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       # taz.de -- Reisen auf dem Land- und Wasserweg: Mein Vater soll mich verstehen
       
       > Wer Flugscham ernst nimmt, muss mit Konsequenzen rechnen. Wie der
       > Forscher Gianluca Grimalda, der deswegen seinen Job verlor.
       
   IMG Bild: Der Verhaltensökonom Gianluca Grimalda reist derzeit mit einem Transportschiff
       
       Der Wissenschaftler Gianluca Grimalda, 51, will nicht mehr fliegen – fürs
       Klima. Weil er deshalb [1][nicht rechtzeitig von einer Forschungsreise in
       Papua Neuguinea zurückkam, feuerte ihn das Kieler Institut für
       Weltwirtschaft] (IfW). Die taz begleitet ihn auf seiner Reise per Schiff,
       Bus und Bahn zurück. 
       
       Gerade befinde ich mich auf einem Transportschiff im Hafen von Rabaul, auf
       der Insel Ost-Neubritannien im Pazifik. In den nächsten acht Wochen werde
       ich über Indonesien, China und den Iran nach Deutschland zurückkehren.
       Meine kleine Kabine an Bord teile ich mit einem Matrosen. Nachts werde ich
       von schmerzhaften Insektenbissen geweckt. Trotz meiner Kortisoncreme dauert
       es 15 bis 20 Minuten, bis die Schmerzen nachlassen und ich langsam wieder
       schlafen kann.
       
       Am härtesten hat es meinen Vater getroffen. Als er aus den Nachrichten
       erfuhr, [2][dass ich wohl meinen Job verlieren werde], hat er zehnmal
       versucht mich anzurufen. Als ich zurückgerufen habe, weinte er. Er hat sich
       geschämt, dass mein Institut mich entlässt und darüber auch noch in den
       Nachrichten berichtet wird. „Du bringst mich noch um“, hat er mir gesagt.
       
       Ich bewundere meinen Vater. Er ist 82 Jahre alt und lebt mit meiner Mutter
       auf 50 Quadratmetern in Mailand. Er hat sein Leben lang am Band gearbeitet
       und mich immer unterstützt. Dass er sich für mich schämte, tat weh.
       
       ## „Ich bin wie du“
       
       Nachdem das IfW mir offiziell gekündigt hat, haben wir lange gesprochen.
       Ich habe versucht, ihm zu erklären, warum ich nicht mehr fliegen kann. Auch
       nicht für die Arbeit. Dass mir die [3][Waldbrände, Hitzewellen und
       Überschwemmungen, die wir diesen Sommer erlebt haben], Sorgen machen. Und
       dass sich die Wissenschaft einig ist, dass wir unsere Abhängigkeit von
       Kohle, Öl und Gas überwinden müssen, um ein stabiles Klima zu erhalten.
       
       Mein Vater hasst Ungerechtigkeit. Als er vier Jahre alt war, nach dem
       Zweiten Weltkrieg, musste er mit seiner Familie aus seiner Heimat Istrien
       fliehen. Ich habe gesagt: „Papa, ich bin wie du. Wenn ich glaube, dass
       etwas richtig ist, dann muss ich es tun.“ Ich habe ihn gebeten, mich jetzt
       nicht im Stich zu lassen.
       
       Mein Vater ist kein Mann großer Worte. Ich bin mir nicht sicher, ob er alle
       meine Gründe wirklich verstanden hat. Aber am Ende unseres Telefonats hat
       er mir gesagt, dass er weiter an meiner Seite steht.
       
       Protokoll: Mitsuo Iwamoto
       
       23 Oct 2023
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Gianluca Grimalda
       
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