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       # taz.de -- Junge Menschen und die CDU: Können Konservative träumen?
       
       > Die CDU ist pragmatisch und will Altes wahren. Oder? Ein Gespräch mit
       > Anna Kreye von der CDU Sachsen-Anhalt über Zukunftsängste von jungen
       > Menschen.
       
   IMG Bild: Sieht Konservatismus als die „Spitze des Fortschritt“: Anna Kreye von der CDU Sachsen-Anhalt
       
       taz: Frau Kreye, haben Sie Angst vor der Zukunft? 
       
       Anna Kreye: Als Angst würde ich es nicht betiteln. Vielleicht leichte
       Bauchschmerzen. Zum Beispiel, wenn ich daran denke, dass die AfD so stark
       war in den Landtagswahlen. Die AfD ist eine Partei, die Hass schürt. Ich
       habe Sorge, dass er gesellschaftlich weiter zunimmt. Mit ihm verschließen
       sich die Menschen und sind weniger kompromissbereit. So wäre kein
       Fortschritt in Sicht.
       
       Bei den Wahlen in Bayern und Hessen haben viele junge Menschen ihre Stimme
       der AfD gegeben. Ähnlich war das 2021 in Sachsen-Anhalt. Die AfD wurde bei
       den Wahlen stärkste Kraft bei den Unter-30-Jährigen. Was sind Gründe dafür? 
       
       Das kann ich nicht sicher beantworten. Die Wahlen in Hessen und Bayern
       zeigen aber, dass es nicht mehr nur ein Ost-Phänomen ist.
       
       Wir leben in einer Zeit voller Umbrüche. Jugendforscher [1][Klaus
       Hurrelmann meint, dass diese Umbrüche zu Zukunftsängsten beitragen]. Wie
       geht die CDU als Volkspartei diese Ängste an? 
       
       Zukunftsängste sind ernst zu nehmen. Im Umgang mit ihnen ist es wichtig,
       das direkte Gespräch mit den Menschen zu suchen. Wir müssen ehrlich
       kommunizieren, was möglich ist. Keine falschen Versprechen, sondern eine
       sachorientierte Politik. Eine Politik, die erst mal von der
       Eigenverantwortung ausgeht, aber an den nötigen Stellen Hilfe leistet. Als
       CDU muss es uns noch besser gelingen, auch zwischen den Wahlen zu
       signalisieren: Bei Redebedarf hören wir euch zu und nehmen eure Probleme
       ernst.
       
       Friedrich Merz oder verschiedene CSU-Politiker verfallen regelmäßig in
       populistische Aussagen. Wie gefährlich ist das? 
       
       Das Schlimmste, was ein Politiker – egal welcher Partei – tun kann, ist
       lügen oder einfach irgendwelche Parolen raushauen. Auch wenn das einfacher
       ist.
       
       In Thüringen ist die AfD besonders stark. Mit Blick auf die Wahlen im
       nächsten Jahr: Ist dort und in anderen ostdeutschen Bundesländern die
       Brandmauer utopisch geworden? 
       
       Erst mal mag ich den [2][Begriff Brandmauer nicht], damit kann ich wenig
       anfangen. Es gibt den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, dass es keine
       politische Zusammenarbeit mit der AfD und der Linken gibt. Mit Blick auf
       die Werte der CDU halten wir daran fest.
       
       Das heißt dann womöglich: nicht regieren. 
       
       Genau, und auch eine Minderheitsregierung unter Tolerierung dieser beiden
       Parteien lehne ich ab. Mit der CDU darf es das nicht geben!
       
       Glauben Sie, das gilt für die gesamte CDU? 
       
       Das hoffe ich doch. Wenn nicht, ist das nicht meine Partei.
       
       Junge Wähler*innen muss man anders ansprechen. Wie gelingt das der CDU? 
       
       Ja, die Ansprache muss definitiv anders sein. Ich gehe aktiv auf Leute im
       vorpolitischen Raum zu. Ich bin neben der Jungen Union auch im Sportverein
       aktiv. Ich fahre Rennrad. Und natürlich ist die Präsenz etwa auf Instagram
       und Tiktok wichtig.
       
       Für die CSU läuft es gut auf Tiktok, die CDU hat kaum Follower. Auch die
       AfD ist stark in den sozialen Medien. Welche Strategien diskutiert die
       Junge Union zum Umgang mit Social Media? 
       
       Mittlerweile finden viele Sitzungen hybrid statt, es gibt viele digitale
       Diskussionsformate. Das spricht auch junge Mitglieder an, die etwa gerade
       ein Auslandssemester absolvieren und am Deutschlandtag oder einer
       Vorstandssitzung der Jungen Union teilnehmen wollen.
       
       Konservatismus heißt auch Erhalt des Status quo, aber wir leben in einer
       bewegten Zeit. Können Konservative utopisch denken? 
       
       Kommt darauf an, was man unter Utopie versteht. Geht es darum, groß und
       anders zu denken, dann auf jeden Fall. Wenn es aber bedeutet, alles über
       Bord zu werfen, dann nicht. Jemand Konservatives will nicht von jetzt auf
       gleich ein ganz anderes System, wenn das Bestehende gut funktioniert.
       Konservativ zu sein heißt für mich abwägen: Was kann man Gutes beibehalten,
       was kann man Schlechtes verbessern? Konservatismus ist nicht zurückgewandt,
       sondern bedeutet Fortschritt. Meinetwegen auch die Spitze des Fortschritts,
       mit einer Politik ohne falsche Versprechungen. Mit Blick auf die vor uns
       stehenden Herausforderungen ist das wichtig.
       
       Welche Vorstellungen für eine bessere Zukunft der Krisenbewältigung kann
       die CDU jungen Wähler*innen bieten? Wie will die CDU die großen Krisen
       bewältigen? 
       
       Die CDU ist eine Partei, die ein starkes Europa, den Fachkräftemangel und
       den Klimawandel fest im Blick hat. Aktuell schreibt die CDU an einem
       Grundsatzprogramm, das ein Stück des Kompasses sein wird, um die Krisen
       unserer Zeit zu bewältigen. Ich bin gespannt, was da letztlich rauskommt.
       
       Viele junge Menschen bewegt die Angst vor oder das Erleben von Armut. Wie
       will die CDU damit umgehen? 
       
       Wichtig ist, die Menschen, die wollen, in Arbeit zu bekommen. Und der
       Arbeitende muss mehr bekommen als der Arbeitslose. Das bedeutet,
       Arbeitsbedingungen zu verbessern und für faire Löhne zu sorgen. Unser
       Sozialsystem funktioniert. Niemand, der nicht möchte, muss auf der Straße
       leben.
       
       Was ist mit den über 35.000 Menschen, die aktuell in Deutschland auf der
       Straße leben? 
       
       Eigentlich sieht das Sozialsystem Begleitung und Beratung vor. Aber die
       Kommunen sind überlastet. Deshalb braucht es mehr direkte Anlaufstellen,
       und es gilt, bürokratische Hürden abzubauen.
       
       Sie sehen den Fachkräftemangel als großes Problem unserer Zeit. Wie geht
       die CDU es an? 
       
       Tausende Ausbildungsplätze bleiben in Deutschland jährlich unbesetzt. Ein
       Problem ist die Kommunikation. Immer mehr Leute beginnen ein Studium, ohne
       die Alternativen zu kennen. Als erster Ansatz könnte duale Ausbildung
       besser kommuniziert werden. Zudem dürfen Ausbildungen nicht teurer sein als
       ein Studium. Und Angebote, ins Ausland zu gehen, könnten die Ausbildung
       attraktiver machen. Zeitgleich müssen wir qualifizierte Fachkräfte aus dem
       Ausland schnell zum Arbeiten kriegen und integrieren.
       
       Wenn Sie persönlich in die Zukunft, etwa ins Jahr 2050, blicken, was sehen
       Sie dann? 
       
       Es sind große Herausforderung, vor denen Sachsen-Anhalt, vor denen
       Deutschland, vor denen Europa steht. Die Europäische Union ist vielen
       Krisen ausgesetzt. Ich hoffe, 2050 existiert sie noch und ist viel
       handlungsfähiger geworden. Allein als Deutschland werden wir gegen
       Großmächte wie Russland, die USA und China nicht bestehen können.
       
       Sie sagten, auch die Klimakrise bereitet Ihnen Sorgen. 
       
       Hoffentlich ist bis 2050 die Frage geklärt, wie wir erneuerbare Energien
       effizient speichern können. Damit Solaranlagen oder Windkraftwerke nicht
       abgestellt werden müssen, weil die Produktionskapazitäten voll sind.
       
       Wobei [3][bis 2045 Deutschland sowieso längst klimaneutral] sein sollte. 
       
       Das hoffe ich auch. Und ich hoffe, dass bis 2050 jeder Zugang zum
       öffentlichen Verkehrsnetz hat.
       
       26 Oct 2023
       
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