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       # taz.de -- Schwester der Hamas-Geisel Yarden Roman: „Wir sind verzweifelt“
       
       > Seit drei Wochen ist die Deutsch-Israelin Yarden Roman Geisel der Hamas.
       > Hier redet ihre Schwester über die Entführung und die Angst der Familie.
       
   IMG Bild: Yarden Roman mit ihrer Tochter Geffen auf einem Foto aus dem Jahr 2021
       
       Bei dem Hamas-Terrorüberfall am 7. Oktober auf Israel sind nach
       israelischen Armeeangaben mindestens 242 Geiseln in den Gazastreifen
       verschleppt worden. Das deutsche Außenministerium geht von einer niedrigen
       zweistelligen Zahl an Entführten mit auch deutscher Staatsangehörigkeit
       aus, darunter die Deutsch-Israelin Yarden Roman. Ihre Schwester berichtet: 
       
       „Das letzte Mal, dass ich meine Schwester Yarden gesehen habe, war am 5.
       Oktober in Südafrika. Wir waren mit der ganzen Familie zusammen im Urlaub
       und hatten eine tolle Zeit. Haben auf Campingplätzen übernachtet, am Strand
       gespielt oder Tiere angeguckt. Nach drei Wochen sind mein Bruder Gili,
       meine Schwester Yarden mit ihrem Ehemann Alon und ihrer Tochter Geffen
       zurück nach Israel. Die drei wollten bei Alons Eltern im Kibbuz Be’eri in
       der Nähe der Grenze zum Gazastreifen das Sukkoth-Fest feiern. Mein Vater
       und ich sind in Südafrika geblieben. Wir haben uns also verabschiedet, ganz
       normal, wir dachten ja, dass wir uns bald wiedersehen.
       
       Als sie am Freitag, den 6. Oktober, in Israel landeten, waren mein Vater
       und ich gerade auf einer Farm ohne Handyempfang. Am Samstagmorgen ging mein
       Vater zur Rezeption, um im WLAN seine Nachrichten zu checken. Yarden hatte
       geschrieben, dass sie im Bunker waren, weil im Süden Israels Sirenen
       losgegangen waren. Wir machten uns zu dem Zeitpunkt keine großen Sorgen.
       Sirenen sind Teil des Alltags. Welches Ausmaß das Ganze hatte, lernten wir
       später, als ich noch einmal zur Rezeption ging. [1][Nachrichten fluteten
       mein Handy.] Mein Vater und ich saßen da, während eine Horrornachricht nach
       der anderen aufploppte. Aber von Yarden hörten wir nichts mehr – und da
       bekamen wir das Gefühl, dass hier irgendwas gar nicht stimmt.
       
       ## 36. Geburtstag in Gefangenschaft
       
       In Südafrika bleiben war für meinen Vater und mich keine Option mehr, wir
       machten uns also auf den Weg ans andere Ende des Landes, um einen Flug
       zurück nach Israel zu erwischen. Unterwegs hörten wir, dass bewaffnete
       Terroristen das Kibbuz gestürmt und 50 Geiseln in den Speisesaal getrieben
       hatten. Wir sind dann einfach davon ausgegangen, dass Yarden und ihre
       Familie auch darunter waren.
       
       Doch die drei wurden von den Terroristen aus dem Haus in ein Auto gesetzt,
       das in Richtung Gaza losfuhr. Kurz vor der Grenze waren sie so mutig und
       sind aus dem fahrenden Auto gesprungen. Meine Schwester hatte Geffen auf
       dem Arm und rannte los. Die Terroristen kamen sofort hinterher und begannen
       zu schießen. Yarden gab ihr Kind ihrem Mann in den Arm, einfach weil er
       schneller rennen konnte, und versteckte sich hinter einem Baum, mit den
       Armen als Schutz über dem Kopf. Und so hat Alon das letzte Mal seine
       Ehefrau gesehen.
       
       Yarden wurde von den Terroristen geschnappt, während Alon und Geffen es
       schafften, sich zu verstecken. Stundenlang harrten die beiden in ihrem
       Versteck aus. Das muss man sich einmal vor Augen führen, wie die beiden im
       Schlafanzug, ohne Schuhe, ohne Essen und Trinken sich versteckten, bis es
       dunkel wurde. Und meine dreijährige Nichte war die ganze Zeit still, weil
       sie verstanden hatte, hier geht es um Leben oder Tod. Als es stockdunkel
       war, sind sie langsam und vorsichtig zum Kibbuz gelaufen. Und dort zum
       Glück sicher angekommen.
       
       Aber das ist der letzte Moment, dass irgendjemand meine Schwester Yarden
       gesehen hat, seitdem ist sie wohl Geisel der Hamas und musste sogar ihren
       36. Geburtstag in Gefangenschaft verbringen. Wir als Familie sind nach
       wenigen Tagen nach Deutschland geflogen. Unsere Großeltern stammen aus
       Deutschland, genauer gesagt aus Fürth, weswegen wir auch einen deutschen
       Pass haben. Als wir in Berlin angekommen waren, wurden wir sehr warm
       empfangen und hatten das Gefühl, dass sich wirklich jeder verpflichtet
       fühlte, uns zu helfen. Doch jetzt sind 26 Tage vergangen. 26 Tage, seitdem
       niemand mehr etwas von Yarden gehört hat. Wir sind verzweifelt.
       
       Mittlerweile sind wir wieder in Israel, aber wir halten es hier nicht aus,
       einfach rumzusitzen und zu warten, dass irgendetwas passiert. Deswegen
       werden wir bald zurück nach Berlin fliegen und gemeinsam mit den Familien
       der anderen deutschstämmigen Geiseln Druck auf die Regierung aufbauen. Es
       ist eine Frage der Menschlichkeit, dass unschuldige Zivilisten in einem
       Krieg nicht zum Spielball werden. Deutschland muss alles tun, um sie sicher
       zurückzuholen.
       
       Ich habe noch immer große Hoffnung, dass Yarden zu uns zurückkommt. Sie ist
       eine der ehrlichsten und ausgeglichensten Personen, die ich kenne. Sie ist
       die Art von Mensch, die ihre Zeit darauf verwendet, anderen zu helfen. Aber
       selbst wenn nicht. Es könnte hier um jede Schwester gehen; dass Yarden eine
       Geisel ist, ist vollkommen willkürlich. Je länger sie weg ist, desto mehr
       stellt sich die Frage, in welcher Verfassung sie zu uns zurückkommt. Klar
       ist, dass es schnell gehen muss.
       
       Alon und ihre Tochter Geffen sind seitdem in psychologischer Betreuung,
       aber niemand weiß so richtig, was man sagen soll. Es ist einfach noch nie
       passiert, dass über 240 Zivilisten aus ihren Häusern entführt und von
       einer Terrororganisation gefangen gehalten wurden. Was sagt man zu einem
       Kind, dass das mit ansehen musste? Was sagt man zu einem Kind, dessen
       Mutter das Schlimmste durchleben muss?
       
       Mir ist wichtig, dass jede Person weiß, dass sie uns helfen kann. All
       diejenigen, die politisch Druck ausüben können. All diejenigen, die
       finanzielle Beziehungen zu [2][Katar] haben, das gute Kontakte zur Hamas
       pflegt. Doch auch all diejenigen, die einfach unsere Geschichte erzählen
       können. Es ist für uns [3][Angehörige so schwer, diese Gespräche mit der
       Presse zu führen], aber es ist das, was wir tun müssen, damit unsere
       Geschichte erzählt wird.
       
       Denn auch jetzt schon kursieren [4][Fake News]. Und klar gibt es Dinge,
       über die man politisch diskutieren kann. Doch dass Yarden in Gefangenschaft
       ist, hat nichts mit dem Israel-Palästina-Konflikt zu tun. Alle Geiseln sind
       unschuldige Menschen, sie wollen kein Teil eines Kampfes sein, sondern
       einfach ihr Leben leben und ihre Liebsten in den Arm nehmen. Wenn sie alle
       frei sind, dann können wir anfangen, politisch zu reden.“ – Roni Roman, 25
       Jahre alt
       
       Protokoll: Carolina Schwarz
       
       2 Nov 2023
       
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