][edition.fotoTAPETA] erschienen.
       
       14 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.occrp.org/en
   DIR [2] /Gaby-Coldewey/!a23976/
   DIR [3] /!vn5941022/
   DIR [4] https://www.edition-fototapeta.eu/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nikita Danilin
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Krieg und Frieden
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Kirgistan
   DIR Zentralasien
   DIR Sanktionen
   DIR Export
   DIR Kasachstan
   DIR Wirtschaftssanktionen
   DIR Russland
   DIR Holzindustrie
   DIR Außenhandel
   DIR Ukraine
   DIR Kolumne Krieg und Frieden
   DIR Automobilbranche
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Krieg in der Ukraine: Schwere Kämpfe rund um Awdijiwka
       
       Russische Soldaten versuchen, die Industriestadt zu umzingeln. Auch in
       anderen Gegenden der Ostukraine wird das ukrainische Militär verstärkt
       angegriffen.
       
   DIR Russland und westliche Sanktionen: Parallelimporte für die Wirtschaft
       
       Seit 2022 wurden zahlreiche Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt.
       Mit Hilfe von Drittländern kann Russland trotzdem benötigte Güter
       importieren.
       
   DIR Wirtschaftssanktionen gegen Russland: Der Rubel rollt nicht
       
       Die Sanktionen gegen Russland haben die Wirtschaft zwar nicht zu Boden
       gebracht, aber angeschlagen. Nun orientiert sich das Regime in Richtung
       Osten.
       
   DIR Wie Mikrochips nach Russland gelangen: Waschmaschinen auf Abwegen
       
       Braucht Kasachstan tatsächlich so viele Waschmaschinen? Die taz hat
       Handelsströme in Europa ausgewertet. Und dabei Lücken in den Sanktionen
       entdeckt.