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       # taz.de -- Neuer Beatles-Song: Hoffentlich wird niemand gebissen
       
       > Peter Jackson hat einen neuen Beatles-Song gefunden. Natürlich kommt die
       > Idee von ihm, immerhin ist der Regisseur bekannt für seine Horrorfilme.
       
   IMG Bild: Sind Untote im Spiel, gibt es kein gutes Ende. Szene aus Peter Jacksons Film „Braindead“
       
       Mehr als 54 Jahre ist es inzwischen her, dass alle vier Beatles sich
       gemeinsam in einem Aufnahmestudio befunden haben. Mit John Lennons Tod 1980
       war die Tür zu einer Reunion endgültig verschlossen.
       
       Mitte der 1990er Jahre jedoch versilberten die Überlebenden mit der
       dreiteiligen „Anthology“ noch die letzten Testaufnahmen und
       Konzertmitschnitte. Außerdem wurden alte Solo-Demoaufnahmen aus Lennons
       Nachlass auf ihre Verwertbarkeit hin überprüft. Zwei „neue“ Songs der
       „Beatles“ kamen dabei heraus.
       
       Wenigstens war das weitere Material, das die Lennon-Witwe Yoko Ono den
       Rest-Beatles, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr, übergeben
       hatte, von so schlechter Tonqualität, dass das „Anthology“-Experiment die
       endgültige Beerdigung der Legende hätte sein können. George Harrison hatte
       dennoch zu mindestens einem weiteren Songfragment ein paar Gitarrenspuren
       aufgenommen.
       
       Trotz der insgesamt geringen Ansprüche der sich selbst parodierenden
       musikalischen Resterampe konnte das aber nicht mehr zur Verkaufsreife
       produziert werden. Bis jetzt. Mit dem Regisseur Peter Jackson tritt ein
       Spezialist für die Exhumierung von Verstorbenen auf den Plan.
       
       Besonders bemerkenswert aus Jacksons Frühwerk ist die [1][Komödie
       „Braindead“ (1992)], in der aus ihrer Kellerhaltung ausbrechende Zombies
       eine ansonsten ganz friedliche Nachbarschaft in Wellington terrorisieren.
       Im Prinzip macht Jackson diesen Film seitdem immer und immer wieder, nur
       jedes Mal mit mehr Geld und zunehmend ausufernder computergestützter
       Ausstattung. Ob „King Kong“ oder „Herr der Ringe“, immer kommt irgendetwas
       aus gutem Grund in ein tiefes Verlies Weggesperrtes an die Oberfläche und
       macht dort dann alles kaputt. Jetzt also die Beatles.
       
       Mithilfe modernster Rechentechnik gelang es Jackson nun, eine weitere
       Gesangsspur von den Homedemos John Lennons zu isolieren und die
       Störgeräusche zu entfernen: Seit Donnerstag ist „[2][now and then“ auf
       Youtube] zu hören. Am Freitag soll das Video von Jackson dazu erscheinen.
       Zusammen mit den Gitarrensounds des 2001 verstorbenen Harrison ergibt das
       alles schon eine halbe Zombieapokalypse. In den Promo-O-Tönen schwärmt
       Ringo Starr mit schleppender Aussprache, dass es beinahe so gewesen wäre
       wie damals mit John Lennon im Studio. Hoffentlich wurde niemand gebissen.
       Paul McCartney verspricht derweil, dass das nun aber wirklich die letzte
       Beatles-Aufnahme sein würde. So aber kann nur ein Mann ohne Vision
       sprechen.
       
       ABBA schließlich macht mit dem Voyage-Spektakel in London vor, wie eine
       Gruppe von Menschen die Unsterblichkeit ihrer Musik mit dem Trugbild der
       eigenen körperlichen Jugend verwechselt und auf diese Weise ihr Stückchen
       Ewigkeit gegen ein jämmerliches Puppentheater austauschen kann.
       
       ## Eine Welt voller holografischer Beatles-Avatare
       
       So fällt es leider nur zu leicht, sich eine Welt vorzustellen, in der
       holografische Beatles-Avatare täglich mehrere Auftritte im nachgebauten
       Cavern Club in Liverpool absolvieren. Ein leistungsfähiges statistisches
       Modell errechnet ständig neue Songs im Beatles-Sound, mindestens ein Album
       im Monat. Ach, wer hätte je gedacht, dass der schlimmste Alptraum der sein
       würde, in dem John Lennon ewig singt.
       
       Die selbstbewusst gewordene KI wird die Welt nicht in einem nuklearen
       Inferno vernichten. Nein, sie wird die Menschheit damit foltern, jede
       kreative Regung, jeden schöpferischen Akt in abertausenden Iterationen zu
       wiederholen, zu variieren und zu perfektionieren, bis das immer Gleiche
       immer pseudo-neu den Rhythmus vorgibt, der im Gleichschritt der Erlösung
       zustrebt. Imagine!
       
       2 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Das-ist-nicht-lustig/!1604341/
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       ## AUTOREN
       
   DIR Daniél Kretschmar
       
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