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       # taz.de -- Heizen mit dem Kaminofen: Das Geheimnis der Raute
       
       > Immer mehr Menschen heizen in Berlin mit Holz. Damit sie es halbwegs
       > umwelt- und gesundheitsverträglich tun, gibt es für sie den
       > „Ofenführerschein“.
       
   IMG Bild: Nicht einfach reinwerfen: Beim Heizen mit Holz gibt's ein paar Regeln
       
       Berlin taz | Fühlen Sie sich manchmal wie eine olle Kieler Sprotte? Das
       könnte an den Heizgewohnheiten im Haus nebenan liegen: Wenn da einer der
       rund 115.000 privaten Berliner Kaminöfen vor sich hinschmurgelt, führt das
       unweigerlich zu unerwünschten Gerüchen. Mittlerweile hat auch die
       Senatsumweltverwaltung das Problem erkannt und [1][mit einer Kampagne
       darauf reagiert], die rücksichtslosen HeizerInnen ins Gewissen redet: „Dein
       Nachbar ist kein Räucherfisch“, heißt es da in Rot auf knallgelben Postern,
       oder „Holz ist ein Genussmittel. Bitte achtsam verfeuern“ oder „Nicht lang
       fackeln: Ofenspezialist werden!“
       
       Letzteres macht man heute natürlich ganz bequem vom heimischen Rechner aus:
       Auf der privaten [2][Plattform Ofenakademie.de] können Interessierte per
       Videoschulung und Abschlusstest einen sogenannten Ofenführerschein ablegen,
       die Senatsverwaltung übernimmt dabei für die ersten 5.000 TeilnehmerInnen
       im Rahmen der Kampagne die Kosten von 39 Euro. Wer sich zwei Stunden Zeit
       nimmt, erfährt von einem sympathischen Team in schwarzen Polohemden – dem
       Max, dem Ingo, dem Robert, dem Holger und dem Hendrik –, wie das modische
       Holzverbrennen schadstoffarm und geldbeutelschonend klappt.
       
       Der Hintergrund ist dabei gar nicht mal so witzig: Deutschlandweit gibt es
       schon mehr als elf Millionen Holzöfen, denn Gas und Öl sind teuer, mit der
       Wärmepumpe fremdeln noch viele, und cosy ist so ein flackerndes Feuerchen
       natürlich allemal. Das ist aber nicht nur klimatechnisch fragwürdig, weil
       so viel Holz gar nicht nachhaltig nachwächst, [3][es belastet auch die
       Gesundheit aller mit unguten Feinstaubpartikeln]. Vor allem, wenn der Ofen
       alt ist und die Heizexpertise dünn.
       
       Das [4][Umweltbundesamt warnt vor dieser Gefahr schon seit Jahren], denn
       die Öfen erzeugen in Deutschland heute mehr Feinstaub als die bundesweite
       Kraftfahrzeugflotte. Übrigens müssen Geräte, die vor 2010 hergestellt
       wurden, ab dem 31. Dezember 2024 die Schadstoffgrenzen des
       Bundesimmissionschutzgesetzes einhalten – was oft eine Nachrüstung, im
       Einzelfall auch die Verschrottung unumgänglich macht.
       
       Freundlich und unaufgeregt erklären einem der Max und seine Kollegen, wie
       das richtig geht mit der Heizerei, vom Lesen des Typenschilds über die
       korrekte Wahl und Lagerung des Holzes sowie die Tricks beim Anzünden und
       Nachlegen der Scheite bis zur korrekten Reinigung und Wartung des schwarzen
       Kastens, der so viele Wohnzimmer ziert.
       
       Besonders schön: Wer gut aufpasst, kann am Ende nicht nur seinen
       Partikelausstoß um die Hälfte reduzieren und nach Beantwortung eines
       Multiple-Choice-Fragebogens den rot-gelben Ofenführerschein herunterladen,
       sondern auch den Freundes- und Kolleginnenkreis mit Fachvokabular
       beeindrucken.
       
       ## Glutstock im Aschebett
       
       Aufgeklärt Feuernde können dann nämlich Heiz- und Nennwärmeleistung
       unterscheiden, sie wissen, wie das perfekte Anzündmodul aussieht, dass der
       Glutstock gerne in einem bequemen Aschebett sitzt und dass das Flammbild im
       Hauptabbrand schöner wird, wenn sie rechtzeitig den Primärluftregler
       drosseln. Aber natürlich auch, was zu beachten ist, wenn der
       Schornsteinfeger zweimal in sieben Jahren zur Feuerstättenschau an der Tür
       klingelt.
       
       Und noch etwas: Die Merkel’sche Raute, jene unverwechselbare Geste, über
       die schon so viel gemutmaßt wurde, bekommt für
       OfenführerscheinbesitzerInnen eine ganz neue Bedeutung: Ähnlich wie beim
       Abmessen der richtigen Spaghettimenge mit Daumen und Zeigefinger weist die
       mit beiden Händen geformte Lücke auf den perfekten Scheitumfang hin. Na
       dann, Feuer frei!
       
       Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, „Geräte, die vor
       2010 hergestellt wurden, ab dem 1. Januar 2024 Schadstoffgrenzen des
       Bundesimmissionschutzgesetzes einhalten“. Das stimmt nicht, die
       Übergangsfrist endet am 31. Dezember 2024. Wir haben die Stelle korrigiert.
       
       9 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.berlin.de/sen/uvk/umwelt/luft/luftreinhaltung/projekte-zum-luftreinhalteplan/holzverbrennung/ofenfuehrerschein/
   DIR [2] https://www.ofenakademie.de/
   DIR [3] /Umweltbundesamt-zu-Feinstaub/!5834582
   DIR [4] https://www.umweltbundesamt.de/umwelttipps-fuer-den-alltag/heizen-bauen/kaminofen
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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