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       # taz.de -- Chaos in Guinea: Befreiungsaktion für Ex-Diktator
       
       > In Guinea konnte Ex-Diktator Moussa Dadis Camara kurzzeitig aus dem
       > Gefängnis ausbrechen. Sein Ex-Gardechef Claude Pivi ist weiterhin
       > flüchtig.
       
   IMG Bild: Soldaten bewachen das Schlafzimmer des damaligen Machthabers Dadis Camara, Conakry 2009
       
       Conakry/Berlin taz | Straßensperren sind an den Hauptverkehrswegen
       eingerichtet, höchste Sicherheitsvorkehrungen gelten in Guineas Hauptstadt
       Conakry, an Verkehrsknotenpunkten und Grenzposten. Die Militärregierung von
       Präsident Mamady Doumbouya ist in höchster Alarmstimmung, seit in der Nacht
       zu Samstag ein schwerbewaffnetes Kommando das [1][Zentralgefängnis in
       Conakry stürmte] und den ehemaligen Militärdiktator [2][Moussa Dadis
       Camara] und drei andere Altmilitärs aus der Zeit der Dadis-Regierung 2008
       bis 2010 befreite. Dadis sowie seine ehemaligen Juntakollegen Moussa
       Tiegboro und Blaise Goumou wurden noch am gleichen Tag wieder gefasst. Aber
       ein Vierter, der einstige Präsidialgardechef Claude Pivi, befand sich am
       Montag weiter auf der Flucht.
       
       Pivi galt während der Diktatur von Dadis, der 2008 dem verstorbenen
       Langzeitherrscher Lansana Conté gefolgt war, als brutalster General Guineas
       und als eigentlicher starker Mann des Landes. Alle vier sind heute
       Hauptangeklagte eines der [3][spektakulärsten Menschenrechtsprozesse], die
       derzeit in Afrika laufen: der Prozess gegen die mutmaßlichen Befehlsgeber
       eines Massakers an friedlichen Demonstranten bei einer Kundgebung gegen die
       Militärherrschaft in Conakry am 28. September 2009, bei dem mindestens 156
       Menschen getötet wurden.
       
       Das Massaker beschleunigte das Ende der Militärherrschaft; 2010 wurde bei
       freien Wahlen der zivile Oppositionelle [4][Alpha Condé] zum Präsidenten
       gewählt. Er wurde 2021 wieder [5][weggeputscht]. Der seitherige
       Militärherrscher Doumbouya hat aber nicht die früheren Generäle
       rehabilitiert, sondern sie verhaftet und vor Gericht gestellt.
       
       Mitten in diesen Prozess platzte nun die spektakuläre Befreiungsaktion.
       Bewohner Conakrys glaubten zunächst an einen erneuten Militärputsch, als am
       Samstag im Morgengrauen Schüsse von schweren Waffen das Regierungsviertel
       Kaloum von Conakry erschütterten. Kaloum ist eine langgestreckte Halbinsel
       und das Zentralgefängnis befindet sich an der Spitze dieser Halbinsel, ist
       also am schwersten erreichbar. Dies nährt Mutmaßungen über eine
       Insider-Aktion. Erst 2022 war das Zentralgefängnis mit einer umfassenden
       Videoüberwachung mit 60 Kameras ausgestattet worden, um den grassierenden
       Schmuggel von Drogen in die Haftanstalt und Häftlingen aus ihr heraus zu
       unterbinden.
       
       ## Jemanden auf einem Motorrad zu entführen ist schwierig
       
       Am Montag haben Guineas Behörden 58 Offiziere, Soldaten und Gefängniswärter
       entlassen, was auf eine größere Verschwörung hindeutet. Dadis Camara selbst
       hat seine Befreiung als Entführung bezeichnet, sein Anwalt Jocamey Haba
       sagte im Rundfunk, offensichtlich sei sein Mandant nicht einmal im
       Zentralgefängnis sicher und der Staat habe versagt.
       
       Die Regierung weist die Darstellung einer „Entführung“ zurück.
       Regierungssprecher Ousmane Gaoual Diallo sagte am Sonntagabend, die drei
       Gefassten seien auf Motorrädern aufgegriffen worden, in jeweils 17 und 26
       Kilometern Entfernung vom Gefängnis. „Kann man jemanden auf einem Motorrad
       entführen? Das ist schwierig, wenn er es nicht auch will.“
       
       Er machte Oberst Pivis Sohn Verni Pivi, ebenfalls Präsidialgardist, für die
       Aktion verantwortlich, bei der es nach amtlichen Angaben neun Tote gab:
       drei Angreifer, vier loyale Militärangehörige sowie zwei Zivilisten in
       einem Krankenwagen, der beschossen wurde: ein sechs Jahre altes Mädchen auf
       dem Weg ins Krankenhaus und ihr Arzt.
       
       Am Montag lief die Suche nach dem flüchtigen Oberst Pivi weiter auf
       Hochtouren. Guineas Grenze nach Mali, wo eine befreundete Militärregierung
       regiert, wurde wieder geöffnet.
       
       6 Nov 2023
       
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