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       # taz.de -- Nahost-Konflikt in Berlin: Nicht im Sinne des Schulfriedens
       
       > Das Kufiya-Verbot schafft ein Klima der Angst, sagen Beratungsstellen.
       > Lehrer*innen agierten einseitig, Schüler*innen würden unter Druck
       > gesetzt.
       
   IMG Bild: Pali-Solidarität oder schon Hamas-Unterstützung? Schüler*innen sind verunsichert
       
       Berlin taz | Das „Kufiya-Schreiben“ der Bildungsverwaltung, laut dem
       Schulen das Pali-Tuch und andere Symbole verbieten dürfen, hat zu mehr
       antimuslimischem Rassismus und Antisemitismus an Schulen geführt. Das sagen
       Beratungs- und Antidiskriminierungsangebote. Es meldeten sich auffällig
       mehr Schüler*innen, „die rassistisch und/oder antisemitisch auch durch
       pädagogische Fachkräfte diskriminiert und vom Schulpersonal nicht geschützt
       und adäquat begleitet werden“, heißt es in einem offenen Brief.
       
       Dieser wurde am Dienstag von ReachOut und weiteren Initiativen wie der
       Anlauf- und Fachstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen und Kitas in
       Friedrichshain-Kreuzberg (AuF) an Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch
       geschickt.
       
       Die Bildungsverwaltung hatte Mitte Oktober Hinweise zum „Umgang mit
       Störungen des Schulfriedens im Zusammenhang mit dem Terrorangriff auf
       Israel“ an die Schulen geschickt. Darin wurde erklärt, man könne
       Meinungsäußerungen verbieten, die „den Schulfrieden gefährden“ – die Kufiya
       wurde als Beispiel genannt.
       
       ## Angriffe und Bedrohungen
       
       Nach Ansicht der Autor*innen des offenen Briefes tragen diese Hinweise
       jedoch selbst zur Störung des Schulfriedens bei. Sanchita Basu von ReachOut
       erzählt der taz etwa das Beispiel eines Lehrers, der einem Schüler
       „gewaltsam“ seine Jacke in Palästina-Farben ausgezogen habe, nachdem dieser
       sich weigerte, sie auszuziehen. Die Eltern seien geschockt in die Beratung
       gekommen, ReachOut suche nun das Gespräch mit Schulleiung und -aufsicht.
       „Dass Lehrer*innen sich politisch auf eine Seite stellen und
       Schüler*innen entsprechend bewerten, anstatt das Thema pädadogisch zu
       behandeln, ist eine neue Dimension“, sagt Basu.
       
       In einem anderen Fall sei eine* Schüler*in vom Lehrer aufgefordert
       worden, sich für eine Kette mit Palästina-Symbol zu rechtfertigen. „Der
       Lehrer wollte auch wissen, wie die Eltern zum Konflikt stehen“, so Basu.
       [1][Natürlich solle der Konflikt in der Schule thematisiert werden], stellt
       sie klar – aber eben nicht politisch wertend. „Wenn Kinder derart
       bloßgestellt und eingeschüchtert werden, ist das eine psychische
       Bedrohung“, so Basu. Mit pädagogischen Grundsätzen sei das nicht zu
       vereinbaren.
       
       Auch Olenka Bordo Benavides von AuF macht sich Sorgen, dass in Schulen ein
       zunehmendes Klima der Angst entsteht. Bei ihr hätten die Anrufe von Eltern
       und Schüler*innen seit dem Brief der Verwaltung „sehr stark zugenommen“.
       Sie berichtet von einem Fall, wo Schüler*innen darüber sprechen wollten,
       wie sie ihre jüdisch-palästinensische Freundschaft bewahren und gegenseitig
       solidarisch sein könnten. Von Lehrkräften sei dies jedoch mit dem Hinweis
       abgebügelt worden, die Palästinenser hätten ja angefangen, mit ihnen könne
       man nicht solidarisch sein.
       
       „Schulen sollten Orte sein, an denen Schüler*innen sich mit ihren
       Identitäten, Lebensrealitäten und Gefühlen wiederfinden können“, sagt Bordo
       Benavides. Wenn sie stattdessen in ihrer Identität angegriffen würden,
       könne dies langfristige Folgen für die Entwicklung haben – zumal
       Lehrer*innen ja Erziehungspersonen seien, mit einem großen Einfluss auf
       Kinder.
       
       ## Erst verbieten, dann reden
       
       Günther-Wünsch hat das Schreiben am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“ erneut
       verteidigt. Das „Kufiya-Verbot“ sei kein pauschales Verbot, so die
       CDU-Politikerin. „Es ging darum, dass wir diese Symbole in Verbindung mit
       der Verherrlichung der Terrortaten an den Schulen ausschließen.“ Die
       Verbote dienten dazu, den Schulfrieden zu bewahren, „um dann danach mit den
       Schülerinnen und Schülern ins Gespräch zu kommen“.
       
       Die beiden Beraterinnen haben nicht den Eindruck, dass es an den Schulen
       darum geht, ins Gespräch zu kommen. Sie bekämen deutlich mehr Anrufe
       verunsicherter Eltern, die nicht wüssten, wie sich ihr Kind in der Schule
       verhalten soll – [2][aus Angst, dass schon die Bekundung von Solidarität
       mit der Zivilbevölkerung in Gaza als Hamas-Unterstützung gewertet] wird.
       „Das ist eine ganz neue Fragestellung“, sagt Basu. Bordo Benavides ergänzt:
       „Der Brief der Senatsverwaltung hat viele Ängste ausgelöst.“
       
       1 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
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