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       # taz.de -- RBB-Talk mit Anna Dushime: Lächle alles weg
       
       > In ihrer neuen Talkshow „Der letzte Drink“ möchte Anna Dushime mit
       > Roberto Blanco über Rassismus und Sexismus reden. Das gestaltet sich
       > schwierig.
       
   IMG Bild: An der Bar, aber nicht wirklich im Gespräch: Anna Dushime und Roberto Blanco
       
       Auf der linken Seite einer Hotelbar in Berlin sitzt die 35-jährige
       Journalistin und Moderatorin Anna Dushime. [1][Als Kolumnistin für die taz]
       schrieb sie immer wieder über ihre eigenen Diskriminierungserfahrungen als
       Schwarze Frau in Deutschland.
       
       Ihr gegenüber sitzt der 86-jährige Roberto Blanco, der unter anderem mit
       seinem Hit „Ein bisschen Spaß muss sein“ von 1973 berühmt wurde. Der in
       Tunis als Sohn kubanischer Eltern geborene Entertainer ist der erste und
       einzige Musiker, der es in dem weißesten aller Musikgenres, dem deutschen
       Schlager, geschafft hat, sich als Instanz zu etablieren.
       
       Das Konzept der Talkshow ist simpel. Zwei Menschen, die sich an einer Bar
       unterhalten. Dabei werden vom Barkeeper Cocktails angereicht. Das fürs
       Fernsehen ungewöhnlich schlichte Format passt sich ausnahmsweise den
       Interessen des jüngeren Publikums an. Denn [2][der anhaltende Hype rund um
       Laberpodcasts] zeigt: Wir haben Lust auf gute und lockere Gespräche, ohne
       viel drumherum.
       
       Doch ganz so locker, wie sich das die Moderatorin möglicherweise gewünscht
       hat, wird es dann leider nicht: „Welchen Ratschlag würdest du deinem
       11-jährigen Ich geben?“, fragt Dushime. Blanco blockt ab: „Mach alles genau
       so, wie du es gemacht hast.“ Und mit dieser Antwort ist der
       Gesprächsverlauf der 30-minütigen Folge vorgeschrieben.
       
       Dushime versucht es immer wieder mit Fragen, die die strukturellen Hürden
       für Roberto Blancos Leben als Schwarzer Künstler in Deutschland aufdecken
       sollen: Haben ihm seine weißen Kollegen den Erfolg gegönnt? Fühlt er sich
       missverstanden? Wie war das damals, als er 2015 von [3][Bayerns
       Innenminister, Joachim Herrmann], bei „Hart aber fair“ [4][als „wunderbarer
       N*“ bezeichnet wurde?]
       
       ## Alles nur Selbstschutz?
       
       Dushime ist nicht die erste Journalistin, die mit solchen Fragen gegen eine
       Wand läuft. Blanco fährt die Devise: Lächle alles weg. Konzentriere dich
       auf das Positive im Adjektiv „wunderbar“ und frag dich gar nicht erst
       lange, was deine weißen Kollegen verdienen. „Für mich war meine Farbe die
       beste Public Relation, die ich haben konnte“, meint er.
       
       Anna Dushime hingegen erzählt, dass sie sich früher immer gewünscht habe:
       „Wenn ich noch mal auf die Welt kommen könnte, würde ich gerne als weißer
       Mann auf die Welt kommen.“
       
       Hier tut sich der entscheidende Generationenkonflikt zwischen den beiden
       auf. Während die junge Journalistin mit dem Gedankenexperiment überlegen
       möchte, was es bedeutet, nicht der weißen Norm der Gesellschaft
       anzugehören, will der Schlagersänger nicht die Gesellschaft, sondern nur
       sein Leben betrachten; und das im positivsten aller möglichen Lichter.
       Vieles klingt bei ihm nach einer riesigen Selbstschutzstrategie. Er möchte
       keine Probleme sehen und ist somit auch nie ein Opfer in seiner
       Selbsterzählung. Das ist sein gutes Recht. Und eine Perspektive, die es zu
       respektieren gilt.
       
       Unangenehm wird das Gespräch immer dann, wenn der Sänger keinen Raum für
       die Perspektive seiner Gesprächspartnerin lässt. Vor allem wenn die
       Journalistin von ihren Erfahrungen als Schwarze Frau sprechen möchte.
       Blanco lässt sein Gegenüber öfters nicht ausreden. Versteht nicht, warum
       die Moderatorin es nervt, als Frau ständig auf ihr Äußeres reduziert zu
       werden.
       
       Der Sänger kontert mit Äußerungen à la „na, dann darf man ja Frauen gar
       keine Komplimente mehr machen“. In solchen Momenten hält Dushime sich an
       ihrem Cocktail fest, als sei es ein Rettungsring. Und in solchen Momenten
       wünscht man sich als Zuschauerin: Halt dich nicht fest, sondern schwimm!
       Jetzt ist mal Zeit für deine Geschichte und deine Perspektive!
       
       Ob Anna Dushime in Zukunft die Chance dazu bekommt, wird sich noch zeigen.
       Noch ist nicht entschieden, ob das Format nach Ausstrahlung der Pilotfolge
       weitergeht. Wünschenswert wäre es – dann aber gerne mit Gästen, die Anna
       Dushime auch ausreden lassen.
       
       9 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Hollandt
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rassismus
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