URI: 
       # taz.de -- Konferenz zu Lokaljournalismus: Die Zeit ist knapp
       
       > Lokale Medien haben zurzeit viele Probleme. Wie sich die lösen lassen,
       > darüber berieten Journalist*innen bei der Konferenz von
       > Correktiv.Lokal.
       
   IMG Bild: Erik Töpfer (Mitte) auf der Lokalmedien-Konferenz in Erfurt
       
       Erfurt taz | Erik Töpfer wirft frustriert die Hände über den Kopf und sagt
       flapsig: „Dann müssen wir uns ja komplett hinterfragen!“ Es ist Sonntag,
       kurz nach 11 Uhr und der 23-jährige Volontär der sächsischen Morgenpost,
       die zu Tag24 gehört, sitzt in einem Seminarraum der Universität Erfurt.
       Dort diskutiert Töpfer mit etwa vierzig weiteren
       Lokaljournalist*innen verschiedener Medien. Der Raum ist voll,
       ständig gibt es weitere Meldungen für Redebeiträge. Es geht um die
       Europawahl und Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im
       kommenden Jahr. Konkret: Wie sollten sich Journalist*innen für
       Geschichten entscheiden, um ihre Leser*innen gut zu informieren?
       
       Die Diskussion ist Teil der ersten [1][Lokal-Konferenz des gemeinnützigen
       Recherchezentrums Correctiv] gewesen. Das hat am Wochenende etwa dreißig
       Seminare und Workshops angeboten: Fortbildung, Vernetzung und Austausch.
       Themen waren unter anderem: Klima, Diversität in Redaktionen und die
       Zukunft des Lokaljournalismus.
       
       „215 Teilnehmende waren vor Ort“, sagt Jonathan Sachse, seit 2020 Leiter
       des Netzwerks Correctiv.Lokal. Nach der letzten Veranstaltung sitzt er
       offensichtlich erschöpft, aber mit zufriedenem Lächeln auf einer Holzbank
       in der Uni Erfurt. „Ich bin richtig positiv gestimmt. Unsere Grundidee,
       Leute zusammenbringen, die irgendwie im Lokalen was machen, ist voll
       aufgegangen.“
       
       Sachse habe gehofft, dass die Teilnehmer*innen sich gegenseitig
       inspirieren. Um ins Handeln zu kommen, sei aber auch wichtig, ehrlich über
       Probleme zu sprechen: „Ich baue mir da keine Scheinwelt auf: Es passiert
       auch richtig viel Mist im Lokaljournalismus.“
       
       ## Kooperation statt Konkurrenz
       
       Für Thüringens Hauptstadt als Konferenzort habe sich Correctiv bewusst
       entschieden, erzählt Sachse. Thüringen sei interessant, „weil wir hier
       viele Prozesse im Lokaljournalismus sehen, die gut zur Konferenz passen“.
       Zum Beispiel: Die [2][Ostthüringer Zeitung hat den Abonnement-Vertrieb im
       Kreis Greiz eingestellt]. „Es gibt mehrere Debatten, die finden nicht nur
       hier statt, aber hier sehr gesammelt“, sagt Sachse.
       
       Dahinter steckt vor allem, [3][dass Lokalmedien in Deutschland das Geld
       ausgeht]. Sie können sich weniger Journalist*innen leisten. Die dünn
       besetzten Redaktionen konzentrieren sich auf schnelle Nachrichten. Im
       Zweifel schreiben sie Pressemeldungen um. Für Recherche bleibt kaum Zeit.
       Wie sich Lokalpolitik und Wirtschaft vor Ort verhalten, kann solcher
       Journalismus schlecht kontrollieren. Studien belegen: Wo der
       [4][Lokaljournalismus schwindet, leidet die Demokratie]. Darum wird auch
       ihre Förderung diskutiert.
       
       Den [5][Zeitmangel versucht Correctiv.Lokal] zu lindern, indem das Netzwerk
       Journalist*innen zusammenbringt. Reporter*innen in verschiedenen
       Ecken Deutschlands vor denselben Herausforderungen. Statt dass alle sie für
       sich lösen, teilen sie ihre strukturellen Erkenntnisse. Kooperation statt
       Konkurrenz.
       
       Das kann funktionieren, wie es etwa Stefanie Helbig auf der Konferenz an
       ihrer Recherche zu [6][illegalen Müllhalden] gezeigt hat. Die Journalistin
       hat bundesweit bei Landkreisen und Landesumweltämtern nachgefragt, welche
       [7][illegalen Müllhalden] diese kennen. Insgesamt waren es mehr als 330
       Halden mit mindestens 100 Tonnen Müll.
       
       Helbig sagt: „Das sind viele kleine Fälle, die kann ich schlecht alle
       machen. Aber das ist perfekt fürs Lokale.“ Darum habe sie ihre Erkenntnisse
       mit Correctiv geteilt und einen Anruf von Daniel Noglik bekommen,
       Investigativreporter der Ostfriesen-Zeitung.
       
       Mithilfe der Recherche von Helbig berichtete Noglik über Halden in
       Ostfriesland. „Das hat auf jeden Fall Zeit gespart“, sagt er. Trotzdem habe
       er etwa drei Wochen lang recherchiert, bis die [8][erste Reportage]
       erschien.
       
       Die Angebote von Correctiv.Lokal seien keine druckfertigen
       Agenturmeldungen, erklärt Pia Siber, die erste Ansprechpartnerin für das
       Netzwerk. Für Journalist*innen kann der Zeitaufwand unter dem
       tagesaktuellen Produktionsstress deshalb trotzdem zu hoch sein, um sich zu
       beteiligen.
       
       Zeit fehlte dann auch bei der Diskussion zu den Wahlen 2024, findet Heidje
       Beutel, Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands in Thüringen.
       Während sie sich bei anderen Veranstaltungen der Konferenz schnell mit
       Kolleg*innen verbündet habe, sei bei den Wahlen die Zeit vorbei gewesen,
       als die Teilnehmer*innen gerade erst warm waren.
       
       Jonathan Sachse kann das nachvollziehen. Allerdings: „Wenn wir die nächste
       Konferenz hier im Mai machen, dann können wir darauf den Schwerpunkt
       setzen.“ Wie dieses Mal soll auch dann für das leibliche Wohl gesorgt sein.
       
       23 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://correctiv.org/lokal/konferenz/
   DIR [2] /Ostthueringer-Zeitung-nur-noch-digital/!5922431
   DIR [3] /Journalistik-Professor-ueber-Zeitungen/!5833650
   DIR [4] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/2182890/36596999f2fe36061b335f262c3799b6/2023-03-31-gutachten-zur-situation-der-lokalen-presse-data.pdf?download=1
   DIR [5] /Recherche-von-Correctiv/!5839225
   DIR [6] https://www.muellparadiesdeutschland.de/
   DIR [7] /Illegale-Muellhalden-im-Berliner-Umland/!5638746
   DIR [8] https://www.oz-online.de/artikel/1301434/Der-Schandfleck-am-Stapeler-Moor
       
       ## AUTOREN
       
   DIR David Muschenich
       
       ## TAGS
       
   DIR Correctiv
   DIR Lokaljournalismus
   DIR Demokratie
   DIR Wahlen
   DIR Konferenz
   DIR Lokaljournalismus
   DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
   DIR Mediengesellschaft
   DIR wochentaz
   DIR Journalist
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Correctiv-Journalist über Lokalmedien: „Medien müssen die Bindung zu den Menschen vor Ort stärken“
       
       Correctiv eröffnet ein Café, das auch eine Redaktion für Lokaljournalismus
       ist. Correctiv-Mitgründer Sachse kämpft gegen das Sterben von Lokalmedien.
       
   DIR Tag der Pressefreiheit 2025: Wie Trumps Anti-Medien-Strategie Lokalzeitungen trifft
       
       US-Präsident Donald Trump legt sich nicht nur mit renommierten Medien wie
       AP an, sondern auch mit kleinen Zeitungen, die kritisch über ihn berichten.
       
   DIR Digitaler Wandel im Lokaljournalismus: Im Digital der Ahnungslosen
       
       Im vogtländischen Cossengrün bekommen 300 Abonnenten die „Ostthüringer
       Zeitung“ nicht mehr in den Briefkasten – ein unbeliebtes Modellprojekt.
       
   DIR Berichte aus der Nachbarschaft: Näher dran als die Zeitung
       
       Blogs wie neukoellner.net besetzten Nischen im Web und galten mal als
       Rettung des Lokaljournalismus. Nun drohen sie zu verschwinden.
       
   DIR Schlechte Recherche von Journalisten: Das Correctiv korrigiert sich
       
       Diverse Zeitungen haben die bislang größte Geschichte des Rechercheteams
       Correctiv übernommen. Von der bleibt bei näherem Hinsehen aber wenig übrig.