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       # taz.de -- EU-Gipfel zum Krieg in Nahost: Die richtige Formel
       
       > Die 27 Staats- und Regierungschefs der EU ringen bei ihrem Gipfeltreffen
       > um ihre Position zum Krieg in Nahost. Doch das hat nur symbolische
       > Bedeutung.
       
   IMG Bild: Versuchte, es beiden Seiten recht zu machen: Gipfelchef und EU-Ratspräsident Charles Michel
       
       Ein dauerhafter Waffenstillstand, eine humanitäre Waffenpause – oder nur
       kurze Waffenpausen zum Atemholen? Über die richtige „Formel“ für den
       [1][Krieg gegen den Hamas-Terror] in Israel haben die 27 Staats- und
       Regierungschefs der EU bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag in Brüssel
       heftig gerungen.
       
       [2][Dem vorausgegangen] war ein zwei Wochen langer Dauerstreit. Selten hat
       die EU ihre Meinungsverschiedenheiten so offen ausgetragen, noch nie sind
       die Positionen so hart aufeinandergeprallt. Es geht um die Frage, ob die EU
       in der Nahostpolitik eine eigenständige und aktive Rolle einnimmt – und um
       ihre Glaubwürdigkeit weltweit.
       
       Deutschland versuchte am Donnerstag nun, Israel im Krieg gegen die Hamas
       den Rücken freizuhalten und Forderungen nach einer längeren Waffenruhe
       abzuwehren. Spanien, Irland und Belgien sprachen sich dagegen für eine
       Waffenpause aus, die die humanitäre Katastrophe in Gaza lindern soll.
       „Jetzt geht es darum, zu zeigen, dass wir Israel unterstützen“, sagte der
       deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seiner Ankunft in Brüssel. Es
       sei wichtig, dass die EU einen „klaren Standpunkt“ vertrete. Dies schließe
       „humanitäre Unterstützung der Bürger Gazas, die auch Opfer der Hamas sind“,
       nicht aus.
       
       Mehr Hilfe für die Palästinenser mahnte dagegen der spanische
       Regierungschef und amtierende EU-Ratsvorsitzende Pedro Sánchez an. „Ich bin
       definitiv für eine humanitäre Pause“, erklärte er. Dies sei das Minimum.
       Eigentlich sei sogar ein Waffenstillstand notwendig, dem ein Friedensgipfel
       und eine Zweistaatenlösung folgen solle.
       
       Gipfelchef und EU-Ratspräsident Charles Michel versuchte, es beiden Seiten
       recht zu machen. Er ging jedoch vor allem auf Deutschland zu. In seinem
       letzten Entwurf für die Gipfelerklärung war nur noch vage von „humanitären
       Korridoren“ und „humanitären Pausen“ die Rede; zudem wurde Israels Recht
       auf Selbstverteidigung betont.
       
       Der Belgier warb um eine geschlossene Haltung der EU-Staaten. „Einige in
       der Welt“ würden versuchen, Teile der internationalen Gemeinschaft gegen
       die EU aufzubringen und „Zweifel an unserer Glaubwürdigkeit zu wecken“, so
       Michel vor Beginn des zweitägigen Gipfeltreffens. Deshalb sei eine Einigung
       in dieser Frage sehr wichtig. „Wir haben keine Doppelstandards“, betonte
       Michel.
       
       Er reagierte damit auf Kritik aus den arabischen Staaten, Afrika und
       Südamerika. Dort stößt es vielfach auf Unverständnis, dass die EU [3][der
       Ukraine] das Recht auf Selbstverteidigung zubilligt, die Palästinenser
       jedoch allein im israelischen Bombenhagel lässt.
       
       Europa vertrete fundamentale Prinzipien und halte sich an das Völkerrecht,
       betonte Michel. Das internationale Recht gelte für alle, auch im Krieg.
       Ähnlich äußerte sich Scholz. Israel sei eine Demokratie mit „sehr
       humanitären Prinzipien“. Er habe daher „keine Zweifel“, dass sich die
       israelische Armee an das Völkerrecht halten werde, so der Bundeskanzler.
       
       Die EU ringt bereits seit Beginn des Angriffs der Hamas auf Israel um Worte
       – bisher ohne Erfolg. Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der
       Leyen ergriff ebenso wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock
       (Grüne) Partei für Israel.
       
       Der spanische EU-Vorsitz und eine Mehrheit der EU-Staaten fordert jedoch
       eine ausgewogenere Haltung. Dem EU-Gipfel kommt nun nur noch eine
       symbolische Bedeutung zu. Israel hat bereits Fakten in Gaza geschaffen und
       [4][eine „totale Blockade“ verhängt]. Die Forderung nach „humanitären
       Pausen“ werde daran nichts mehr ändern, hieß es bei EU-Diplomaten in
       Brüssel.
       
       26 Oct 2023
       
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