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       # taz.de -- Regierungserklärung von Kanzler Scholz: „Antisemitismus ist fehl am Platze“
       
       > Der Bundeskanzler kündigt ein härteres Vorgehen gegen Versammlungen mit
       > erwartbar antisemitischen Parolen an. Es brauche nun eine klare Kante.
       
   IMG Bild: „Klare Kante“ gegen Antisemitismus: Kanzler Olaf Scholz bei seiner Regierungserklärung am Donnerstag
       
       Berlin taz | Sie saßen am Donnerstag auf der Besuchertribüne des
       Bundestags: Angehörige der von der Hamas verschleppten Geiseln. Unter den
       199 Menschen, die die Hamas am 7. Oktober entführt hat, sind auch ein gutes
       Dutzend Menschen mit deutschem Pass. Olaf Scholz hatte bei seiner Reise
       nach Israel am Dienstag auch mit ihren Angehörigen in Tel Aviv gesprochen,
       Gespräche, die ihn „tief berührt und immer noch nicht losgelassen haben“,
       wie Scholz am Donnerstag bei seiner Regierungserklärung im Deutschen
       Bundestag sagte. Die verschleppten Geiseln „müssen ohne Vorbedingen
       freigelassen werden“, wiederholte er. „Wir setzen uns für ihre Befreiung
       ein.“
       
       Darüber hat Scholz während und vor seiner zweitägigen [1][Reise nach
       Israel] und Ägypten auch mit dem ägyptischen Staatschef, mit dem
       jordanischen König und dem Emir von Katar gesprochen. Details sind nicht
       bekannt.
       
       Scholz betonte am Donnerstag im Bundestag aber auch, dass man sich sehr
       dafür einsetze, den Bewohner:innen des Gaza-Streifens humanitäre Hilfe
       zukommen zu lassen. „Denn sie sind genauso Opfer und Geiseln der Hamas.“ Es
       sei deshalb ganz wichtig, Wege zu finden, humanitäre Hilfe zu leisten. „Ich
       habe den Eindruck, das könnte jetzt gelingen.“ Tatsächlich dürfen erste
       Hilfslieferungen nun von Ägypten aus den Grenzübergang nach Gaza passieren.
       
       Der Bundeskanzler machte aber auch deutlich, dass jetzt klare Kante gegen
       Antisemitismus angezeigt sei. „Antisemitismus ist in Deutschland fehl am
       Platze“. Der Versammlungsbehörden müssten klar sein und dürften keine
       Versammlungen zulassen, auf denen antisemitische oder gewaltverherrlichende
       Parolen zu befürchten seien.
       
       Beim Treffen des Europäischen Rats, das Scholz Ende Oktober besucht und vor
       dem er traditionell eine Regierungserklärung abgibt, werde auch darüber
       beraten, wie die EU Israel weiter unterstützt.
       
       ## Scholz spricht sich für verstärkte Abschiebungen aus
       
       Der Bundeskanzler kündigte auch weitere militärische Hilfe für die Ukraine
       an. Man werde ein Winterpaket schnüren, mit einer zusätzlichen
       Patriot-Batterie, neuen Iris-T und Gepard-Panzern und Munition. Man werde
       während der Haushaltsverhandlungen auch darüber diskutieren, wie die
       finanzielle Hilfe für die [2][Ukraine] aufrechterhalten werden kann.
       
       Ein weiteres großes Thema beim Treffen der europäischen Staatschef:innen
       wird auch die Begrenzung der sogenannten irregulären Migration sein. Scholz
       nutzte die Gelegenheit, seiner Innenministerin Nancy Faeser den Rücken zu
       stärken. Diese hatte als hessische Spitzenkandidatin einen Misserfolg bei
       der Wahl.
       
       Laut Scholz sei es Faeser durch vehementen Einsatz gelungen, endlich einen
       Konsens in Europa für die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
       (GEAS) zu finden. GEAS setzt auf eine fairere Verteilung von Geflüchteten
       innerhalb der EU und eine stärkere Abschottung nach außen. Es muss noch vom
       EU-Parlament, vom Rat und der Kommission gebilligt werden.
       
       Scholz hält den verstärkten Schutz der deutschen Grenzen für notwendig. Zu
       den Dingen, die sich die Bundesregierung fest vorgenommen habe, gehörten
       schnellere Asylverfahren, sprich verstärkte Abschiebungen. Scholz lobte das
       vom Innenministerium erarbeitete Rückführungspaket, das noch in diesem Jahr
       vom Bundestag beschlossen werden soll. „Es wird es leichter machen,
       Abschiebungen durchzuführen.“
       
       ## Merz will eine Antwort auf seine Forderungen
       
       Das Wichtigste seien aber die Migrationsabkommen, die gerade mit sechs
       Staaten verhandelt werden. Die sollen garantieren, dass Staaten abgelehnte
       Asylbewerber:innen zurücknehmen. Im Gegenzug bietet Deutschland legale
       Wege für die Einwanderung von Arbeitskräften an.
       
       Beim Thema Migration sieht Scholz eine neue Gemeinsamkeit zwischen
       Regierung und Opposition sowie zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. „Diese
       Aufgabe muss gelöst werden und man kann sie lösen.“ Er lobte das Treffen
       mit Unionsfraktionschef Friedrich Merz und den Ministerpräsidenten von
       Hessen und Nordrhein-Westfalen, Boris Rhein und Hendrik Wüst, beide CDU, am
       vergangenen Freitag. „Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass wir da an
       einem Strang ziehen.“
       
       Ob das gelingt, wird das Treffen zwischen den
       Ministerpräsident:innen und dem Kanzler am 6. November zeigen. Die
       Länder hatten eine Reihe von Forderungen an den Bund gerichtet, auch
       Unionsfraktionschef Merz hatte dem Kanzler zum Abschluss seines Gesprächs
       im Kanzleramt einen Katalog mit [3][Forderungen] überreicht.
       
       Merz kritisierte, dass er darauf noch keine Antwort erhalten habe.
       Gleichzeitig sagte er, seine Fraktion stehe bereit, Fragen gemeinsam mit
       der Regierung zu beantworten und Kompromisse einzugehen. „Den größeren Weg
       müssen aber sie gehen“, so Merz an die Ampelfraktionen. Diese trügen die
       Verantwortung für die steigenden Flüchtlingszahlen und dafür, dass die
       Kommunen an der Überforderungsgrenze oder darüber seien.
       
       Auch Merz verlangte ein entschiedenes Einschreiten gegen Antisemitismus und
       Israel-Feindlichkeit in Deutschland. Judenhass und Zerstörungswut gegen
       Israel dürften keinen Platz in haben. „Dann ist jetzt ein hartes
       Durchgreifen der Polizei und der Justiz angezeigt“.
       
       Rückendeckung bekam Merz von ungewohnter Seite, nämlich von den Grünen.
       „Mit Erschrecken und Entsetzen sehen wir alle die Situation in
       Deutschland“, sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann. Sie habe
       sich nicht vorstellen können, dass es zu so gravierenden Anfeindungen,
       Angriffen und Brandanschlägen komme. „Es braucht ein entschiedenes Handeln,
       das steht fest“, so Haßelmann.
       
       Aktualisiert am 19.10.2023 um 12:25 Uhr. d. R.
       
       19 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Scholz-erlebt-Raketenangriff-auf-Israel/!5967404
   DIR [2] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
   DIR [3] https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1256648.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Lehmann
       
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