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       # taz.de -- Weltmeisterin übers Schachboxen: „Es sind immer mehr Frauen dabei“
       
       > Alina Rath ist amtierende Weltmeisterin im Schachboxen. Sie erzählt, was
       > sie an der Sportart fasziniert und mit welcher Taktik sie gewinnt.
       
   IMG Bild: Freude über die Titelverteidigung: Alina Rath neben ihrem Trainer Robert Rolle
       
       taz: Frau Rath, herzlichen Glückwunsch! Sie haben gerade Ihren Titel als
       Schachboxweltmeisterin verteidigt. Vor drei Jahren haben Sie bereits die
       erste WM für Frauen gewonnen. 
       
       Alina Rath: Danke, ich muss das erst einmal verarbeiten. Es ist einfach
       surreal. Ich freue mich tierisch und ich bin total stolz. Ich habe lange
       trainiert und war auf Diät. Ich liebe Süßigkeiten und habe gelitten, weil
       ich keinen Kuchen essen durfte. Und man opfert viel Zeit.
       
       Was ist Schachboxen überhaupt? 
       
       Eine Hybridsportart. Wir starten mit einer Schachrunde von drei Minuten,
       die eingefroren wird, wenn es noch kein Matt gibt. Es folgt nach einer
       kurzen Pause für das Anziehen der Handschuhe eine Boxrunde und so weiter.
       Aber nach der Boxrunde ist die körperlichen Belastung stark, dann passieren
       am Brett die meisten Fehler, weil der Puls hoch ist. Die Fokussierung ist
       schwierig, das macht es aber spannend. Jede KämpferIn hat beim Schach sechs
       Minuten Bedenkzeit. Bei der WM gab es maximal 4 Runden Schach und 3 Runden
       Boxen.
       
       Wer erfand das? 
       
       Es war der Rotterdamer Künstler Iepe Rubingh. Der Wahlberliner benutzte ein
       Comic des Zeichners Enki Bilal, entwickelte daraus die Sportart mit realen
       Kämpfen. Er war sogar selbst der erste Schachboxweltmeister. Eine
       Ausnahmepersönlichkeit, er verbreitete den Sport weltweit und steckte sein
       Herzblut rein. [1][Leider ist er 2020 viel zu früh verstorben.]
       
       Wie lief Ihr WM-Sieg? Gab es ein Knockout oder Schachmatt? 
       
       Meine Gegnerin Amina Akhmadulina aus dem Ural hat beim Schach bewusst das
       Spiel in die Länge gezogen, weil sie die Boxrunden aggressiv nutzen wollte.
       Ich wurde einmal angezählt. Auch ist zweimal unterbrochen worden, da meine
       Nase blutete. Aber ich machte meine Deckung zu und sie verlor schließlich
       auf Zeit, wegen meiner Stellung.
       
       Wie haben Sie sich vorbereitet? 
       
       Mein tolles Team im Rücken war superwichtig. Mein Trainer Robert Rolle, ein
       ehemaliger Profiboxer, hat mich gut unterstützt. Sein dreizehnjähriger Sohn
       Arminius holte übrigens auch Gold.
       
       Kämpfer des Chess Boxing Clubs Berlin und Chessboxing Cologne traten für
       Deutschland an. Wie war die Atmosphäre? 
       
       Die Organisation in Rimini war richtig toll. Es gab ein Rahmenprogramm und
       einen Yotube-Stream.
       
       Der Chess Boxing Club Berlin wurde vor 20 Jahren gegründet, im selben Jahr,
       [2][als der erste Wettkampf im Schachboxen] ausgetragen wurde.
       
       Ja, es ist ein besonderes Jubiläum. Es gibt hier eine echte Community mit
       immer mehr Frauen. Die Leute sind herzlich. Und als Frau ist man keinen
       blöden Sprüchen ausgesetzt.
       
       Der erste Kampf 2003 fand auf einer Brache im Berliner Scheunenviertel
       statt. Wie ist der Entwicklungsstand des Schachboxens heute? 
       
       Mittlerweile gibt es Schachboxen auf allen Kontinenten. In Amerika kommen
       bis zu 10.000 Zuschauer in die Stadien und die Livestreams im Internet
       werden millionenfach geklickt. Die Gegensätze ziehen sich an. Das Klischee
       sagt, dass SchachspielerInnen unsportlich, aber clever sind, und BoxerInnen
       athletisch, aber dumm.
       
       Gründer Iepe Rubingh erfand es als Kunstperformance. Ist es jetzt nur noch
       Sport? 
       
       Mittlerweile ist es Sport. Aber die Intellectual Fight Club Events in
       Frankreich sind eher Kunst.
       
       Wie und warum kamen Sie zum Schachboxen? 
       
       Ich habe in Berlin darüber gelesen. Danach besuchte ich in einem leeren
       Kaufhaus in Mitte ein ausverkauftes Event mit jungen, hippen Leuten.
       Schauspieler Ben Becker moderierte im Ring. Das Wettkampfniveau war damals
       noch niedrig, aber alle hatten Spaß. Weil ich auch [3][Mixed Martial Arts]
       mache, dachte ich, dies könnte ein Herausforderung sein.
       
       Was ist Ihre Taktik beim Schachboxen? 
       
       Ich versuche, meine Stärken im Schach auszuspielen. Bisher waren meine
       Gegnerinnen beim Schach zwar unterschiedlich stark. Aber auf dem Brett kann
       ich sie normalerweise schnell unter Druck setzen. Dann machen sie Fehler
       und müssen mich eine Runde später ausknocken.
       
       Jetzt waren wieder RussInnen dabei, obwohl die international beim Schach
       und anderen Sportarten nicht oder nur ohne Fahne auftreten. 
       
       Das ist schwierig. Weil es geht um Sport, aber wir verschließen unsere
       Augen nicht vor dem Krieg.
       
       8 Nov 2023
       
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