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       # taz.de -- Bundespolitik ganz volksnah: Habeck ist Auferstehungsminister
       
       > Unser Autor geht mit Habeck, Scholz, Lang und Steinmeier durch die Woche.
       > Mit ihnen erlebt er Wiedergeburt, Entschuldigung und ein bisschen
       > Hoffnung.
       
   IMG Bild: Kanzler und Vizekanzler mal ganz dynamisch: Hat der ihm gerade etwa eine gepfeffert?
       
       Twitter heißt jetzt X, aber zu lachen gibt’s da meistens nix. Jenseits von
       Gut- und Böse-Posts gehen feine Ironie und fairer Austausch unter,
       angesichts mehrerer Kriege wird es noch trister. Aus Sicht eines immer noch
       treuen X-Users und Betrachters unserer digitalen Titelseiten war am
       Dienstag der Tiefpunkt erreicht, „wenn selbst die taz-Aufmachung nicht mehr
       lustig ist. #Dunkle Zeiten“.
       
       Doch siehe da, es gibt noch Wunder. Schon am Mittwoch ist der [1][Heiland
       auferstanden]. Ausgerechnet bei X erschien uns Robert Habeck, ganz der
       Alte, wie zu besten Zeiten, mit all seiner staatsmännlichen Pracht und
       Sprachgewalt, die wir fast vergessen hatten, nachdem sie irgendwo in einem
       Heizungskeller verloren gegangen waren, zwischen all den Details der
       fisseligen Gesetzesarbeit, bei denen Habecks Redekunst an ihre Grenzen
       stieß. Konkreter Klimaschutz und genaue Pläne für den sozialen Ausgleich,
       das war zu kompliziert.
       
       Aber jetzt! Was für ein grandioses Video mit einer Rede zur Lage der Nation
       angesichts der Lage in der Welt, so makellos wie Schlips und Kragen, ohne
       Fehler und auch bei X so gut wie ohne Tadel. Darauf erklangen wie ein Echo
       aus der Vergangenheit die vertrauten Lieder wieder – ach, wenn der Kanzler
       nur so reden könnte!
       
       Dabei müsste eigentlich ein ganz anderer neidisch werden: der oberste
       deutsche Auftragsredner, dieser, wie heißt er noch mal, ach ja, der
       Bundespräsident, von dem noch nie ein Auftritt länger als fünf Minuten in
       irgendeinem Kopf hängen blieb – sosehr er sich auch müht, und das tut er
       manchmal durchaus redlich. In dieser Woche hat er [2][in Tansania um
       Verzeihung für die Gewalttaten der deutschen Kolonialherrschaft gebeten]
       und eine gemeinsame Aufarbeitung angekündigt. Bleibt nur zu hoffen, dass
       sich die Bundesregierung noch an seine Worte erinnert, wenn es mühsam wird
       und etwas kostet.
       
       ## Keine Gegenliebe für BuKa Scholz
       
       Olaf Scholz war zwar auch in Afrika, aber in anderer Mission als
       Vergangenheitsbewältigung. Der Kanzler ist vollauf mit dem Versuch
       beschäftigt, das umzusetzen, was er seinerseits großspurig angekündigt hat,
       nämlich „endlich im großen Stil abzuschieben“: ein weniger sympathisches,
       aber laut Umfragen besonders dringliches Unterfangen, wozu ihn nicht nur
       AfD, Union und FDP [3][angefeuert hatten], sondern auch die Grünen.
       Wahrscheinlich, damit Scholz es ja nicht vergisst, ließ Grünen-Parteichefin
       Ricarda Lang in dieser Woche wissen, dass die Bereitschaft zur Aufnahme von
       Geflüchteten in Deutschland ihrer Beobachtung nach abnehme und deshalb „die
       Zahlen sinken müssen“.
       
       Leicht gesagt, inzwischen offenbar auch für Grüne vom linken Flügel, aber
       schwergetan, wie Scholz schon bei seinem ersten Besuch eines der
       potenziellen Abschiebeziele feststellen musste. Die Begeisterung in
       Nigeria, die 12.000 Menschen wieder aufzunehmen, die Scholz gerne in großem
       Stil dorthin zurückschicken möchte, hielt sich vor Ort nämlich in engen
       Grenzen.
       
       ## Mehr Fossile aus dem Süden
       
       Immerhin scheint Scholz dafür erreicht zu haben, dass Deutschland noch mehr
       Flüssiggas im großen Stil importieren kann. Das dürfte auch
       [4][Fossilminister Christian Lindner] freuen, dem derweil zu Hause
       einfiel, man könne doch den Kohleausstieg noch mal verschieben. Das Revival
       der klimaschädlichen Energien läuft bei der Ampel fast so gut wie das
       Revival der Beatles bei Spotify. Wie war das noch mal mit der Energiewende?
       Na ja, vielleicht bekommt sie ja nach den Kriegen wieder ein eigenes
       Habeck-Video. Und hoffentlich ist die Klimaschutzbewegung bis dahin noch
       da.
       
       Die Fridays for Future um Greta Thunberg tun mit ihren antisemitisch
       angehauchten Parolen zwar gerade alles, um auch den Rest an Sympathien für
       die Klimabewegung wegzufegen, der nach den Aktionen der Letzten Generation
       noch übrig war. Aber der neue Deutschlandtrend kann KlimaschützerInnen
       trotzdem Hoffnung machen: Einer ihrer größten Gegner ist noch unbeliebter,
       bei 4 Prozent! Nur noch ein klitzekleines Pünktchen, bis FDP endlich
       bedeutet: Fast drei Prozent. Okay, ein alter Witz, aber mir gefällt es
       trotzdem, wenn er wahr wird.
       
       4 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Lukas Wallraff
       
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