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       # taz.de -- Krieg in Nahost: Pekings doppeltes Spiel
       
       > China will zwischen Israel und Palästinensern vermitteln und schickt
       > einen Sondergesandten. Neutral ist die Volksrepublik aber mitnichten.
       
   IMG Bild: Wirft Israel vor, über „Selbstverteidigung“ hinauszugehen: Chinas Außenminister Wang Yi
       
       Peking taz | Nun soll es also Zhai Jun richten: Der langgediente Diplomat
       kündigte am Sonntag im chinesischen Staatsfernsehen an, als Pekings
       Sondergesandter in den Nahen Osten zu reisen. Er will dort für einen
       Waffenstillstand und Friedensgespräche zwischen Israel und den
       Palästinensern werben.
       
       Bislang hatte sich China nur äußerst zurückhaltend zum Krieg in Israel
       geäußert. Zwar verurteilte die Regierung in Peking die Gewalt auf beiden
       Seiten, kritisierte jedoch nie namentlich den Terror der Hamas. Umso
       schwerwiegender wirkt nun die Stellungnahme von Außenminister Wang Yi vom
       Sonntag, in der er ganz direkt Israel für die „kollektive Bestrafung“ der
       Zivilbevölkerung [1][im Gazastreifen] anprangert. Die Maßnahmen Israels
       würden zudem über eine reine „Selbstverteidigung“ hinausgehen.
       
       Damit zerschlägt die Volksrepublik im Westen erneut diplomatisches
       Porzellan. Tuvia Gering etwa, führender China-Experte in Israel, nannte die
       Aussagen von Wang einen „weiteren Messerstich in den Rücken Israels“.
       
       Wie bereits Russlands Krieg gegen die Ukraine bringt auch [2][der Krieg in
       Nahost] das Reich der Mitte in ein strategisches Dilemma. Denn Pekings
       Außenpolitik ist von Eigeninteressen getrieben, die überaus widersprüchlich
       sind: Einerseits ist Peking mit einem jährlichen Handelsvolumen von nahezu
       25 Milliarden Dollar mittlerweile Israels wichtigster Handelspartner,
       Tendenz stark steigend. Auch als Investor spielt man eine zunehmend
       wichtige Rolle: Zuletzt hatten etwa chinesische Staatsunternehmen im Hafen
       von Haifa ein Containerterminal errichtet.
       
       ## Historisch an der Seite der Palästinenser
       
       Historisch gesehen hat sich die Volksrepublik hingegen seit ihrer Gründung
       stets für die Anliegen der Palästinenser eingesetzt. Die Solidarität
       beruhte auf der kommunistischen Doktrin, sämtliche Befreiungsbewegungen der
       unterdrückten Völker im Globalen Süden zu unterstützen, egal wie militant
       diese auftraten. Der Schulterschluss ging damals so weit, dass Führer Mao
       Zedong offen die Zerstörung Israels forderte.
       
       Von dieser Radikalität ist heute wenig übrig: Pekings aktueller Machthaber
       Xi Jinping spricht sich mittlerweile für eine Zwei-Staaten-Lösung aus, die
       auf den historischen Grenzen von 1967 beruht. Unlängst erst hatte sich
       Peking offensiv als potenzieller Vermittler ins Spiel gebracht. Denn seit
       man die Normalisierung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran eingefädelt
       hatte, wird die Volksrepublik als diplomatisches Schwergewicht in der
       Region wahrgenommen. Dabei geht es den Chinesen auch darum, sich als
       Alternative zur westlichen Weltordnung zu inszenieren.
       
       Doch dieser Ansatz legt moralische Widersprüche offen: Während sich China
       nach wie vor weigert, den Hamas-Terror zu verurteilen, reagierte man auf
       die heimischen Terroranschläge der muslimischen Uiguren der 2010er Jahre
       mit beispielloser Härte: Hunderttausende Mitglieder der muslimischen
       Minderheit wurden in politische Umerziehungslager gesteckt.
       
       Vor der eigenen Bevölkerung hilft der riesige Zensurapparat, diese
       Scheinheiligkeit zu übertünchen. Die Staatszeitungen kritisieren beim Krieg
       in Israel vor allem die USA als Provokateur, in sozialen Medien werden fast
       nur die zivilen Opfer der israelischen Luftangriffe gezeigt. Auf
       Plattformen wie Weibo ballt sich wüster Antisemitismus.
       
       15 Oct 2023
       
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