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       # taz.de -- Brücke von Messina: Rechte bauen gerne Brücken
       
       > Italiens Rechtsregierung belebt ein Brückenprojekt vom Festland nach
       > Sizilien neu. Für die Umwelt wäre das eine sehr schlechte Idee.
       
   IMG Bild: Protestplakat gegen den Bau einer Brücke in Messina
       
       Rom taz | Traum oder Albtraum? Mit der Vorlage des Staatshaushalts 2024
       zieht Italiens Rechtsregierung unter Giorgia Meloni ein altes, eigentlich
       tot geglaubtes Projekt wieder aus der Schublade: [1][die Brücke von
       Messina]. Sie soll Sizilien mit Kalabrien und damit dem italienischen
       Festland verbinden.
       
       Das Mega-Vorhaben mit geschätzten Baukosten von rund 12 Milliarden Euro ist
       das Lieblingskind [2][Matteo Salvinis, Chef der stramm rechtspopulistischen
       Lega und Minister für Verkehr und Infrastrukturen in der Regierung Meloni].
       „Das ist nicht die Brücke von Messina, sondern die Brücke der Italiener“,
       schwärmt er immer wieder, „ein Bauwerk von weltweiter Bedeutung“, das
       100.000 Arbeitsplätze schafft, für italienische Arbeiter, weil sie die
       besten der Welt sind“.
       
       Mehr als ehrgeizig ist der Plan. Kalabrien und Sizilien sollen mit der
       längsten Hängebrücke der Welt verbunden werden, die 3.666 Meter messen, die
       aber vor allem die nirgendwo sonst erreichte Spannweite von 3.300 Metern
       zwischen den jeweils in Küstennähe zu errichtenden Pfeilern aufweisen
       würde, von Pfeilern, die 382 Meter in den Himmel ragen sollen.
       
       Schon vor 20 Jahren hatte ein anderer Gigantomane dieses Projekt verfolgt:
       Silvio Berlusconi, der in den Jahren 2001 bis 2006 und 2008 bis 2011
       Ministerpräsident war. Doch kaum war er über die Eurokrise gestürzt, hatte
       die Nachfolgeregierung im Jahr 2012 die Brückenpläne beerdigt, vorneweg
       weil kein Geld da war.
       
       ## „Grünstes Projekt überhaupt“
       
       Geld dürfte auch jetzt wieder zum Problem werden, denn [3][Italien hat eine
       Staatsverschuldung von über 140 Prozent seiner Wirtschaftsleistung (BIP)
       und Wachstumserwartungen von weniger als ein Prozent pro Jahr.] Jetzt
       sollen erst einmal 500 bis 700 Millionen Euro im Haushalt 2024
       bereitgestellt werden, sollen die Bauarbeiten im nächsten Sommer beginnen.
       Ab 2032 dann könnten den Plänen zufolge täglich bis zu 60.000
       Kraftfahrzeuge und bis zu 200 Züge die Brücke befahren, ohne wie bisher auf
       Fähren angewiesen zu sein. Schon die Einstellung des Fährbetriebs mache die
       Brücke „zum grünsten Projekt überhaupt“, behauptet Salvini.
       
       Zahlreiche Expert*innen jedoch halten das Projekt für hellen Wahnsinn.
       Die [4][Brücke entstünde in einer höchst erdbebengefährdeten Region]; im
       Jahr 1908 hatte ein Beben in Messina und Reggio Calabria, begleitet von
       einem Tsunami, etwa 80.000 Opfer gefordert. Doch die
       Brücken-Befürworter*innen geben Entwarnung, schließlich solle das Bauwerk
       für Erdstöße bis zu 7,1 auf der Richterskala ausgelegt werden – akkurat die
       Stärke des Bebens von 1908.
       
       Doch auch wenn sie nicht einstürzt, macht die Brücke
       Umweltschützer*innen Sorge. Die Meerenge von Messina, die das Ionische
       mit dem Tyrrhenischen Meer verbindet, ist sowohl für Fisch- als auch für
       Vogelschwärme wichtig; Zugvögel gelangen auf ihren Nord-Süd-Reisen zwischen
       Europa und Afrika auf dieser Route von Sizilien nach Kalabrien – und die
       Mega-Brücke, so befürchten Vogelschützer*innen, könne diesen Reiseweg
       kompromittieren.
       
       Alarmiert sind zugleich Anti-Mafia-Aktivist*innen. Man braucht nicht viel
       Fantasie, um sich auszurechnen, dass ein 12-Milliarden-Euro-Bauprojekt
       große Begehrlichkeiten sowohl bei der sizilianischen Cosa Nostra als auch
       bei der [5][kalabrischen 'Ndrangheta] wecken wird. Luigi Ciotti, Chef des
       großen Anti-Mafia-Netzwerks Libera, ist sich sicher, dass die Brücke von
       Messina „nicht nur zwei Küsten, sondern auch zwei Clans verbinden wird“.
       
       Deshalb rufen jetzt die Komitees „No Ponte“ („Nein zur Brücke“) für den 27.
       Oktober zu einem ersten Aktionstag in Messina und diversen anderen Städten
       quer durch Italien. Am 2. Dezember dann soll eine große nationale
       Demonstration folgen. Derweil macht sich Melonis Rechtskoalition schon
       Gedanken über den Namen des Bauwerks. Gut möglich, dass es
       „Berlusconi-Brücke“ getauft wird.
       
       26 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
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   DIR Michael Braun
       
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